VwGH vom 15.09.2011, 2009/07/0154
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des PG in A, vertreten durch Loimer Scharzenberger-Preis Rechtsanwälte Partnerschaft in 5020 Salzburg, Johann Wolf Straße 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-UW.2.1.2/0393- VI/1/2009-WB, betreffend Untersagung der Sammlung nicht gefährlicher Abfälle gemäß § 24 Abs. 4 AWG 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg (LH) vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) die Sammlung angezeigter, nicht gefährlicher Abfälle untersagt.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung behob die belangte Behörde diesen Bescheid der LH mit der Begründung, dass noch weitere Ermittlungen notwendig seien, und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die LH zurück.
Im Zuge des ergänzten Ermittlungsverfahrens führte der Beschwerdeführer aus, dass er die Errichtung eines Lagers als Umschlagplatz einer stofflichen Verwertung plane. Das Lager solle dazu dienen, um bestimmte "Wertstoffe", wie etwa PET-Flakes, zu sammeln, bis eine ausreichende Transportmenge vorhanden sei. Auch sollten Verpackungsarbeiten in Big Bags möglich sein.
Bei der von der LH durchgeführten mündlichen Verhandlung am gab der Beschwerdeführer an, auf Grund der Anfrage der Zementindustrie wieder als Sammler und Behandler nicht gefährlicher Abfälle tätig zu sein. Die Behandlung erfolge durch näher bezeichnete Unternehmen unter seiner Überwachung. Er verfüge über keine Transportfahrzeuge.
Am wurde auf dem Gelände der Firma Alois D. in A. ein Lokalaugenschein durchgeführt. Aus dem Aktenvermerk dazu geht hervor, dass vor der Lagerhalle etwa fünf Big Bags mit einem laut Typenschein genehmigten Ladevolumen von je 1.000 kg vorgefunden worden seien. In diesen hätten sich augenscheinlich Produktionsabfälle von Tankdeckeln aus Hartplastik, teilweise mit Metallanteilen, sowie im geringeren Umfang andere Hartkunststoffanteile befunden. Zudem seien vom Beschwerdeführer Silikonabfälle aus der Erzeugung von Brustimplantaten angeliefert worden. Diese Silikonabfälle würden von der Firma Alois D. in Big Bags umgeladen und auf LKW verladen, wobei die Verweildauer der Abfälle laut Aussage des Alois D. bis zu maximal einer Woche betrage. Der Beschwerdeführer bestimme, was mit den Abfällen geschehen solle.
In einer Stellungnahme dazu führte der Beschwerdeführer aus, bei der Firma Alois D. kein Lager gehabt zu haben. Es sei dort lediglich das Umladen und Umpacken von Waren vorgenommen worden. Er sei davon ausgegangen, dass diese Tätigkeit im Zuge der Speditionstätigkeit des Alois D. ausgeführt werden dürfe. Es handle sich keineswegs um gefährliche oder die Umwelt beeinträchtigende Materialien. Weiters gab der Beschwerdeführer an, es sei ihm keineswegs bewusst gewesen, dass es sich bei dieser Umladetätigkeit um einen genehmigungspflichtigen Vorgang handle, denn es sei Material, für das er einen guten Erlös erzielen könne. Die Ware sei bereits vor dem Eintreffen am Firmengelände des Alois D. verkauft worden. Er selbst habe für die Ware bezahlen müssen. Demnach habe er selbst keinerlei Entledigungsabsicht. Bei dem Umschlagplatz auf dem Gelände der Firma Alois D. handle es sich nicht um das von ihm geplante Lager. Zudem sei bereits der Abtransport der Big Bags veranlasst worden. Er ersuche daher, seine Tätigkeit nicht als Verfehlung, sondern als Irrtum zu bewerten.
Mit Bescheid der LH vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003, insbesondere Anlage 5, die Sammlung von im Spruch näher bezeichneten nicht gefährlichen Abfällen untersagt.
