zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 24.05.2022, Ra 2022/22/0039

VwGH vom 24.05.2022, Ra 2022/22/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des A F, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-151/V/079/4464/2020-15, VGW-151/V/079/4465/2020, VGW-151/V/079/4466/2020 und VGW-151/V/079/4467/2020, betreffend Wiederaufnahme von Verfahren nach dem NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt II. insoweit, als damit der Verlängerungsantrag des Revisionswerbers vom auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ (nunmehr: „Student“) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1Dem Revisionswerber, einem kosovarischen Staatsangehörigen, wurde mit Gültigkeit ab erstmals eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt, die in der Folge mehrfach, zuletzt bis zum verlängert wurde. Nachdem der Revisionswerber am einen weiteren Verlängerungsantrag eingebracht hatte, stellte er - während des anhängigen Verlängerungsverfahrens - gestützt auf seine am geschlossene Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin S einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 NAG. Dieser Aufenthaltstitel wurde ihm mit Gültigkeit ab erteilt.

2Nachdem die Ehe des Revisionswerbers mit S mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom einvernehmlich geschieden worden war, stellte der Revisionswerber am einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“. Dieser Aufenthaltstitel wurde ihm am  erteilt und in der Folge aufgrund seines Auftrags vom  am verlängert. Am stellte der Revisionswerber einen weiteren Verlängerungsantrag.

3Mit Bescheid vom nahm die belangte Behörde die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über die Anträge des Revisionswerbers vom (auf Erteilung eines „Aufenthaltstitels ‚Familienangehöriger‘“) sowie vom und vom (jeweils auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“) gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf (Spruchpunkt 1.a. bis 1.c. des Bescheides). Unter einem wurden der erstgenannte Antrag (Spruchpunkt 2.a. des Bescheides) gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG sowie die Anträge vom und vom (Spruchpunkt 2.b. und 2.c. des Bescheides) und der Verlängerungsantrag vom  (Spruchpunkt 3. des Bescheides) jeweils gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 NAG abgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Ehe des Revisionswerbers mit S um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom erkannte das Verwaltungsgericht Wien über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - wie folgt:

I. Die gegen Spruchpunkt 1 gerichtete Beschwerde betreffend die amtswegige Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren aufgrund der Anträge vom , und wird als unbegründet abgewiesen, wobei in lit. a. [hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens über den Antrag vom ] die Wortfolge ‚auf Erstausstellung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck ‚Familienangehöriger‘‘ durch die Wortfolge ‚auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung für den Zweck ‚Studierende‘ verbunden mit dem Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ‚Familienangehöriger‘(§ 24 Abs. 4 NAG)‘ ersetzt wird.

II. Die gegen Spruchpunkt 2.a (id. Spruch-Einleitungssatz) gerichtete Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruchpunkt mit der Maßgabe bestätigt, dass der mit dem Verlängerungsantrag vom verbundene Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ,Familienangehöriger‘ und der Verlängerungsantrag vom auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung für den Zweck ,Studienrede‘ (nunmehr: ,Student‘) gemäß § 24 Abs. 4 und § 25 Abs. 3 iVm § 47 Abs. 2 und § 64 Abs. 1 und 2 NAG abgewiesen werden.

III. Im Zusammenhalt mit I und II werden die Spruchpunkte 2.b, 2.c und 3 (jeweils id. Spruch-Einleitungssatz) dahingehend abgeändert, dass der Zweckänderungsantrag vom und die Verlängerungsanträge vom  und als unzulässig zurückgewiesen werden.

IV. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG in allen Punkten nicht zulässig.“

5Das Verwaltungsgericht traf - soweit hier von Relevanz - im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Da der Revisionswerber nach fast fünf Jahren keinen Studienerfolg nachweisen habe können, habe er sich in einer extremen fremdenrechtlichen Drucksituation befunden und daher nach einer Frau Ausschau gehalten, die ihm durch Eheschließung ein Aufenthaltsrecht verschaffen könne. Im Spätsommer 2014 habe er bei einer U-Bahn-Station S angesprochen, sie in weiterer Folge wiederholt kontaktiert und begonnen, sie zu einer Ehe zu überreden. Die Hochzeit sei auf Drängen des Revisionswerbers bereits für Februar 2015 geplant gewesen, habe aufgrund einer Erkrankung der S aber verschoben werden müssen. Schließlich habe die Hochzeit am ohne Feierlichkeiten stattgefunden. In weiterer Folge habe der Revisionswerber nur noch Interesse an der Besorgung seiner „Papiere“ gezeigt. Der Revisionswerber habe niemals die Absicht gehabt, mit S und ihren Söhnen eine ernsthafte und nachhaltige Wohngemeinschaft zu führen. Zwar sei es unter den Eheleuten mitunter zum Geschlechtsverkehr gekommen, es sei aber weder eine gemeinsame Wohnsitznahme erfolgt, noch habe es sonstige Aspekte einer Wirtschaftsgemeinschaft gegeben. Am , somit drei Monate nach der Eheschließung, habe S die Scheidung eingereicht und dies mit einer durchgehend fehlenden Mitwirkung des Revisionswerbers an einem gemeinsamen Eheleben begründet. Aufgrund der bestehenden Sprachbarriere sei bis zur Scheidung auch kein näherer kommunikativer Austausch im Rahmen eines gewöhnlichen Ehealltags möglich gewesen.

