VwGH vom 22.06.2011, 2007/04/0080
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH Co KG in Eberschwang, vertreten durch WKG Wagner-Korp-Grünbart Rechtsanwälte GmbH in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 35a, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS - 1991/06, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages nach dem Wiener Vergaberechtsschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien - Wiener Wohnen in 1082 Wien, Doblhoffgasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei (in der Folge: Auftraggeberin) hat im Zuge der Sockelsanierung einer Wiener Wohnhausanlage die Vergabe des Bauauftrages "Fenster- und Türentausch" im Rahmen eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich nach dem Billigstbieterprinzip ausgeschrieben. Die Beschwerdeführerin hat ein Angebot gelegt. Mit Schreiben vom wurde ihr von der Auftraggeberin mitgeteilt, dass ihr Anbot auf Grund der finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit abgelehnt (ausgeschieden) worden und für die Zuschlagserteilung ein anderes Unternehmen vorgesehen sei.
Mit Anwaltsschriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin den "Antrag, der Vergabekontrollsenat Wien möge die Ausscheidung des Angebotes der Antragstellerin … für nichtig erklären", die Auftraggeberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren verpflichten und dieser mit einstweiliger Verfügung vorläufig untersagen, den Zuschlag zu erteilen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die genannten Anträge zurück. Begründend führte sie aus, mit dem Nachprüfungsantrag habe die Beschwerdeführerin nur die Ausscheidung ihres Angebotes, nicht aber die Zuschlagsentscheidung bekämpft. Sie habe sich ausdrücklich darauf berufen, dass die Ausscheidung ihres Angebotes seit dem InKraft-Treten des BVergG 2006 gemäß § 2 Z. 16 leg. cit. gesondert anfechtbar sei.
Der Antrag der Beschwerdeführerin sei zwar rechtzeitig, aber unzulässig, weil im vorliegenden Fall noch nicht § 2 Z. 16 BVergG 2006, sondern § 20 Z. 13 BVergG 2002 maßgebend sei, nach welcher Bestimmung die Ausscheidung eines Angebotes keine gesondert anfechtbare Entscheidung darstelle.
Zu dieser Rechtslage führte die belangte Behörde näher aus, im Hinblick auf die Bekanntmachung des gegenständlichen Vergabeverfahrens am seien zwar die Bestimmungen des mit in Kraft getretenen BVergG 2006 anzuwenden, nach dessen § 2 Z. 16 lit. a sublit. aa BVergG 2006 das Ausscheiden eines Angebotes im offenen Verfahren eine gesondert anfechtbare Entscheidung sei. Diese Bestimmung komme jedoch für das gegenständliche Verfahren noch nicht zum Tragen, weil sie gemäß § 345 Abs. 3 Z. 5 BVergG 2006 in jenen Bereichen, in denen die Vollziehung nach Art. 14b Abs. 2 Z. 2 B-VG Landessache sei, abgesehen von einer hier nicht wesentlichen Ausnahme, erst mit in Kraft trete und bis dahin § 20 Z. 13 BVergG 2002 in Kraft bleibe. Da somit das Ausscheiden des Angebotes der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht gesondert bekämpft werden könne, seien der Nachprüfungsantrag und die darauf aufbauenden Anträge auf Ersatz der Pauschalgebühr und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (§ 23 Abs. 1 WVRG) zurückzuweisen gewesen.
Für ein Vorgehen nach § 13 Abs. 3 AVG habe im gegenständlichen Fall keine Notwendigkeit bestanden, da Zweifel über die mit dem Anbringen der Beschwerdeführerin verfolgte Absicht nicht vorgelegen seien. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Beschwerdeführerin die Übergangsregelung des § 345 BVergG 2006 irrtümlich nicht beachtet hätte, könne dies nicht dazu führen, ihr die Behebung dieses Versehens im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens zu ermöglichen.
Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst gemäß Art. 144 B-VG eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie auch bereits die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausführte. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie mit Beschluss vom , B 1436/06-16, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist dem Einwand der belangten Behörde, durch den (am , sohin nach Einbringung der Beschwerde) erteilten Zuschlag sei die Beschwer weggefallen, zu entgegnen, dass ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Nachprüfungsantrages nicht auszuschließen ist, weil von der Beurteilung dieser Frage, wie dargestellt, gegenständlich auch die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über den Ersatz der Pauschalgebühren abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/04/0128, mit Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0024).