Begründend führte die LH aus, dass der Beschwerdeführer Abfälle, die bereits vorsortiert und vorbearbeitet seien, von Unternehmen ankaufe und diese von Subunternehmen nach seinen "Rezepten" behandeln lasse. Produktionsabfälle (Fehlchargen) von Tankdeckeln aus Hartplastik, teilweise mit Metallanteilen sowie in geringerem Umfang andere Hartkunststoffanteile gehörten zur Abfallart mit der Abfallschlüsselnummer 57129. Diese befänden sich laut Aussage von Alois D. seit etwa drei Monaten an diesem Platz und seien vom Beschwerdeführer angeliefert worden. Die vom Beschwerdeführer der Firma Alois D. übergebenen Silikonabfälle (aus der Erzeugung von Brustimplantaten) würden von dieser in Big Bags um- und auf LKW aufgeladen, wobei die Verweildauer der Abfälle laut Aussage von Alois D. maximal eine Woche betrage. Aus den von Alois D. übermittelten Unterlagen gehe hervor, dass seit etwa Ende August 2008 eine solche "Zwischenlagerung bzw. Umlagertätigkeit" erfolgt sei. Es seien etwa vier Rechnungen für diese Tätigkeiten ausgestellt worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die LH in diesem Bescheid aus, dass es sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bei den in den Big Bags gelagerten, aus einer Fehlproduktion stammenden Tank- bzw. Öldeckeln sehr wohl um Abfälle handle, da diese Sachen nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht mehr neu seien oder in einer für sie bestimmungsgemäßen Verwendung stünden. Sie seien für ihre ursprüngliche Funktion als Tank- bzw. Öldeckel nicht mehr geeignet. Zudem hätte sich der Vorbesitzer dieser Sachen entledigen wollen und sie daher dem Beschwerdeführer übergeben.
Der Beschwerdeführer habe Abfälle, die der Abfallschlüsselnummer 57129 zuzurechnen seien, über einen Zeitraum von mehreren Wochen in einer Betriebsanlage gelagert, die nicht über eine entsprechende Genehmigung verfüge. Die Zwischenlagerung sei auch nicht an einem vorgesehenen, geeigneten Ort erfolgt. Unter einem solchen sei ein Abfallbehälter im Haushalt oder auf der Straße zu verstehen. Eine Lagerung auf unbefestigtem Boden könne jedoch nicht darunter verstanden werden.
Der Beschwerdeführer habe somit Abfälle entgegen der Bestimmung des § 15 Abs. 3 AWG 2002 gelagert, weshalb davon auszugehen sei, dass dies auch bei den anderen angezeigten Abfallarten möglich sei, zumal der Beschwerdeführer über kein eigenes "genehmigtes oder angesuchtes Zwischenlager" verfüge.
§ 24 Abs. 4 AWG 2002 stelle eine Prognoseentscheidung (arg.: "ist zu erwarten") dar. Der Beschwerdeführer habe entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 eine angezeigte Abfallart (57129) gelagert, obwohl er dies bei der mündlichen Verhandlung dezidiert verneint habe.
Es sei daher davon auszugehen, dass dies auch bei den anderen angezeigten Abfallarten möglich sei, zumal der Beschwerdeführer nicht über ein eigenes genehmigtes oder angesuchtes Zwischenlager verfüge.
Somit sei - so führte die LH schließlich in ihrer Begründung aus - zu erwarten, dass die Art der Sammlung für die jeweiligen Abfälle den Anforderungen gemäß § 15 AWG 2002 (Lagerung außerhalb von genehmigten Anlagen oder vorgesehenen geeigneten Orten) nicht entspreche oder die öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 Z. 8 AWG 2002 (Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) beeinträchtigt würden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde und führte darin aus, dass es sich bei den abgelagerten Materialien keineswegs um gefährliche handle, wovon auch die LH auf Grund der Zuordnung dieser Materialien zur Schlüsselnummer 57129 ausgegangen sei. Das Material habe einen Flammpunkt von über 100 Grad C, sodass keine Selbstentzündung möglich gewesen sei. Er habe keineswegs die Absicht gehabt, auf dem Betriebsgelände der Firma Alois D. ein Zwischenlager zu errichten. Mit Alois D. seien lediglich Umlade- und Umschlagstätigkeiten vereinbart worden. Es sei nur einmal ausnahmsweise, nämlich wegen einer Fehllieferung, zu einer längeren Zwischenlagerdauer als sonst üblich gekommen.
