zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 30.04.2008, 2007/04/0060

VwGH vom 30.04.2008, 2007/04/0060

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2007/04/0059 E

2007/04/0061 E

2007/04/0062 E

2007/04/0064 E

2007/04/0051 E

2007/04/0054 E

2007/04/0050 E

2007/04/0053 E

2007/04/0056 E

2007/04/0055 E

2007/04/0052 E

2007/04/0058 E

2007/04/0049 E

2007/04/0063 E

2007/04/0057 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der J GmbH in W, vertreten durch Ebert Huber Liebmann Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Tuchlauben 11, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS-2422/06, betreffend Zurückweisung von Nachprüfungsanträgen nach dem Wiener Vergaberechtsschutzgesetz (mitbeteiligte Parteien:

1. Stadt Wien, Magistratsabteilung 34, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek, Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2, und

2. L in W, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien EUR 381,90 und den mitbeteiligten Parteien je EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Spruchpunkt 1. des Bescheides vom hat der Vergabekontrollsenat des Landes Wien (die belangte Behörde) die Anträge der Beschwerdeführerin

a) die Zuschlagsentscheidung der erstmitbeteiligten Partei im Verfahren zur Vergabe des Rahmenvertrages für Malerarbeiten im Zeitraum von bis für laufende Adaptierungs- und Instandsetzungsarbeiten diverser Objekte im

20. Wiener Gemeindebezirk, wonach beabsichtigt sei, den Zuschlag der zweitmitbeteiligten Partei zu erteilen, für nichtig zu erklären;

b) die Entscheidung der Erstmitbeteiligten, das Vergabeverfahren nach dem Ablauf der Zuschlagsfrist fortzusetzen, für nichtig zu erklären;

c) den Widerruf der Ausschreibung anzuordnen, in eventu die Ausschreibung für nichtig zu erklären;

d) die Erstbeschwerdeführerin zum Ersatz der Gebühren zu verpflichten und

e) eine mündliche Verhandlung durchzuführen zurückgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Erstmitbeteiligte mit Bekanntmachung vom insgesamt 23 offene Verfahren im Unterschwellenbereich zum Zweck der Vergabe von Rahmenverträgen zur Durchführung von Malerarbeiten im Zeitraum von bis für laufende Adaptierungs- und Instandsetzungsarbeiten an diversen Objekten in den 23 Wiener Gemeindebezirken ausgeschrieben habe. Für jeden Gemeindebezirk sei ein eigenes Vergabeverfahren durchgeführt worden. Die Ausschreibungsbedingungen seien bis auf den geschätzten Leistungsumfang und einzelne Daten, die sich auf die betroffenen Bezirke bezögen, inhaltlich ident. Das Ende der Angebotsfrist sei jeweils der , 13 Uhr, gewesen. Die Angebotsöffnungen seien im Anschluss daran gestaffelt zu verschiedenen Tagen und Zeiten angesetzt worden. Die Zuschlagsfrist habe in allen Verfahren sieben Monate betragen.

Die Erstmitbeteiligte habe nach Angebotseröffnung die Ausschreibungen, auch die vorliegende für den 20. Bezirk, mit Schreiben vom widerrufen. Dieser Widerruf sei in der Folge - nach dem Vorbringen der zweitmitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift am - angefochten und mit Bescheid der belangten Behörde vom für nichtig erklärt worden. Dieser Bescheid sei am an die erstmitbeteiligte Partei zugestellt worden. Diese habe daraufhin das Vergabeverfahren fortgeführt und am die den im Verfahren verbliebenen Bietern am mitgeteilte Zuschlagsentscheidung getroffen, wonach beabsichtigt sei, der zweitmitbeteiligten Partei den Zuschlag zu erteilen.