Im vorliegenden Fall geht es unstrittig um eine Angelegenheit des öffentlichen Auftragswesens des Landes bzw. der Gemeinde Wien, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z. 2 B-VG in der Vollziehung Landessache ist. Die belangte Behörde hat daher mit Blick auf § 345 Abs. 3 Z. 5 BVergG 2006 zutreffend angenommen, dass § 20 Z. 13 BVergG 2002, nach welcher Bestimmung die Ausscheidung nicht zu den gesondert anfechtbaren Entscheidungen zählt, im vorliegenden Fall (Erlassung des angefochtenen Bescheides am ) zu beachten war. Diese Rechtsansicht wird im Übrigen auch von der Beschwerde nicht bekämpft.
Die Beschwerdeführerin macht einerseits geltend, aus dem Nachprüfungsantrag lasse sich, trotz des eingangs zitierten Begehrens, entnehmen, dass sich dieser Antrag nicht bloß gegen die Ausscheidung, sondern auch gegen die Zuschlagsentscheidung gerichtet habe. Die belangte Behörde hätte insofern Zweifel haben und zur Auffassung gelangen müssen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin unklar sei. Daher hätte die belangte Behörde Ermittlungen zur Klärung des Anfechtungsgegenstandes durchführen müssen.
Andererseits meint die Beschwerde, die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Umstand, dass das Ausscheiden des Angebotes nach der im vorliegenden Fall maßgebenden Rechtslage nicht selbständig bekämpfbar sei, einen Auftrag zur Verbesserung ihres Antrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG (gemeint: Ergänzung des Begehrens, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären) erteilen müssen.
Was das zweite Argument betrifft, so ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, dass ihr Antrag auf Nichtigerklärung, wie eingangs dargestellt, sehr wohl ein Begehren im Sinne des § 17 Abs. 1 Z. 7 Wiener Vergaberechtsgesetz 2003 enthielt, sodass diesbezüglich ein verbesserungsfähiger Mangel nicht vorlag. Unzulänglichkeiten des Anbringens, die nicht die Vollständigkeit, sondern vielmehr seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen, sind nämlich nicht als Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG anzusehen. Die Behörde wird durch diese Bestimmung nicht verpflichtet, die Partei zu einer solchen "Verbesserung" (in Wahrheit: Änderung) des Anbringens aufzufordern, welche eine stattgebende Entscheidung ermöglicht (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2004, Rz. 27 zu § 13).
Hinsichtlich des Einwandes, die belangte Behörde hätte Ermittlungen zum unklaren Inhalt (Begehren) des Anwaltsschriftsatzes vom anstellen müssen, ist der Beschwerdeführerin zunächst zuzugestehen, dass sie sich nach dem Antrag (S. 7) nicht nur im Recht, nicht ausgeschieden zu werden, sondern auch "im Recht auf Zuschlagserteilung (als bestgereihter Bieter)" verletzt erachtete. Außerdem wird im Antrag (S. 5) ausgeführt, dieser richte sich gegen die mitgeteilte Entscheidung, das Angebot der Beschwerdeführerin auszuscheiden "und den Zuschlag an die … erteilen zu wollen".
Dennoch ist das bereits zitierte Begehren dieses Antrages (§ 17 Abs. 1 Z. 7 Wiener Vergaberechtsgesetz 2003 ) - unmissverständlich und ausschließlich - darauf gerichtet, "die Ausscheidung … für nichtig zu erklären".
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in Fällen des Vergaberechts ausgesprochen, dass der Prozessgegenstand im antragsgebundenen Verfahren durch den Inhalt des Antrages determiniert wird, wobei zu beachten ist, dass es für die Frage des Inhalts eines Antrages als Prozesshandlung lediglich auf die Erklärung des Willens und nicht auf den - davon abweichenden - tatsächlichen Willen des Antragstellers ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/04/0037, mwN).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin unter der Überschrift "Zulässigkeit des Antrages" ausgeführt, die Entscheidung über das Ausscheiden des Angebotes sei "nunmehr (seit Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes 2006) gesondert anfechtbar" und dabei auf die Erläuternden Bemerkungen zu § 2 Z. 16 BVergG 2006 verwiesen. Dieser Hinweis auf die "gesonderte" Anfechtbarkeit der Ausscheidensentscheidung zur Begründung der Zulässigkeit des Antrages kann - im Zusammenhang mit dem unmissverständlichen Begehren - im vorliegenden Fall nur dahin verstanden werden, dass Gegenstand der Anfechtung nur die Ausscheidung war.
Bedenkt man überies, dass der gegenständliche Antrag von einem Rechtsanwalt verfasst wurde, von dem anzunehmen ist, er kenne die Bedeutung des Antragsbegehrens, dann kann der belangten Behörde fallbezogen nicht entgegengetreten werden, wenn sie keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich des Antragsbegehrens angestellt und davon ausgegangen ist, der Antrag auf Nichtigerklärung richte sich ausschließlich gegen die Ausscheidung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am