Nicht ersichtlich sei, so der Beschwerdeführer weiter, weshalb es sich bei den von ihm angekauften und angenommenen Fehlchargen der Tankdeckel und Silikonimplantate um nicht gefährliche Abfälle handeln solle. Vielmehr lägen Wirtschaftsgüter vor, für welche auf dem Markt ein Preis erzielbar sei. Könnte man zwar dem Hersteller der Tankdeckel noch eine Entledigungsabsicht unterstellen, da es sich um eine Fehlcharge gehandelt habe, so gelte das für den Beschwerdeführer nicht mehr. Dass sich die Produzenten von Fehlchargen dieser grundsätzlich entledigen wollten, mache diese Chargen per se noch nicht zu Abfällen.
Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich um Abfälle handelte, so hätte die Erstbehörde nicht dargelegt, welche öffentlichen Interessen gefährdet werden könnten.
Die belangte Behörde holte im Zuge des Berufungsverfahrens eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft ein.
Dieser führte in seiner Stellungnahme vom aus, dass die streitgegenständlichen Stoffe den Gruppen Q6 (Nichtverwendbare Elemente) bzw. Q2 (Nicht den Normen entsprechende Produkte) gemäß Anhang 1 des AWG 2002 zugeordnet werden könnten. Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung könne angenommen werden, dass Tankdeckel und Silikonimplantate, die nicht bestimmungsgemäß verwendet und auch nicht ohne Weiteres einer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden könnten, bei ihren Herstellern grundsätzlich das Bestreben auslösten, sich ihrer zu entledigen.
Der beigezogene technische Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme vom aus, dass zwar der Flammpunkt des streitgegenständlichen Materials über 100 Grad C liege, jedoch Kunststoffe einen sehr hohen Heizwert hätten und daher wesentlich zu einer Brandlast beitrügen. Auf Grund einer konsenslosen Lagerung von Kunststoffabfällen und der damit einhergehenden Nichtberücksichtigung der Brandlast könnten potenzielle Gefahren für die öffentlichen Interessen ausgehen. Ob dies im konkreten Fall zutreffe, müsse von einem Brandschutzsachverständigen geklärt werden. Zu bewerten sei aus technischer Sicht jedenfalls die Ausführung des Bauwerks, die potenzielle Brandlast, die Zugänglichkeit für einen Löschangriff und das Vorhandensein von Löschmitteln.
Die belangte Behörde ersuchte auf Grund dieser Stellungnahme die LH mit Schreiben vom gemäß § 66 Abs. 1 AVG um Durchführung einer etwaigen mündlichen Verhandlung bzw. einer örtlichen Erhebung durch den technischen Amtssachverständigen der Erstbehörde gemeinsam mit einem Brandschutzsachverständigen.
Der abfalltechnische Amtssachverständige der Erstbehörde führte in seiner Stellungnahme vom aus, dass sich das Betriebsgelände der Firma Alois D. in A. in einem Gewerbegebiet befinde. Die asphaltierte Zufahrtsstraße sei ausreichend breit, eine Zufahrt durch Feuerwehrfahrzeuge problemlos möglich. Weiters befinde sich direkt neben dem Betriebsgebäude etwa 70 bis 80 m vom damaligen Standort der Big Bags entfernt, ein Hydrant. Die beim Lokalaugenschein am vorgefundenen Big Bags seien im Freien, nahe der Hauswand, teilweise unter einem vorspringenden Dach zwischengelagert gewesen. Das Betriebsgelände sei nicht umzäunt und von jedermann betretbar.
Diese Stellungnahme übermittelte die LH der belangten Behörde und führte im Begleitschreiben vom aus, eine Nachfrage beim Brandschutzsachverständigen habe ergeben, dass eine schlüssige und nachvollziehbare Stellungnahme zur Frage der Brandgefährdung nicht möglich erscheine. Der Brandschutzsachverständige habe sich von den örtlichen Gegebenheiten der gelagerten Abfälle kein eigenes Bild machen können. Er sei daher nicht für eine Stellungnahme beigezogen worden.
Diese eingeholten Stellungnahmen wurden dem Beschwerdeführer zur Äußerung übermittelt.
