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VwGH vom 22.06.2011, 2007/04/0076

VwGH vom 22.06.2011, 2007/04/0076

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X Gesellschaft m.b.H. in Y, vertreten durch Dr. Günther Loibner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 22/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zlen. VwSen-550313/15/Kü/Hu, VwSen- 550315/11/Kü/Hu und VwSen-550316/7/Kü/Hu, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. Land Oberösterreich, Amt der Oö. Landesregierung, Landesstraßenverwaltung, 4021 Linz, Bahnhofsplatz 1, und 2. H GesmbH Co KG; weitere Partei: Oö. Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeber) hat Straßenbauarbeiten im Unterschwellenbereich (Baulos der 2,5 km langen Umfahrungsstraße der Gemeinde A.) im offenen Verfahren nach dem Billigstbieterprinzip ausgeschrieben. Mit Schreiben vom gab der Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der zweitmitbeteiligten Partei als Billigstbieterin (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) bekannt. Diese Zuschlagsentscheidung wurde von der belangten Behörde mit dem (beim Verwaltungsgerichtshof nicht angefochtenen) Bescheid vom für nichtig erklärt, weil eine vertiefte Angebotsprüfung des Auftraggebers trotz Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der angebotenen Preise nicht stattgefunden habe.

Nach Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung im fortgesetzten Vergabeverfahren gab der Auftraggeber mit Schreiben vom bekannt, dass er erneut beabsichtige, den Auftrag an die Zuschlagsempfängerin zu vergeben.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Spruchteil I. des Bescheides vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der letztgenannten Zuschlagsentscheidung ab (der Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides bleibt in der Beschwerde unbekämpft).

Nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgeschehens stellte die belangte Behörde als entscheidungsrelevanten Sachverhalt u.a. Folgendes fest: Ein Mitarbeiter des Auftraggebers habe während der Ausschreibungsfrist im Zuge von Gesprächen über technische Belange der gegenständlichen Ausschreibung bzw. auf Grund einer telefonischen Anfrage sowohl gegenüber der Zuschlagsempfängerin als auch (u.a.) gegenüber der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass bei der gegenständlichen Angebotslegung "von Minuspreisen grundsätzlich Abstand genommen werden soll".

Im Angebot der Zuschlagsempfängerin seien allerdings in fünf Positionen "negative Einheitspreise" enthalten:


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"-
Pos. 030301 H Z Bitumenöse Schicht bis 15 cm aufbrechen. - 6,50 Euro/m3
-
Pos. 030301 I Z Bitumenöse Tragschicht über 15 cm aufbrechen. - 6,50 Euro/m3
-
Pos. 030501 B Mech. stab. Tragschichte aufbrechen wegschaffen. - 4,50 Euro/m3
-
Pos. 03060A Z Zuschlag zu POS. 03060AY Wegschaffen. - 3,08 Euro/m3
-
Pos. 03080A A Überschüssigen Boden wegschaffen. - 3,19 Euro/m3."
Der Auftraggeber habe daraufhin die Zuschlagsempfängerin aufgefordert, die entsprechenden Kalkulationsblätter vorzulegen und habe mit dieser ein Aufklärungsgespräch über die negativen Einheitspreise in diesen fünf Positionen durchgeführt. Dabei habe die Zuschlagsempfängerin erläutert, dass sie durch den Verkauf des abgetragenen, alten Straßen- bzw. Bodenmaterials entsprechende Verkaufserlöse erziele, sodass der Auftraggeber zu dem Ergebnis gelangt sei, die genannten negativen Einheitspreise seien plausibel.
In dem (im Anschluss an den genannten Bescheid der belangten Behörde vom ) fortgesetzten Vergabeverfahren habe der Auftraggeber die Zuschlagsempfängerin aufgefordert, auch die entsprechenden Verträge mit den Abnehmern des Straßen- bzw. Bodenmaterials vorzulegen und die dafür zu erzielenden Verkaufserlöse nachzuweisen. Darauf habe die Zuschlagsempfängerin Preisanbote bzw. Vereinbarungen mit Drittfirmen (die im angefochtenen Bescheid, S. 17, im Einzelnen angeführt werden) vorgelegt, aus denen sich die entsprechenden Verkaufserlöse des abzubrechenden bzw. wegzuschaffenden Materials ergäben. Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung habe der Auftraggeber einen Vergleich zwischen den negativen Einheitspreisen der Beschwerdeführerin unter Einrechnung der in diesen Positionen erzielbaren Verkaufserlöse mit den niedrigsten und höchsten Einheitspreisen der restlichen Bieter angestellt. Außerdem habe der Auftraggeber Marktpreiserhebungen für entsprechendes Straßen- bzw. Bodenmaterial durchgeführt. Er sei letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass auch in den fünf genannten Angebotspositionen trotz der dort genannten negativen Einheitspreise auf Grund des nachgewiesenen marktüblichen Verkaufserlöses ein Deckungsbeitrag zum Gewinn enthalten sei, sodass die in Rede stehenden negativen Einheitspreise im vorliegenden Fall betriebswirtschaftlich nachvollziehbar seien.
In ihrer rechtlichen Beurteilung vertrat die belangte Behörde zunächst den Standpunkt, dass es sich bei der genannten Äußerung des Mitarbeiters des Auftraggebers, wonach Minuspreise in den Angeboten nach Möglichkeit zu vermeiden seien, um keinen Willensbildungsprozess des Auftraggebers gehandelt habe, sodass diese Äußerung keine sonstige Entscheidung des Auftraggebers während der Ausschreibungsfrist darstelle und somit für diesen auch keine Bindungswirkung entfaltet habe. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung der Bieter einwende, sei ihr zu entgegnen, dass die genannte Äußerung sowohl gegenüber der Zuschlagsempfängerin als auch (u.a.) gegenüber der Beschwerdeführerin in gleicher Weise abgegeben worden sei.
Hinsichtlich der vertieften Angebotsprüfung gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass sowohl die Überprüfung durch den Auftraggeber als auch die Kontrolle der vorliegenden schriftlichen Unterlagen durch die belangte Behörde ergeben habe, dass die negativen Einheitspreise der fünf besagten Positionen betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien, sodass von einer Preisangemessenheit auszugehen sei. Ein Ausscheidungsgrund nach § 129 Abs. 1 Z. 3 BVergG 2006 liege daher nicht vor.
Dieses Ergebnis stützte sie auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/04/0032, und vom , Zl. 2003/04/0181), wonach die Vergabekontrollbehörde nicht nur zu überprüfen habe, ob der Auftraggeber die vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt habe, sondern selbst prüfen müsse, ob die Preisgestaltung des betreffenden Bieters betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sei, wobei es lediglich um eine Plausibilitätsprüfung und nicht um ein minutiöses Nachvollziehen der gesamten Kalkulation des Bieters gehe. Nach der Fachliteratur sei davon auszugehen, dass auch negative Einheitspreise (Unterpreise) erklärbar sein können. Enthalte daher ein Angebot in einzelnen Positionen Unterpreise, so führe dies noch nicht automatisch zum Ausscheiden dieses Angebotes. Vielmehr komme es auf den Gesamtpreis des Angebotes an; sei dieser angemessen, so sei das Angebot nicht auszuscheiden. Im vorliegenden Beschwerdefall sei bereits der Auftraggeber auf Grund der im Angebotsprüfbericht enthaltenen Unterlagen zum Ergebnis gelangt, dass unter Einbeziehung der Verkaufserlöse für das bei den ausgeschriebenen Straßenbauarbeiten anfallende Material, wie beispielsweise Asphaltfräsgut, Grädermaterial, lehmhaltiges Aushubmaterial und Humus, auch die in den fünf genannten Positionen enthaltenen negativen Einheitspreise plausibel und nachvollziehbar seien. Die Zuschlagsempfängerin habe nämlich diese Verkaufserlöse bei der Angebotserstellung in ihre Kalkulation einbezogen und diese Preisvorteile an den Auftraggeber in Form von negativen Einheitspreisen weitergegeben. Dass überhaupt derartige Verkaufserlöse für die anfallenden Materialien am Markt erzielbar seien, habe die Zuschlagsempfängerin durch die erwähnte Vorlage von konkreten Angeboten nachgewiesen. Auch die belangte Behörde gehe daher auf Grund dieser Unterlagen davon aus, dass die Zuschlagsempfängerin diese Verkaufserlöse für die anfallenden Materialien erzielen könne und an den Auftraggeber weitergebe, sodass die genannten negativen Einheitspreise in den fünf Positionen betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien. Damit sei aber auch der Gesamtpreis des Angebotes der Zuschlagsempfängerin plausibel zusammengesetzt.
Nach Auffassung der belangten Behörde habe sie zu diesem Ergebnis auch ohne Aufnahme des von der Beschwerdeführerin beantragten Sachverständigenbeweises gelangen können. Eines solchen Beweises bedürfe es abgesehen von den im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen nur dann, wenn die Beantwortung entscheidungsrelevanter Fragen besonderes Fachwissen über Tatsachen erforderte, über das die Verwaltungsorgane nicht selbst verfügten. Im gegenständlichen Fall seien die negativen Einheitspreise in den fünf Positionen des Angebotes der Zuschlagsempfängerin nachweislich dadurch bedingt, dass der Erlös für das bei der Leistungserbringung anfallende Material in diese Positionen eingerechnet sei. Daher sei lediglich die Höhe der von der Zuschlagsempfängerin angesetzten (und in die jeweiligen Positionen eingerechneten) Verkaufserlöse von Bedeutung, wobei diese Höhe bereits durch die vorgelegten Angebote von Drittunternehmen nachgewiesen sei. Ein Sachverständigengutachten zur Höhe der erzielbaren Verkaufserlöse sei daher nicht erforderlich gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Die mitbeteiligten Parteien haben von der Möglichkeit einer Gegenschrift nicht Gebrauch gemacht.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, maßgebend:
"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

