VwGH vom 24.03.2011, 2009/07/0160

VwGH vom 24.03.2011, 2009/07/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde


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1.
des Mag. (FH) A B in Wien, 2. des J B, 3. der J G, 4. des F B,
5.
des T H, alle in N, 6. der S K in W, 7. des K W in N, alle vertreten durch Kronberger Rechtsanwälte GmbH, in 1090 Wien, Garelligasse 3, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom , Zl. US 4A/2009/14-4, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Antrag auf Bescheidzustellung (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom suchte der Projektwerber C. um die Erteilung der Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines UVP-pflichtigen Vorhabens auf einem Projektareal von 31 ha in der Stadtgemeinde N nach § 5 UVP-G 2000 an.

Die Niederösterreichische Landesregierung nahm die Kundmachung des Antrages durch Edikt nach § 44a AVG vor und ersuchte die Stadtgemeinde N (in weiterer Folge: Stadtgemeinde) um den Anschlag der Kundmachung an der Amtstafel und um Auflage der entsprechenden Unterlagen von bis . Die Kundmachung wurde weiters im NÖ Kurier und der NÖ Krone, im Amtsblatt zur Wiener Zeitung, in den "Amtlichen Nachrichten" und auf der Homepage der Niederösterreichischen Landesregierung verlautbart. In der Kundmachung war in Punkt 5. festgehalten, dass sämtliche Schriftstücke im gegenständlichen Verfahren durch Edikt zugestellt werden könnten.

Im Wesentlichen deckungsgleich erfolgte die Kundmachung der anberaumten mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdeführer erhoben im Rahmen des Verfahrens Einwendungen.

Mit Bescheid vom erteilte die Niederösterreichische Landesregierung gemäß §§ 5, 17 und 39 UVP-G 2000 die Genehmigung für das Projekt und verfügte die Zustellung des Bescheides an alle Verfahrensparteien ebenfalls durch Edikt gemäß den §§ 44a und 44f AVG, wobei wiederum dieselben Medien um Kundmachung ersucht wurden.

Auch die Stadtgemeinde wurde mit Schreiben vom um den Aushang des (beigelegten) Ediktes vom bis auf der Amtstafel ersucht. Mit Schriftsatz vom übermittelte der Bürgermeister der Stadtgemeinde an die Niederösterreichische Landesregierung die an der Amtstafel der Stadtgemeinde angeschlagen gewesene Kundmachung sowie das Edikt betreffend die Genehmigung des Vorhabens. Diesem Schreiben war die Kundmachung angeschlossen, die neben der Unterschrift des Bürgermeisters den Stempelaufdruck "An der Amtstafel angeschlagen am: , abgenommen am " aufwies. Auch das rückübermittelte Edikt weist neben der Unterschrift des Bürgermeisters diesen Stempelaufdruck auf.

Mit Schreiben vom stellten unter anderem die Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Berufung. Darin führten sie aus, dass sie erst durch einen Artikel im Bezirksblatt vom von der Bescheiderlassung erfahren hätten. Die Bescheidzustellung mittels Edikt wäre am , somit wenige Tage vor Weihnachten erfolgt, und es sei davon auszugehen, dass viele Leute urlaubsbedingt abwesend seien. Anders als in anderen Verfahren sei das Edikt nicht in den NÖ Nachrichten (NÖN) oder - wie das ursprüngliche Edikt - per Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde veröffentlicht worden. Die Beschwerdeführer hätten aufgrund der ursprünglichen Veröffentlichungen davon ausgehen können, dass die weiteren Veröffentlichungen ebenso erfolgen würden, sodass sie am Versäumen der Berufungsfrist nur ein minderer Grad des Versehens treffe und die Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Als Bescheinigungsmittel wurde unter anderem die Einvernahme der Beschwerdeführer angeboten.

In eventu wurde die Zustellung des Bescheides an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer beantragt.