In einer Stellungnahme vom führte der Beschwerdeführer aus, dass von den in Big Bags verpackten Stoffen keinerlei Gefährdung ausgegangen sei. Eine Feuergefährdung könne ausgeschlossen werden, außer es würde mutwillig ein Brand gelegt. Auch diesfalls wäre jedoch eine ausreichende Wasserversorgung für Löschfahrzeuge vorhanden. Bei den verpackten Materialien habe es sich nicht um Abfälle gehandelt. Der Beschwerdeführer habe diese Stoffe angekauft und auch weiterverkauft, weshalb diese "Wertstoffe" sowohl für ihn als auch für die Abnehmer als Produkte bzw. Gegenstände mit einem Marktpreis anzusehen gewesen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die von Alois D. dem Beschwerdeführer ausgestellten Rechnungen auf "Umlade- und Umschlagstätigkeit" lauteten. Gerade diese Tätigkeit entspreche dem Wesen einer Zwischenlagerung. Eine Rechnung für Speditionstätigkeit sei nicht ausgestellt worden. Zudem habe der Beschwerdeführer in einem Schreiben an die LH vom selbst angeführt, ein kleines Umschlaglager errichten zu wollen, um Silikone oder Wertstoffe umzuladen.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, von den verpackten Materialien gehe keine Gefährdung öffentlicher Interessen aus, sei zu erwidern, der Amtssachverständige der Erstbehörde habe ausgeführt, dass das Gelände unversperrt sowie für jedermann frei zugänglich und somit auch eine Brandgefährdung durch Fremdeinwirkung möglich sei. Auch wenn eine Zufahrtsmöglichkeit für die Feuerwehr gegeben sei und sich dort ein Hydrant befände, gebe es keine eigenen Schutzmaßnahmen zur Brandverhütung. Da die Lagerung von Abfällen von der Betriebsgenehmigung des Alois D. nicht umfasst sei, seien solche Brandschutzmaßnahmen nicht vorhanden.
Zur Frage der Abfalleigenschaft der Tankdeckel und Silikonimplantate sei festzuhalten, dass diese der Abfallschlüsselnummer "Q6" und "Q10" (RL 75/442/EWG) zuzuordnen und bei einem Produktionsprozess als Ausschuss (Produktionsrückstände) angefallen seien. Sie stünden somit nicht mehr in bestimmungsgemäßer Verwendung. Der Erstbesitzer habe sich dieser Abfälle jedenfalls entledigen wollen. Schon ab diesem Zeitpunkt stellten diese Abfälle dar und zwar solange, bis die Abfalleigenschaft ende. Ein solches Ende der Abfalleigenschaft setze eine ordnungsgemäße Verwendung voraus. Eine solche sei vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen worden.
Zusammenfassend könne daher festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Abfälle im Widerspruch zu § 15 Abs. 3 AWG 2002 in einer nicht genehmigten Betriebsanlage gelagert habe und eine Gefährdung der öffentlichen Interessen ebenfalls nicht ausgeschlossen werden könne.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Begründend führt der Beschwerdeführer aus, dass es sich bei den von ihm angekauften und manipulierten Sachen um keine Abfälle handle, sondern um Wertstoffe oder Reststoffe. Die ursprüngliche Anzeige der Sammeltätigkeit an die LH sei aus Gründen der Rechtskonformität und Rechtssicherheit für den Fall erfolgt, dass die Behörde zum Schluss komme, es würden tatsächlich nicht gefährliche Abfälle gesammelt. Er habe keinerlei Entledigungsabsicht. Es gehe ihm vielmehr darum, Restbestände oder Fehlproduktionen anzukaufen, um diese dann entsprechend bearbeiten zu lassen und weiterzuverkaufen. Mögen die einzelnen Gegenstände oder Sachen auch im Anhang 1 des AWG 2002 angeführt sein, so übersehe die belangte Behörde, dass zusätzlich zu dieser Klassifizierung entweder eine Entledigungsabsicht oder die Sammlung, Lagerung oder Beförderung und Behandlung jener Sachen als Abfall erforderlich sei, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen. Der Beschwerdeführer habe kein Lager auf dem Betriebsgelände des Alois D. betrieben. Es habe sich vielmehr um die zwischenzeitige und vorübergehende Belassung von an sich bereits nicht gefährlichen "Tankdeckeln und Silikonbusen/Fehlchargen" gehandelt, die ordnungsgemäß in Big Bags verpackt gewesen seien.