16. Entscheidung ist jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren.

a) Gesondert anfechtbar sind folgende, nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen:

aa) im offenen Verfahren: die Ausschreibung; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

Vorgehen bei der Prüfung

§ 123. (1) Die Prüfung der Angebote hat in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien zu erfolgen.

(2) Im Einzelnen ist zu prüfen,

4. die Angemessenheit der Preise;

Prüfung der Angemessenheit der Preise - vertiefte Angebotsprüfung

§ 125. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.

(2) Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

(3) Der Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 4 und 5 vertieft prüfen, wenn

1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,

2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 80 Abs. 4 aufweisen, oder

3. nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(4) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind;

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen;

3. die gemäß § 97 Abs. 1 Z 3 geforderte oder vom Bieter gemäß § 109 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

(5) Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung muss der Auftraggeber vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung verlangen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen bzw. der vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise zu erfolgen. Der Auftraggeber hat insbesondere Erläuterungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Erbringung der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, die Originalität der vom Bieter angebotenen Leistung, die am Ort der Leistungserbringung geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen oder die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an den Bieter bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen. Sofern der geschätzte Auftragswert 120 000 Euro nicht erreicht, kann von der Vorgehensweise gemäß diesem Absatz abgesehen werden.

Ausscheiden von Angeboten

§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

3. Angebote, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen;

…"

1. Zur Frage der Bindung an die Mitteilung des Auftraggebers:

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass ein Mitarbeiter des Auftraggebers mehreren Bietern, darunter der Beschwerdeführerin, vor dem Ende der Angebotsfrist mitgeteilt hat, dass bei der gegenständlichen Angebotslegung "von Minuspreisen grundsätzlich Abstand genommen werden soll".

Die beschwerdeführende Partei vertritt in ihrer Beschwerde den Standpunkt, es habe sich bei dieser Mitteilung um eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers, nämlich um eine sonstige Festlegung während der Angebotsfrist im Sinne des § 2 Z. 16 lit. a sublit. aa BVergG 2006 gehandelt, die mangels Anfechtung bestandskräftig geworden sei, sodass der Auftraggeber das Angebot der Zuschlagsempfängerin, das unstrittig negative Preise in einzelnen Positionen enthalten habe, ausscheiden hätte müssen.

Die belangte Behörde hat demgegenüber im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, dass es sich bei der genannten Mitteilung um keine Entscheidung des Auftraggebers gehandelt habe.

Gemäß § 2 Z. 16 lit. a sublit. aa BVergG 2006 sind näher bezeichnete Entscheidungen des Auftraggebers, darunter sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist, gesondert anfechtbar. Nach der Legaldefinition des § 2 Z. 16 leg. cit. ist als Entscheidung "jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren" zu verstehen.

Im konkreten Fall hat der Auftraggeber durch einen Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht, es solle grundsätzlich von Minuspreisen Abstand genommen werden. Bei der Auslegung von Willenserklärungen des Auftraggebers ist der objektive Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0200, mwN). Für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter ist aber die Mitteilung eines Auftraggebers, es "soll grundsätzlich" von Mindestpreisen Abstand genommen werden, keineswegs als Festlegung in dem Sinn zu verstehen, dass Minuspreise bei sonstiger Ausscheidung des Angebotes nicht angeboten werden dürfen.

Mit der belangten Behörde ist daher davon auszugehen, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin nicht schon alleine aufgrund des Umstandes auszuscheiden war, dass dieses in fünf Positionen negative Einheitspreise (Minuspreise) enthielt. Vielmehr hatte die belangte Behörde, was im Folgenden näher zu beleuchten sein wird, vertieft zu prüfen, ob die in Rede stehenden negativen Einheitspreise (§ 125 Abs. 3 Z. 2 BVergG 2006) betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind (§ 125 Abs. 4 leg. cit.) und im Falle der Verneinung zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen, die die Ausscheidung des Angebotes der Zuschlagsempfängerin nach sich ziehen hätte müssen (§ 129 Abs. 1 Z. 3 BVergG 2006).

2. Vertiefte Angebotsprüfung:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 mit Verweis auf seine Vorjudikatur zum BVergG 2002 (Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0032) festgehalten, dass es Aufgabe des Auftraggebers ist, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs. 4 Z. 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0082, mwN).