Mit Bescheid vom wies die Niederösterreichische Landesregierung sowohl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch den Antrag auf Bescheidzustellung als unbegründet ab und führte dazu aus, dass sich die Prognose zu Beginn des Verfahrens, wonach mehr als 100 Personen an dem Verhandlungsverfahren beteiligt sein würden, auf die Erfahrung der Behörde mit UVP-Verfahren, die Größe und die räumliche Ausdehnung des beantragten Vorhabens gestützt habe und aufgrund der Anzahl der benachbarten Grundstücke und angrenzenden Ortschaften berechtigt gewesen sei. Auch sei es nicht richtig, dass sich nur 8 Personen am Verfahren beteiligt hätten, denn allein bei der Verhandlung seien über 35 Personen anwesend gewesen. Außerdem müssten die 100 beteiligten Personen nicht Parteien des Verfahrens sein, insofern vermischten die Beschwerdeführer die Begriffe "Partei" und "Beteiligter". Außerdem habe es zum Zeitpunkt der Zustellung (Anm.: des Genehmigungsbescheides) auch noch andere Verfahrensparteien gegeben. Da somit die Zustellung gesetzeskonform erfolgt sei, sei der Bescheid inzwischen in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdeführer führten zwar aus, dass zu dieser Zeit viele Leute urlaubsbedingt abwesend seien, allerdings werde nicht erklärt, wann die Beschwerdeführer oder deren Rechtsvertreter selbst in dieser Zeitspanne abwesend gewesen seien. Außerdem werde der Fristenlauf während der Sperrfristen der § 44a ff AVG nicht gehemmt oder unterbrochen, die Zustellung durch Edikt sei jedenfalls zu einem nach den gesetzlichen Bestimmungen und der Judikatur zulässigen Zeitpunkt erfolgt. Auch sei ein Urlaub regelmäßig weder als unabwendbar noch unvorhersehbar anzusehen, insbesondere, wenn er länger dauern solle, wobei in diesem Zusammenhang auf die "de facto Berufungsdauer" von sechs Wochen hinzuweisen sei. Da Urlaub somit kein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG sei, erübrige sich auch eine Beweisvorlage bezüglich etwaiger konkret angetretener Urlaube der Beschwerdeführer. Weiters könne eine urlaubsbedingte Abwesenheit allenfalls Zustellmängel verursachen. Gerade diese sollten aber durch die im § 44f AVG festgelegte Zustellfiktion ausgeschlossen werden.

Insofern die Beschwerdeführer die Zustellung hinsichtlich der unterlassenen Veröffentlichung durch Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde und in den NÖN bemängelten, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass nach dem vorliegenden Sachverhalt, der den Akteninhalt wiedergebe, klar ersichtlich sei, dass der Anschlag aller Edikte an der Amtstafel der Stadtgemeinde erfolgt sei und die Ausführungen der Beschwerdeführer daher falsch seien. Eine Kundmachung in den NÖN wäre allenfalls zusätzlich möglich gewesen, da diese eine Wochenzeitung sei, § 44a Abs. 3 AVG aber die Kundmachung in zwei im Bundesland weit verbreiteten Tageszeitungen verlange. Die Kundmachungen seien aber vom Antragssteller als Barauslagen zu bezahlen und da die Vorschreibung unnötiger Kosten nicht zulässig sei, sei die zusätzliche Veröffentlichung nicht vorzunehmen gewesen.

Da den Beschwerdeführern offensichtlich die Existenz des Verfahrens bekannt gewesen sei, hätte es der zumutbaren Sorgfaltspflicht der Beschwerdeführer und deren Rechtsvertreters entsprochen, bezüglich etwaiger Kundmachungen Nachschau zu halten; dieser seien sie nicht nachgekommen. Das Nichtlesen oder Nichtwahrnehmen eines Ediktes könne nicht bewirken, dass die Zustellung nicht eintrete. In der "de facto sechswöchigen Rechtsmittelfrist" wäre es jedenfalls zumutbar gewesen, sich entsprechend zu informieren und Rechtsmittel zu ergreifen.

Schließlich hätten die Beschwerdeführer vorgebracht, erst am erfahren zu haben, dass ein Genehmigungsbescheid im gegenständlichen Verfahren erlassen worden sei. Als Wiedereinsetzungsgrund sei aber die urlaubsbedingte Abwesenheit angeführt worden. Zwar sei nicht angeführt worden, wann bei jedem einzelnen Beschwerdeführer, allenfalls bei ihrem Vertreter, dieses Hindernis weggefallen sei; es erscheine jedoch nicht nachvollziehbar, dass alle Beschwerdeführer vom bis urlaubsbedingt abwesend gewesen seien. Sollte daher - was nicht der Fall sei - eine urlaubsbedingte Abwesenheit einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wäre der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls als verspätet zurückzuweisen, da der Hinderungsgrund jedenfalls vor dem weggefallen wäre.