Auch wenn man der Ansicht der belangten Behörde folgte und annehme, dass es sich bei den Tankdeckeln und Silikonimplantaten um Abfälle des AWG 2002 handle, so fehle es an einer aktuellen oder bloß potenziellen Gefährdung öffentlicher Interessen. Die belangte Behörde habe eine solche nicht nachweislich annehmen können.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den vorliegenden Beschwerdefall sind die Bestimmungen der §§ 1, 2 und 15 AWG 2002 relevant, die auszugsweise wie folgt lauten:
"§ 1. …
(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls
1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,
2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,
3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,
4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,
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5. | Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können, |
6. | Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können, |
7. | das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können, |
8. | die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder |
9. | Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können. |
§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder
2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange
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1. | eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder |
2. | sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht. |
… |
(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
1. 'Altstoffe'
a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder
b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden,
um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung
zuzuführen.
…
§ 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden."
Abfall liegt vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es bei der Beurteilung der subjektiven Abfalleigenschaft weder auf seine eigene Entledigungsabsicht noch auf seine Absicht in Bezug auf eine in Aussicht genommene Verwendung der Materialien an. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Sache nämlich schon dann als Abfall zu qualifizieren, wenn bei irgendeinem Vorbesitzer die Entledigungsabsicht bestanden hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/07/0017, mwN). Besteht bei einem Voreigentümer oder Vorinhaber Entledigungsabsicht, dann wird die Sache zum Abfall und verliert diese Eigenschaft erst wieder durch eine zulässige Verwertung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/07/0133).
Von einer Entledigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 kann zwar nur dann gesprochen werden, wenn die Weggabe einer Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/07/0088 und vom , Zl. 2008/07/0182).
Von einer solchen Entledigungsabsicht der Vorbesitzer ist die belangte Behörde auf Grund der Eigenschaft der gegenständlichen Materialien, die - in den Worten der belangten Behörde - "bei einem Produktionsprozess als Ausschuss dh Produktionsrückstände" angefallen sind, zu Recht als einzig naheliegend ausgegangen. Bestätigt wird dies vom Beschwerdeführer selbst, der in der Beschwerde von "Fehlchargen" spricht.
Zur Bejahung der Abfalleigenschaft hätte bereits das Vorliegen des subjektiven Abfallbegriffes genügt. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auch mit der Frage des Vorliegens der objektiven Abfalleigenschaft auseinandergesetzt und ist aus nachstehenden Gründen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die verfahrensgegenständlichen Materialien auch den objektiven Abfallbegriff erfüllen:
Im angefochtenen Bescheid wird zur Begründung der objektiven Abfalleigenschaft der verfahrensgegenständlichen Abfälle ausgeführt, es gehe von den in Big Bags abgepackten Tankdeckeln und Silikonimplantaten eine erhöhte Brandgefahr und somit eine Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 1 Abs. 3 Z. 5 AWG 2002) aus.
Für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffs des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/07/0088, mwN). Es kommt daher nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist.
In diesem Zusammenhang führte der technische Amtssachverständige der belangten Behörde in seiner Stellungnahme vom aus, dass Kunststoffe einen sehr hohen Heizwert hätten und daher wesentlich zu einer Brandlast beitrügen. Auf Grund einer konsenslosen Lagerung von Kunststoffabfällen und der damit einhergehenden Nichtberücksichtigung der Brandlast könnten potenzielle Gefahren für die öffentlichen Interessen ausgehen. Ob dies im konkreten Fall zutreffe, müsse von einem Brandschutzsachverständigen geklärt werden. Aus technischer Sicht sei jedenfalls die Ausführung des Bauwerks, die potenzielle Brandlast, die Zugänglichkeit für einen Löschangriff und das Vorhandensein von Löschmitteln zu bewerten.
Die belangte Behörde nahm diese Stellungnahme zum Anlass, um die Erstbehörde um die Beiziehung eines Brandschutzsachverständigen zu ersuchen. Aus dem Schreiben der Erstbehörde an die belangte Behörde vom geht hervor, dass zwar der abfalltechnische Amtssachverständige einen Ortsaugenschein durchgeführt habe, von der Beiziehung des Brandschutzsachverständigen auf Grund der Tatsache, dass die Big Bags abtransportiert worden wären und der Brandschutzsachverständige eine schlüssige und nachvollziehbare Stellungnahme hierzu nicht mehr abgeben hätte können, aber abgesehen wurde.