Im gegenständlichen Nachprüfungsantrag, der am bei der belangten Behörde eingelangt sei, habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, die Zuschlagsentscheidung wäre ihr am von dritter Seite zugekommen. Sie hätte kein Angebot gelegt, weil sie auf Grund der Auslastung für den ursprünglich vorgesehenen Leistungszeitraum nicht über die erforderlichen Kapazitäten verfügt hätte. Bei Ablauf der Angebotsfrist wäre sie nicht in der Lage gewesen, sich zur Ausführung der Arbeiten ab zu verpflichten. "Jetzt" wäre sie jedoch in der Lage, den Auftrag auszuführen. Die Marktverhältnisse hätten sich seit dem Ende der Angebotsfrist ganz wesentlich geändert. Hätte die Beschwerdeführerin gewusst, dass die Leistungen fast ein Jahr später zu erbringen sein würden, hätte sie ein Angebot gelegt und die Chance gehabt, Bestbieter zu werden. Die erstmitbeteiligte Partei wäre auf Grund der Änderung der Marktverhältnisse verpflichtet gewesen, die Ausschreibung zu widerrufen. Dies hätte in der Folge zu einer inhaltlich geänderten Neuausschreibung geführt. Im Rahmen dieser Neuausschreibung hätte die Beschwerdeführerin Gelegenheit gehabt, ein Angebot zu legen.

Weiters habe die Beschwerdeführerin versucht, den ihr drohenden Schaden anhand eines fiktiv gelegten Angebots darzulegen. Die von ihr behaupteten Rechtsverletzungen und Rechtswidrigkeiten würden im Einzelnen ausgeführt, insbesondere habe die Beschwerdeführerin behauptet, dass auf Grund des Ablaufs der Zuschlagsfrist keine zuschlagsfähigen Angebote mehr vorhanden gewesen wären.

Die Beschwerdeführerin habe auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt.

Mit Schriftsatz vom habe die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausgeführt, dass die Nichtigerklärung des Widerrufs durch die belangte Behörde im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren zu Unrecht erfolgt wäre und daher keine Rechtswirkungen entfalten könnte. Die Ausschreibung würde daher nach wie vor als widerrufen gelten.

Im Hinblick auf die Bekanntmachung des gegenständlichen Vergabeverfahrens am seien auf dieses die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 - BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002, anzuwenden.

Die Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren hänge von der Abgabe eines zivilrechtlich wirksamen, nicht auszuscheidenden oder unzulässigen Angebots ab. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe im Urteil vom in der Rechtssache C-230/02, Grossmann Air Service, Slg. 2004, I-01829, ausgesprochen, dass es zulässig sei, die Anfechtungslegitimation einer Person zu verneinen, die sich weder am Vergabeverfahren beteiligt noch eine Nachprüfung der Entscheidung des Auftraggebers, mit der die Spezifikationen der Ausschreibung festgelegt worden seien, eingeleitet habe. Da sich die Beschwerdeführerin am gegenständlichen Vergabeverfahren nicht beteiligt habe, sei der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und der damit verbundene Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen fehlender Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Da die Entscheidung des Auftraggebers, eine Ausschreibung nicht zu widerrufen (sondern fortzusetzen), nicht gesondert anfechtbar sei, sei auch der diesbezügliche Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen gewesen.

Zur begehrten Anordnung des Widerrufs der Ausschreibung fehle der belangten Behörde die Kompetenz. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung sei jedenfalls verfristet.

Im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren sei der Widerruf der Ausschreibung durch die erstmitbeteiligte Partei von der belangte Behörde für nichtig erklärt worden. Diese Entscheidung sei rechtswirksam. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes sei über eine Bescheidbeschwerde in einem anderen Verfahren (und zu einem anderen Bescheid) ergangen und habe daher keinen Einfluss auf das gegenständliche Verfahren.

Da der Nachprüfungsantrag somit unzulässig sei, erübrige sich eine Auseinandersetzung mit den darin behaupteten Rechtsverletzungen, insbesondere der Frage des Vorliegens zuschlagsfähiger Angebote im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung.