Sofern in eventu die Zustellung des Genehmigungsbescheides beantragt worden sei, sei auszuführen, dass die Zustellung durch Edikt bereits erfolgt und eine weitere Zustellung im Gesetz nicht vorgesehen sei, sodass auch eine weitere Übermittlung des Schriftstückes keine Zustellung mehr sein könne. Somit sei auch der Antrag auf Zustellung abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhoben unter anderem die Beschwerdeführer mit Schreiben vom Berufung und führten dazu aus, eine Anfrage hätte ergeben, dass in den betroffenen Gemeinden tatsächlich nur 74 Personen gemeldet seien. Es sei nicht davon auszugehen gewesen, dass sich insgesamt mehr als 100 Personen am Verfahren beteiligen würden, zumal erfahrungsgemäß nie alle potentiell Beteiligten am Verfahren teilnähmen. Somit seien die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Großverfahrens nicht vorgelegen, und es hätte eine persönliche Verständigung der Beschwerdeführer, insbesondere bezüglich der mündlichen Verhandlung und des Genehmigungsbescheides, erfolgen müssen. Da dies noch immer nicht erfolgt sei, habe der Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen können. Außerdem sei die Behörde auf das Vorbringen der Beschwerdeführer zur nicht vorliegenden Zustellung durch Edikt aufgrund der angeführten unterbliebenen Veröffentlichungen nicht eingegangen und habe die angebotenen Beweise nicht aufgenommen, wodurch das Parteiengehör und Verfahrensvorschriften verletzt worden seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte dazu aus, dass bereits in der verfahrenseinleitenden Kundmachung darauf hingewiesen worden sei, dass sämtliche Schriftstücke in diesem Verfahren durch Edikt zugestellt werden könnten. Ebenso durch Edikt sei die mündliche Verhandlung anberaumt worden, sodass selbst eine nicht rechtsfreundlich vertretene Partei damit habe rechnen müssen, dass auch der Genehmigungsbescheid auf dieselbe Weise kundgemacht werden würde. Der bloße Umstand, dass diese Kundmachung am in verbreiteten Tageszeitungen und ab auf der Homepage der genehmigenden Behörde und auf der Amtstafel der Stadtgemeinde erfolgt sei, könne für sich allein nicht als ein unvorhergesehenes Ereignis qualifiziert werden. Die Zustellwirkung sei unabhängig davon, ob die Adressaten vom Edikt tatsächlich Kenntnis erlangt hätten.

Weiters habe die erstinstanzliche Behörde in begründeter Weise die Prognosebeurteilung bezüglich der Anzahl der möglichen Beteiligten dadurch vorgenommen, dass sie die telefonische Auskunft der Stadtgemeinde eingeholt, sich auf ihre eigene Erfahrung in UVP-Verfahren gestützt und mögliche Wasserrechtsberechtigte und andere Personen mitberücksichtigt habe. Wenn die Prognose, wie in diesem Fall, zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens begründet sei, werde die Anwendung der Bestimmungen über das Großverfahren nicht dadurch rechtswidrig, dass sich in weiterer Folge herausstelle, dass doch weniger Personen beteiligt seien.

Aus den Akten ergebe sich auch, dass die Ediktkundmachungen in allen Verfahrensstadien, also auch in Bezug auf die Anberaumung der mündlichen Verhandlung und den Genehmigungsbescheid, vollständig und einheitlich erfolgt seien, sodass auch Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit nicht beeinträchtigt hätten werden können. Die eigenhändig vom Bürgermeister der Stadtgemeinde unterschriebene Bestätigung, dass der Genehmigungsbescheid am angeschlagen und am entfernt worden sei, sei eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 47 AVG, deren Beweiswirkung durch die bloße Behauptung in der Berufung, wonach die Zustellung durch Anschlag an der Amtstafel dieser Stadtgemeinde nicht erfolgt sei, nicht erschüttert werden könne. Da diese Urkunde Aktenbestandteil sei, habe man davon Abstand nehmen können, die Beschwerdeführer damit gesondert zu konfrontieren.