Im vorliegenden Beschwerdefall ist strittig, ob der Auftraggeber und ihm folgend die belangte Behörde im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung in rechtmäßiger Weise zu dem Ergebnis gelangen durften, dass die genannten negativen Einheitspreise des Angebotes der Zuschlagsempfängerin betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind (§ 125 Abs. 4 BVergG 2006) und ob daher der Gesamtpreis des Angebotes der Zuschlagsempfängerin plausibel zusammengesetzt ist (§ 129 Abs. 1 Z. 3 BVergG 2006).

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die in Rede stehenden negativen Einheitspreise (zusammengefasst) deshalb als betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar angesehen, weil in diese jene Verkaufserlöse eingerechnet seien, die die Zuschlagsempfängerin für das von ihr (im Falle der Leistungserbringung) abzutragende und wegzuschaffende Material erziele. Die belangte Behörde geht somit davon aus, dass die erzielbaren Verkaufserlöse für das im Zuge der Herstellung des neuen Straßenabschnitts abzubauende Material höher liegen als der Wert der von der Zuschlagsempfängerin in diesen Positionen zu erbringenden Leistungen. Dies deckt sich zwar mit den Angaben der Zuschlagsempfängerin in ihrem aktenkundigen Angebot (siehe das mit Preisangaben versehene Leistungsverzeichnis S. 4-7).

Die Beschwerde wendet aber ein, der von der belangten Behörde berücksichtigte Verkaufserlös sei zu hoch angesetzt, weil in diesem die Transportkosten, die Kosten für die Nachbehandlung des abgebauten Materials und die Kosten für die Zwischenlagerung desselben nicht berücksichtigt seien. Außerdem gehe die belangte Behörde davon aus, dass im gegenständlichen Fall ein Verkaufserlös für bitumenreiches Material zu erzielen sei, doch falle solches bei der gegenständlichen Baustelle gar nicht an. Auch ein Verkaufserlös für Humus sei im gegenständlichen Fall nicht erzielbar, weil ein solches Bodenmaterial bei der vorliegenden Baustelle nicht anfalle, sondern lediglich Aushubmaterial, das auf eine Bodenaushubdeponie zu verbringen sein werde. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die belangte Behörde daher zu den aufgeworfenen Fragen das im Vergabekontrollverfahren beantragte Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen und ohne dieses nicht zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass die negativen Einheitspreise im Sinne des § 125 Abs. 4 BVergG 2006 betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien.

Das Beschwerdevorbringen ist zielführend:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0032, auf das im Übrigen auch die belangte Behörde Bezug genommen hat, den dort angefochtenen Bescheid der Vergabekontrollbehörde aufgehoben, weil - im Gutachten des Amtssachverständigen - die relevante Frage unbeantwortet blieb, ob der Auftraggeber im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, die angebotenen Preise des Zuschlagsempfängers seien betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar.

Im ebenfalls bereits zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0082, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:

"Das BVergG 2006 konkretisiert nämlich nicht, was unter einem angemessenen Preis zu verstehen ist. In einer freien Marktwirtschaft bildet sich der Preis im Wettbewerb, exakte Werte sind nicht festlegbar. Vielmehr ist dessen betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit aus sachverständiger Sicht zu ermitteln (vgl. hiezu auch Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel , Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar2, Rz 2 zu § 268, und Fink/Hofer in Heid/Preslmayr , Handbuch Vergaberecht3, 548 f, Rz 1415). Gegenständlich wäre es daher Aufgabe der belangten Behörde (als Vergabekontrollbehörde) gewesen, auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens jene Argumente nachzuprüfen, die von der Auftraggeberin für bzw. von der mitbeteiligten Partei (als Nachprüfungswerberin) gegen die Plausibilität des Preises der Zuschlagsempfängerin ins Treffen geführt wurden."

Die im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung zu beantwortende entscheidende Frage, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind, ist daher nach der zitierten Rechtsprechung, anders als die belangte Behörde meint, in der Regel auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu beantworten. Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, hätte die belangte Behörde daher im vorliegenden Fall anhand eines Sachverständigengutachtens klären müssen, ob (im Sinne der zitierten Judikatur) ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen in den genannten Positionen tatsächlich zu den angebotenen Preisen erbringen kann, oder ob dies hier nicht der Fall ist, weil etwa (wie die Beschwerdeführerin meint) der von der Zuschlagsempfängerin genannte Verkaufserlös durch andere Faktoren geschmälert wird und damit die angebotenen negativen Einheitspreise betriebswirtschaftlich nicht erklären kann.

Da der angefochtene Bescheid somit auf einer unzutreffenden Rechtsansicht über die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung beruht, war er im hier angefochtenen Spruchteil I. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am