Der Beiziehung eines Brandschutzsachverständigen bedurfte es indessen nicht, da eine konkrete Gefahrensituation durch einen Brandschutzsachverständigen nach dem Vorgesagten nicht aufgezeigt werden muss. Der von der belangten Behörde beigezogene technische Amtssachverständige zeigte in seiner Stellungnahme vom schlüssig die im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 erforderlichen potenziellen Gefahren für die öffentlichen Interessen auf.
Die gegenständlichen Materialien erfüllen daher auch den objektiven Abfallbegriff.
Die allgemeinen Behandlungspflichten für Abfallbesitzer normiert § 15 AWG 2002, der auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind
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1. | … |
2. | Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden. |
(2) …
(3) Abfälle dürfen außerhalb von
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1. | hiefür genehmigten Anlagen oder |
2. | für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten |
nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen." | |
Wie sich aus der Zeugeneinvernahme des Alois D. vom durch die belangte Behörde ergibt, waren die Abfälle auf dem Gelände seiner Firma in einem Zeitraum von mehreren Tagen bzw. Wochen und einmal sogar mehreren Monaten gelagert. Es war auch ursprünglich daran gedacht, die Lagerung für einen längeren Zeitraum zuzulassen. Die Kontrolle durch die Bezirksverwaltungsbehörde hat dem erst ein Ende gesetzt. Aus den anlässlich der Zeugeneinvernahme von Alois D. vorgelegten Rechnungen ist zudem ersichtlich, dass eine Verrechnung für die Lagerung und Umschlagarbeiten erfolgte. | |
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AWG 1990 und zum AWG 2002 bedeutet "lagern" etwas Vorübergehendes, "ablagern" hingegen etwas Langfristiges (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/07/0121, mwN). Unter der Lagerung von Abfällen im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG 2002 ist daher die vorübergehende Lagerung von Abfällen zu verstehen. | |
Das AWG 2002 unterwirft jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs. 3 AWG 2002, auch die Lagerung von Abfällen nur über kurze Zeiträume. Eine Ausnahmebestimmung für "besonders kurzfristige" Lagerungen von Abfällen ist dem AWG 2002 nicht zu entnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0210). | |
Die belangte Behörde konnte somit auf Grund der getroffenen Feststellungen in schlüssiger Beweiswürdigung von einem Lagern der verfahrensgegenständlichen Abfälle ausgehen. | |
Die belangte Behörde stellte - vom Beschwerdeführer unwidersprochen - im angefochtenen Bescheid fest, dass die Firma Alois D. über keine Genehmigung für die Ablagerung von Abfällen im Sinne des § 15 Abs. 3 Z. 1 AWG 2002 verfüge. | |
Angesichts der festgestellten Situation, die auch durch Fotos im Akt dokumentiert ist, liegt es auf der Hand, dass eine Lagerung der verfahrensgegenständlichen Abfälle, von denen eine potenzielle erhöhte Brandgefahr ausgeht, auf dem unversperrten und für jedermann frei zugänglichen Gelände der Firma Alois D. auch keine Lagerung auf einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort im Sinne des § 15 Abs. 3 Z. 2 AWG 2002 darstellt. | |
Nach § 24 Abs. 4 AWG 2002 hat der Landeshauptmann die Anzeige gemäß Abs. 1 schriftlich zur Kenntnis zu nehmen. Über Antrag kann darüber auch ein schriftlicher Bescheid ausgestellt werden. Erforderlichenfalls kann der Landeshauptmann die Sammlung oder Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen innerhalb von acht Wochen mit Bescheid unter Vorschreibung von Auflagen zur Kenntnis nehmen oder untersagen, wenn zu erwarten ist, dass die Art der Sammlung oder Behandlung für die jeweiligen Abfälle den Anforderungen gemäß den § 15, 16 sowie 23 Abs. 1 und 2 oder den Zielen und Grundsätzen (§ 1 Abs. 1 und 2) nicht entspricht oder die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) beeinträchtigt werden oder mindestens drei Strafen im Sinne des Abs. 5 vorliegen und noch nicht getilgt sind. | |
Die belangte Behörde ist in einem mängelfreien Verfahren davon ausgegangen, dass den Anforderungen des § 15 Abs. 3 AWG 2002 nicht entsprochen wurde. Eine Untersagung nach § 24 Abs. 4 AWG 2002 erfolgte somit zu Recht. | |
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. | |
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. | |
Wien, am |