Zusammenfassend sei davon auszugehen, dass die erstinstanzliche Behörde rechtens vom Vorliegen der Voraussetzungen für ein Großverfahren ausgehen habe dürfen und dass die einschlägigen Bestimmungen korrekt angewendet worden seien. Aus diesem Grund sei ausgeschlossen, dass ein einen Wiedereinsetzungsgrund begründendes Ereignis gegeben sei; im Übrigen sei die Zustellung fehlerfrei erfolgt. Eine individuelle (neuerliche) Zustellung an die Beschwerdeführer könne daher unterbleiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer begründeten sowohl den Antrag auf Wiedereinsetzung als auch jenen auf Zustellung des Genehmigungsbescheides damit, dass die von der Behörde vorgenommene Zustellung mangelhaft gewesen sei und daher keine Rechtswirkungen auslösen hätte können. Die Behörde erster Instanz wies beide Anträge als unbegründet ab, die belangte Behörde hielt diese Entscheidungen durch Abweisung der Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid aufrecht.

§ 71 Abs. 1 AVG lautet:

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:


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die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei."

"Versäumt" ist eine Frist, wenn der Lauf der Frist für eine Prozesshandlung durch den gesetzlich vorgesehenen Akt ausgelöst wurde und die Frist ungenutzt verstrichen ist. Wurde der Fristenlauf gar nicht ausgelöst - etwa weil eine Zustellung nicht rechtswirksam erfolgt ist - kann die Frist auch nicht versäumt werden, sodass auch eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt (vgl. dazu Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, S. 325 sowie Walter/Thienel , Verwaltungsverfahren2, Band I, E 131 zu § 71 AVG).

Eben auf die mangelhafte und in Folge nicht ordnungsgemäß erfolgte Zustellung berufen sich aber die Beschwerdeführer in ihrem Vorbringen zum Antrag auf Wiedereinsetzung, wenn sie die Ansicht vertreten, dass die Zustellung per Edikt verschiedene Mängel aufgewiesen habe. Ein Zustellungsmangel stellt aber kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne von § 71 Abs. 1 Z 1 AVG dar (vgl. wie oben Walter/Thienel, E 130 zu § 71 AVG). Darauf kann ein Antrag auf Wiedereinsetzung nicht erfolgreich gegründet werden.

Neben dem angeblich vorgelegenen Zustellmangel machten die Beschwerdeführer im Wiedereinsetzungsantrag geltend, es hätten sich im Zeitraum der Ediktalzustellung "viele Leute auf Urlaub" befunden. Dieses Vorbringen erweist sich aber schon deshalb als ungeeignet zur Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes, weil die Beschwerdeführer damit nicht behaupten, sie selbst wären in diesem Zeitraum auf Urlaub gewesen; es erübrigte sich daher, näher darauf einzugehen, ob dieses Vorbringen überhaupt geeignet gewesen wäre, einen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen.

Soweit der angefochtene Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung abwies, verletzte er daher keine Rechte der Beschwerdeführer.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag der Beschwerdeführer auf Zustellung des Genehmigungsbescheides abgewiesen wurde, liegt ebenfalls keine Rechtswidrigkeit vor. Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführer der Ansicht der Behörde, der Antrag auf Zustellung des Bescheides stelle keinen Antrag nach § 44f Abs. 2 AVG auf Ausfolgung bzw. Zusendung des Bescheides dar, nicht entgegen getreten sind. Die Beschwerdeführer begehrten vielmehr die Zustellung des Genehmigungsbescheides mit der Begründung, die nach § 44a und § 44f AVG vorgenommene Zustellung wäre rechtswidrig gewesen und hätte keine Rechtswirkungen entfaltet.

§ 44a AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"§ 44a. (1) Sind an einer Verwaltungssache oder an verbundenen Verwaltungssachen voraussichtlich insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt, so kann die Behörde den Antrag oder die Anträge durch Edikt kundmachen.

(2) Das Edikt hat zu enthalten:

1. den Gegenstand des Antrages und eine Beschreibung des Vorhabens;

2. eine Frist von mindestens sechs Wochen, innerhalb derer bei der Behörde schriftlich Einwendungen erhoben werden können;


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3.
den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 44b;
4.
den Hinweis, dass die Kundmachungen und Zustellungen im Verfahren durch Edikt vorgenommen werden können.