Am habe die kosovarische Staatsangehörige T F unter Berufung auf die am erfolgte Eheschließung mit dem Revisionswerber einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Familiennachzug gestellt. Der Revisionswerber habe diese Eheschließung im Zuge seines Verlängerungsantrags vom nicht erwähnt, wodurch sich der Verdacht einer vorangegangenen Aufenthaltsehe erhärtet habe.

6Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht ua. vage und inhaltlich nicht überzeugende Angaben zum Kennenlernen des Revisionswerbers und S ins Treffen. Zudem bezog das Verwaltungsgericht neben den Aussagen in der mündlichen Verhandlung auch die im Scheidungsverfahren protokollierten Angaben ein, aus denen hervorgehe, dass sich der Revisionswerber nicht regelmäßig in der Wohnung der S aufgehalten habe. Es sei S verwehrt worden, die Schwester des Revisionswerbers kennenzulernen, weil sie diese „nichts anginge“. Ein „gemeinsam“ habe es nicht gegeben, jeder habe seine eigenen Sachen bezahlt. Interesse an den aus einer vorangegangenen Beziehung entstammenden Kinder der S habe der Revisionswerber nicht gezeigt. Auffällig sei auch, dass S einer Meldung des Revisionswerbers in ihrer Wohnung erst zwei Monate nach der Eheschließung zugestimmt habe. Zudem erscheine es lebensfremd, dass - wie im vorliegenden Fall - ein frisch verheirateter Ehepartner die meiste Zeit bei seiner Schwester verbringe und bei dieser übernachte. Des Weiteren hätten auch die beiden dem Revisionswerber nach eigenen Angaben nahestehenden Cousins keine näheren Angaben zur vermeintlichen Beziehung machen können. Das Vorbringen des Revisionswerbers, die eheliche Gemeinschaft mit S sei nach der Scheidung noch bis ins Jahr 2016 aufrechterhalten worden, erachtete das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung als unzutreffend. Ausgehend davon stand für das Verwaltungsgericht zweifelsfrei fest, dass die ausschließliche Motivation des Revisionswerbers für die Eheschließung mit S die weitere Sicherstellung seines Aufenthaltsrechts in Österreich gewesen sei.

7Somit habe der Revisionswerber - so das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen - ungeachtet der gelegentlichen Intimkontakte mit S kein Ehe- und Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt. Er hätte sich daher bei Beantragung der Zweckänderung nicht auf diese Ehe berufen dürfen. Da die Erschleichungshandlung im ersten Verfahren auf die Folgeverfahren durchschlage, seien alle drei Verfahren zu Recht wiederaufgenommen worden.

Die zwischen April und Juni 2015 konkludent vorgenommene Zweckänderung (auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“) sei schon deshalb abzuweisen gewesen, weil der Revisionswerber seit rechtskräftig geschieden und somit kein „Familienangehöriger“ mehr sei. Da „im kombinierten Verlängerungsverfahren“ im Fall einer negativen Sachentscheidung über den Zweckänderungsantrag auch der ursprüngliche Verlängerungsantrag hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ zu prüfen sei, sei auch dieser Antrag mangels Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen abzuweisen gewesen. Eine unzulässige Überschreitung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes liege nicht vor, weil das Verwaltungsgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren die bei der belangten Behörde in Verhandlung stehende Angelegenheit abschließend zu erledigen habe.

Da die für die nachfolgenden Zweckänderungs- und Verlängerungsanträge notwendige rechtliche Grundlage mit der Entscheidung zu I und II weggefallen sei, könne über diese nicht mehr in der Sache entschieden werden, weshalb die Anträge als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien.

8Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 4193/2021, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

9Vorauszuschicken ist zunächst, dass es sich bei den amtswegigen Wiederaufnahmen mehrerer Verfahren und den daran anschließenden Entscheidungen über mehrere Anträge des Revisionswerbers jeweils um voneinander trennbare Spruchpunkte handelt. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. , Rn. 15, mwN).

