VwGH vom 25.07.2013, 2011/15/0026
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der S in F, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in 8200 Gleisdorf, Business Park 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0454-G/08, betreffend Einkommensteuer 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der Steuererklärung zur Einkommensteuer 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung des Freibetrages gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 zur Abgeltung der Mehraufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung ihrer Tochter, welche in Graz die "Volleyballakademie" des BG/BORG HIB Liebenau besuche.
Im Verwaltungsakt des Finanzamtes findet sich hiezu die Kopie des vom Österreichischen Volleyballverband (ÖVV) verfassten Konzepts zur Aufnahme von Volleyball in ein Schulsportleistungsmodell. Darin wird erläutert, dass in Zusammenarbeit von ÖVV, Landesverbänden, Vereinen und Schulen "Volleyballakademien" errichtet würden. Dort würden talentierte Schüler und Schülerinnen zu den zukünftigen Leistungsträgern dieser Sportart ausgebildet werden. Als Standorte werden zwei Schulen in Wien, eine Schule in Salzburg und die von der Tochter der Beschwerdeführerin besuchte Schule in Graz/Liebenau angeführt.
Im Einkommensteuerbescheid 2007 anerkannte das Finanzamt den Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht und begründete dies damit, dass es am Wohnort der Beschwerdeführerin ebenfalls ein BG/BORG gebe.
In ihrer Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Schulen nicht vergleichbar seien. Bei der BG/BORG HIB Liebenau handle es sich um eine so genannte Volleyballakademie. Das sei ein seit September 2004 bestehender Schulversuch nach § 7 SchOG, den es nur an vier Standorten in Österreich gebe. Im Einzugsbiet der Beschwerdeführerin gebe es eine adäquate Ausbildungsmöglichkeit nicht. Es entspreche dem Konzept der Volleyballakademie, dass pro Jahr nur vier Sportler pro Geschlecht aufgenommen würden. In der
7. Klasse sei zwingend eine praktische Vorprüfung zur Reifeprüfung abzulegen.
Als Beilage wurde eine Kopie der umfangreichen "Grundsätze und Richtlinien" der Volleyballakademie HIB Liebenau vorgelegt. Darin wird in der Präambel ausgeführt, sämtliche Maßnahmen seien darauf ausgerichtet, Leistungssportkarrieren unter Berücksichtigung der schulischen Ausbildung zu ermöglichen und zu fördern. Primäres Ziel sei die Entdeckung und Förderung von sportlich talentierten Schülern und Schülerinnen, die sich im Laufe der Zeit sowohl im österreichischen wie auch im internationalen Leistungssport erfolgreich bewähren sollten. Unter anderem wird darauf verwiesen, dass die jungen Athleten und Athletinnen neben 30 bis 34 Wochenstunden Unterricht in der Schule zwischen 13 und 19 Stunden Training pro Woche absolvierten, wobei die Trainingsbelastungen vorwiegend vom Akademieleiter festgelegt würden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Da sich im Einzugsbereich des Wohnortes auch ein BG/BORG befinde und es sich auch bei dieser Schule am Wohnort um eine allgemein bildende höhere Schule handle, die mit der Reifeprüfung abgeschlossen werde, bleibe die Frage, was unter einer "entsprechenden" Ausbildungsmöglichkeit im Sinn des § 34 Abs. 8 EStG 1988 zu verstehen sei.
Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, dass die Ausbildung an einem "normalen" Bundesrealgymnasium, wie es im Einzugsbereich des Wohnortes bestehe, der Ausbildung am BG/BORG HIB Liebenau unter Berücksichtigung der sportlichen Ausbildung entspreche bzw. ihr adäquat sei. Der Abschluss des Bildungsganges an beiden Schulen erfolge durch Ablegung der Reifeprüfung. Die Frage, aus welchen Prüfungen und insbesondere aus welchen Prüfungsgegenständen sich die Reifeprüfung im Einzelfall zusammensetze, sei im Wesentlichen nicht durch die Form der Schule bestimmt, sondern weitgehend durch die Wahl des Schülers.
Der Besuch eines "Oberstufenrealgymnasium unter besonderer Berücksichtigung der sportlichen Ausbildung - Schwerpunkt Ballsport" sei damit nicht vergleichbar dem Fall des Besuchs einer "Schihandelsschule", an der neben der schulischen Ausbildung (nur) für besonders Begabte die Ausbildung zum "Schirennläufer" erfolge (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0085), zumal die Pflichtgegenstände Bewegung, Sport und Sportkunde beim BG/BORG HIB Liebenau nach der aus der Homepage ersichtlichen Stundentafel bei bloß 8 Wochenstunden lägen. Zudem werde an den Schihandelsschulen neben der schulischen Ausbildung auf die Schirennläuferausbildung spezielles Augenmerk gelegt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Sie bringt u.a. vor, die Ausbildung ihrer Tochter im Rahmen der Ausbildung am BG/BORG HIB Liebenau Volleyballakademie habe auch eine 20 bis 27 Wochenstunden umfassende Leistungssportausbildung umfasst, die von Fachkräften der Schule geleitet würden. Es liege sohin eine fundierte praktische und theoretische Ausbildung zur Spitzensportlerin in Nationalteam-Qualität bzw. zur internationalen Spitzensportlerin vor. Ihre Tochter habe sohin einerseits eine Ausbildung im Rahmen des "normalen" Lehrplanes absolviert und andererseits die Ausbildung zur Spitzensportlerin im Bereich Volleyball. Mittlerweile sei sie Vertragsspielerin bei S. und spiele somit in der ersten österreichischen Bundesliga, der höchsten Spielklasse in Österreich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 34 Abs. 8 EStG 1988 lautet:
"(8) Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt."
§ 34 Abs. 8 EStG 1988 stellt auf das Fehlen einer entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit im Einzugsbereich des Wohnortes ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/13/0076). Bei Auslegung dieses Tatbestandsmerkmales "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" ist auf einen gleichartigen Ausbildungsabschluss und auf die Vergleichbarkeit der Ausbildung ihrer Art nach abzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0058).
Im Erkenntnis vom , 2010/15/0069, hat es der Verwaltungsgerichtshof für nicht rechtswidrig erkannt, den Besuch einer Golf-Handelsakademie als eine vom Besuch einer allgemeinen Handelsakademie zu unterscheidende Ausbildungsmöglichkeit zu beurteilen. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof dem Umstand des Erwerbs einer Zusatzqualifikation, auf dem Gebiet des Sports beruflich tätig zu sein, als wesentlich angesehen. Bei der Vergleichbarkeit der Ausbildungen ist also auch auf durch die Ausbildung vermittelte Zusatzqualifikationen, die für eine künftige Berufstätigkeit im Bereich des Sports von Bedeutung sein können, Bedacht zu nehmen.
Den im Verwaltungsakt enthaltenen Informationen über die von der Tochter der Beschwerdeführerin absolvierte Ausbildung im Rahmen der Volleyballakademie des BG/BORG HIB Liebenau ist zu entnehmen, dass diese, wie dies auch in der Beschwerde betont wird, zusätzlich zum Ausbildungsziel des Ablegens der Matura speziell auch auf den Erwerb der Qualifikationen im Bereich des - beruflich auszuübenden - Spitzensports abstellt.
In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde auf diese zusätzliche Berufsausbildung nicht Bedacht genommen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am