(3) Das Edikt ist im redaktionellen Teil zweier im Bundesland weitverbreiteter Tageszeitungen und im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu verlautbaren. Ist in den Verwaltungsvorschriften für die Kundmachung der mündlichen Verhandlung eine besondere Form vorgesehen, so ist der Inhalt des Edikts darüber hinaus in dieser Form kundzumachen; im Übrigen kann die Behörde jede geeignete Form der Kundmachung wählen. In der Zeit vom 15. Juli bis 25. August und vom 24. Dezember bis 6. Jänner ist die Kundmachung durch Edikt nicht zulässig."

§ 44f AVG lautet:

"§ 44f. (1) Ist der Antrag gemäß § 44a Abs. 1 kundgemacht worden, so kann die Behörde Schriftstücke durch Edikt zustellen. Hiezu hat sie gemäß § 44a Abs. 3 zu verlautbaren, dass ein Schriftstück bestimmten Inhalts bei der Behörde zur öffentlichen Einsicht aufliegt; auf die Bestimmungen des Abs. 2 ist hinzuweisen. Mit Ablauf von zwei Wochen nach dieser Verlautbarung gilt das Schriftstück als zugestellt.

(2) Die Behörde hat das Schriftstück während der Amtsstunden mindestens acht Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Sie hat den Beteiligten auf Verlangen Ausfertigungen des Schriftstückes auszufolgen und den Parteien auf Verlangen unverzüglich zuzusenden. Nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten hat sie das Schriftstück im Internet bereitzustellen."

§ 47 AVG lautet samt Überschrift:

"Urkunden

§ 47. Die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden und Privaturkunden ist von der Behörde nach den §§ 292 bis 294, 296, 310 und 311 ZPO zu beurteilen. Dabei gilt § 292 Abs. 1 erster Satz ZPO jedoch mit der Maßgabe, dass inländische öffentliche Urkunden den Beweis auch über jene Tatsachen und Rechtsverhältnisse liefern, die die Voraussetzung für ihre Ausstellung bildeten und in der Urkunde ausdrücklich genannt sind; wenn die Behörde im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles dagegen Bedenken hat, dass die Urkunde diesen Beweis liefert, so kann sie der Partei auftragen, den Beweis auf andere Weise zu führen."

§ 17 Abs. 8 UVP-G 2002 hat folgenden Wortlaut:

"(8) Erfolgt die Zustellung behördlicher Schriftstücke gemäß § 44f AVG durch Edikt, so ist die öffentliche Auflage abweichend von § 44f Abs. 2 AVG bei der Behörde und in der Standortgemeinde vorzunehmen."

Die Beschwerdeführer erblicken Zustellmängel darin, dass die Veröffentlichung des Ediktes nicht per Anschlag in der Stadtgemeinde erfolgt sei und, entgegen früherer Veröffentlichungen, auch nicht in den NÖN. Außerdem sei nicht davon auszugehen gewesen, dass sich mehr als 100 Personen am Verfahren beteiligen würden, was eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen des AVG über das Großverfahren gewesen wäre.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer ist nicht zu folgen. Die Bestätigung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde über den erfolgten Anschlag ist als öffentliche Urkunde im Sinne des § 47 AVG anzusehen, da sie von einer österreichischen öffentlichen Behörde innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises auf Papier errichtet wurde. Eine solche Urkunde begründet aber gemäß § 292 Abs. 1 ZPO vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder was darin bezeugt wurde, sie begründet also die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit (vgl. wie oben Thienel/Schulev-Steindl , S. 193). Die darauf gestützte Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach angesichts der höheren Beweiskraft der Bestätigung von den Angaben des Bürgermeisters und nicht von den gegenteiligen Behauptungen der Beschwerdeführer auszugehen sei, begegnet keinen Bedenken.

Auch mit dem Vorbringen der unterlassenen Veröffentlichung des Ediktes zum Genehmigungsbescheid in den NÖN vermögen die Beschwerdeführer keinen Mangel der Zustellung darzulegen. Wie den mit dem Akt übereinstimmenden Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde zu entnehmen ist, erfolgte die Verlautbarung entsprechend § 44a Abs. 3 AVG in zwei regionalen Tageszeitungen, nämlich der NÖ Krone und dem NÖ Kurier und auch im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung". Die in diesem Verfahren vorangegangenen Veröffentlichungen des verfahrenseinleitenden Antrags und der Anberaumung der mündlichen Verhandlung erfolgten ebenfalls in diesen Medien, und nicht in den NÖN. Sofern die Beschwerdeführer meinen, dass "frühere Veröffentlichungen" in den NÖN in "anderen Großverfahren" (der gleichen oder anderer Behörden) eine Verpflichtung der Behörde zur Veröffentlichung späterer Edikte in den NÖN nach sich ziehe, so ist dem zu entgegnen, dass für die Rechtswirkungen des Ediktes nur die Verlautbarung in den Tageszeitungen und in der Wiener Zeitung entscheidend ist; die zusätzlichen Kundmachungen haben lediglich Informationsfunktion (vgl. dazu wie oben Thienel/Schulev-Steindl , S. 178). Die Veröffentlichung erfolgte somit gesetzeskonform, ein Zustellmangel liegt nicht vor.