Zu 1. (Aufhebung):

10Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit geltend, das Verwaltungsgericht habe auch über den - vor der Stellung des Zweckänderungsantrages - im Jahr 2013 eingebrachten Verlängerungsantrag hinsichtlich seiner Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ abgesprochen, obwohl die belangte Behörde darüber nicht entschieden habe. Das Verwaltungsgericht habe daher den Beschwerdegegenstand überschritten.

Die Revision ist insoweit zulässig und auch berechtigt.

11Der Revisionswerber hat zunächst am einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ und in weiterer Folge während des noch bei der belangten Behörde anhängigen Verlängerungsverfahrens einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gestellt.

12Gemäß § 24 Abs. 4 NAG kann mit einem Verlängerungsantrag bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

13Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einem mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag um einen einheitlichen Antrag, der mit der Erteilung des Aufenthaltstitels für den geänderten Aufenthaltszweck erledigt ist und über den lediglich dann gesondert mit einem Bescheid abzusprechen ist, wenn die Voraussetzungen für den anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt sind (vgl. , Rn. 19, mwN).

14Mit der mit erfolgten Erteilung des (im Wege der Zweckänderung beantragten) Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ war zwar der Antrag des Revisionswerbers auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ vom ebenfalls erledigt. Da es sich bei dem mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag aber um einen einheitlichen Antrag handelt, war mit der Wiederaufnahme des Verfahrens über die Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ der Antrag als Ganzes - und damit auch hinsichtlich des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ - wieder offen. Allerdings hat die belangte Behörde - obwohl sie den Zweckänderungsantrag abgewiesen hat - keine gesonderte Entscheidung über den Verlängerungsantrag getroffen.

15Der Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die erstmalige Entscheidung über diesen Verlängerungsantrag im Beschwerdeverfahren stelle trotz des Fehlens einer entsprechenden Entscheidung durch die belangte Behörde keine Überschreitung der Zuständigkeit dar, ist Folgendes entgegenzuhalten:

16„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruchs der belangten Behörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts ist daher die „Sache“ des bekämpften Bescheids; entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die noch nicht oder nicht in der vom Verwaltungsgericht in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit behaftet (vgl. , Pkt. 5.2., mwN).

17„Sache“ des Beschwerdeverfahrens im Hinblick auf die Abweisung des Antrages des Revisionswerbers vom war vor dem Hintergrund des Spruches des Bescheides der belangten Behörde nur die Nichterteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, nicht aber eine von diesem Abspruch trennbare Entscheidung über den ursprünglichen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels „Studierender“. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung über den Verlängerungsantrag vom eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihm nicht zugekommen ist.

18Das angefochtene Erkenntnis war daher in dem im Spruch genannten Umfang - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

19Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Zu 2. (Zurückweisung):

20Der Revisionswerber bringt in seiner Zulässigkeitsbegründung weiters vor, das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf das Eheleben keine Feststellungen zur Irreführungsabsicht des Revisionswerbers getroffen, obwohl eine solche Voraussetzung für eine Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG sei. Nach den Feststellungen hätten die Ehegatten regelmäßigen Kontakt gehabt, es sei über einen kurzen Zeitraum zu Intimkontakten gekommen und es habe gemeinsame Unternehmungen gegeben. Ausgehend davon hätte das Verwaltungsgericht davon ausgehen müssen, dass der Revisionswerber mit S (wenn auch nur für eine kurze Dauer) ein gemeinsames Familienleben geführt habe. Dies schließe jedoch eine Irreführungsabsicht aus.

21Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. , Rn. 9, mwN).

22Eine derartige Unvertretbarkeit vermag der Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht aufzuzeigen. Das Verwaltungsgericht setzte sich mit den Aussagen des Revisionswerbers und der S - und insbesondere mit den Angaben der S im Zuge des Scheidungsverfahrens - nachvollziehbar auseinander. Es gelangte - ungeachtet des Bestehens gelegentlicher Intimkontakte und gemeinsamer Unternehmungen - zum Ergebnis, dass der Revisionswerber niemals die Absicht gehabt habe, mit S eine ernsthafte und nachhaltige Wohngemeinschaft zu führen. Dabei stützte es sich in nicht zu beanstandender Weise (ua.) auf die unschlüssigen Angaben zum Kennenlernen und zur Eheanbahnung, auf die fehlende gemeinsame Wohnsitznahme und wirtschaftliche Haushaltsführung sowie darauf, dass die finanziellen Angelegenheiten getrennt gehalten worden seien und dass bereits drei Monate nach der Eheschließung die Scheidungsklage eingebracht worden sei. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht eine Irreführungsabsicht des Revisionswerbers zugrunde gelegt hat.

23Vor diesem Hintergrund war die Revision - soweit sie nicht im Hinblick auf die Ausführungen zu Spruchpunkt 1 zulässig ist - wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

24Im Hinblick auf die zu 1. und 2. getroffenen Entscheidungen erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022220039.L00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.