Die Beschwerdeführer scheinen auch der Auffassung zu sein, dass im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Anwendung des § 44f AVG zur Zustellung des das Verfahren abschließenden Bescheides geht, die Ediktalzustellung nur dann gesetzeskonform ist, wenn bereits der das Verfahren einleitende Akt der Ediktalkundmachung allen Voraussetzungen des § 44a AVG - insbesondere auch bezüglich des Vorhandenseins der ausreichenden Zahl von Personen - entsprochen hat. Es kann aber im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob diese Auffassung zutrifft. Selbst wenn man dieser Auffassung wäre, wäre für den Beschwerdeführer aus folgenden Gründen nichts zu gewinnen:

Die belangte Behörde legt nämlich nachvollziehbar dar, dass die Prognoseentscheidung der erstinstanzlichen Behörde, wonach sich voraussichtlich mehr als 100 Personen am Verfahren beteiligen werden, ausreichend begründet war. Die Wortfolge "voraussichtlich insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt" in § 44a Abs. 1 AVG bedeutet, dass die Behörde eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, wobei sich die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nach den Verhältnissen vor Durchführung des Ermittlungsverfahrens richtet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2006/04/0250).

Nach den Materialien (NR: GP XX AB 1167 S. 119. BR: AB 5676 S. 642.) muss sich die "getroffene Prognoseentscheidung ... auf konkrete Tatsachen oder Erfahrungssätze stützen können; in Zweifelsfällen wird es sich daher empfehlen, die Gründe für den Einsatz des Edikts aktenmäßig entsprechend zu dokumentieren (z.B. durch die Anlegung von Listen)". Ist die Prognose in diesem Zeitpunkt begründet, wird die Anwendung der Bestimmungen über das Großverfahren nicht dadurch rechtswidrig, dass sich in weiterer Folge herausstellt, dass doch weniger Personen beteiligt sind (vgl. dazu wie oben Thienel/Schulev-Steindl , S. 177). Die Prognose, die sich auf die Auskunft der Stadtgemeinde, wonach in den an das Vorhaben unmittelbar angrenzenden Rotten und Ortschaften ca. 100 Personen lebten (die größte Ortschaft der Katastralgemeinde wurde in diese Schätzung gar nicht einbezogen), auf die Größe des Projektes (31 ha), die Anzahl der zum Vorhaben benachbarten Grundstücke, auf die Erfahrung der erstinstanzlichen Behörde mit UVP-Verfahren sowie auf die Berücksichtigung der Zahl möglicher Wasserberechtigter und anderer potentieller Inhaber sonstiger Rechte stützte, trägt die Einschätzung, dass vom Vorhaben mehr als 100 Personen betroffen sein würden und damit die Entscheidung der Behörde, nach § 44a AVG vorzugehen. Diese Vorgangsweise wird nicht dadurch falsch, dass sich im Verlauf des weiteren Verfahrens herausstellt, dass sich doch nicht mehr als 100 Personen am Verfahren beteiligen. Die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens als Großverfahren nach § 44a AVG erweist sich daher als rechtskonform. Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens ist daher die Zustellung des Genehmigungsbescheides auf diese Art nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführer auf Zustellung des Genehmigungsbescheides (nicht etwa auf Ausfolgung und Zusendung nach § 44f Abs. 2 AVG) verletzte daher keine Rechte der Beschwerdeführer.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil der Verwaltungsgerichtshof nach Stattfinden eines Verfahrens vor dem Umweltsenat, einem Tribunal im Sinn der EMRK, angerufen wurde, und die Beschwerdeführerin vor dem Umweltsenat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verlangt hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , 98/10/0401, und vom , 2005/04/0044).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am