Infolge Zurückweisung des Nachprüfungsantrages fehle es an der Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz - WVRG, LGBl. Nr. 25/2003, zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Auch dieser Antrag sei daher zurückzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof trat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 1854-1869/06, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Dazu führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass die von der belangten Behörde herangezogene Judikatur des EuGH nicht einschlägig sei, weil es sich um eine Vergabe im Unterschwellenbereich handle. Überdies habe der EuGH im zitierten Urteil in der Rechtssache C-230/02, Grossmann Air Service, lediglich ausgesprochen, dass es "grundsätzlich zulässig" sei, die Teilnahme am Vergabeverfahren als Voraussetzung für die Antragslegitimation zu qualifizieren. Aus diesem Urteil gehe auch hervor, dass ein Unternehmer unabhängig von der Abgabe eines Angebots diskriminierende Ausschreibungsbedingungen bekämpfen könne. Im vorliegenden Fall habe die erstmitbeteiligte Partei die Beschwerdeführerin um die Möglichkeit gebracht, in einem ordnungsgemäß geführten Vergabeverfahren Bestbieterin zu werden. Die Beschwerdeführerin habe ein konkretes Interesse an der ausgeschriebenen Leistung. Sie habe nur deshalb kein Angebot gelegt, weil sie auf Grund der Auslastung für den ursprünglich vorgesehenen Leistungszeitraum ab nicht über die erforderlichen Kapazitäten verfügt habe. Wenn sie gewusst hätte, dass die Leistungen nunmehr fast 1 1/2 Jahre später zu erbringen seien, hätte sie ein Angebot gelegt und die Chance gehabt, Bestbieterin zu werden. Nach Lehre und Rechtsprechung könne ein Bieter ihn diskriminierende Ausschreibungsbestimmungen auch ohne Legung eines Anbots anfechten, weil ihm nicht zugemutet werden könne, ein aussichtsloses oder zweckloses Angebot abzugeben, nur um die Antragslegimitation zu erhalten. Nichts anderes könne gelten, wenn ein Unternehmer von der Legung eines Angebots nur dadurch abgehalten werde, dass in der Ausschreibung ein unrichtiger Leistungszeitraum angegeben werde.

Der der Beschwerdeführerin drohende Schaden ergebe sich daraus, dass die Ausschreibung zwingend zu widerrufen gewesen wäre und die Beschwerdeführerin bei Neuausschreibung die Chance gehabt hätte, Bestbieterin zu werden. Die Änderung des Leistungszeitraumes sei ein zwingender Widerrufsgrund. Der Inhalt des abzuschließenden Rahmenvertrages habe sich auf Grund des durch die verspätete Zuschlagserteilung hinausgeschobenen Leistungsbeginnes wesentlich geändert. Eine derartige Zuschlagserteilung sei nicht zulässig. Die mögliche Änderung des Interessentenkreises für den Ausführungszeitraum sei ebenfalls ein zwingender Widerrufsgrund. Die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob die Zuschlagsfrist verlängert worden sei und im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung überhaupt ein zuschlagsfähiges Angebot vorgelegen sei. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre ebenfalls ein zwingender Widerrufsgrund gegeben. Nach Information der Beschwerdeführerin seien jedenfalls die nicht zum Zug gekommenen Bieter nicht zur Verlängerung der Bindungsfrist ihrer Angebote verpflichtet worden. Wäre lediglich der in Aussicht genommene Zuschlagsempfänger zur Verlängerung seines Angebots veranlasst worden, würde eine unzulässige Direktvergabe vorliegen.

Die belangte Behörde habe im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren den Widerruf der Ausschreibung durch die Erstmitbeteiligte für nichtig erklärt. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes komme der belangten Behörde hiezu jedoch keine Kompetenz zu. Die Nichtigerklärung sei daher unwirksam und das Vergabeverfahren nach wie vor widerrufen. Der Auftraggeber wäre auch deshalb zur Neuausschreibung verpflichtet gewesen.

Über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung habe die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheides nicht abgesprochen und dadurch in gesetzwidriger Weise eine Entscheidung verweigert.

3. Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erstatteten je eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4. Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz des vorliegend maßgeblichen WVRG, LGBl. Nr. 25/2003 kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG unterliegenden Vertrages behauptet, die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Verfahren zur Vergabe von Aufträgen wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch eine behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Dem gemäß hat ein Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 17 Abs. 1 Z. 4 und 5 WVRG Angaben über den behaupteten, drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller und die bestimmte Bezeichnung des Rechts, in dem sich der Antragsteller als verletzt erachtet, zu enthalten.

Die belangte Behörde verneinte die Antragslegimitation der Beschwerdeführerin mit der Begründung, dass sich die Beschwerdeführerin am Vergabeverfahren nicht beteiligt habe. Die Antragslegitimation hänge davon ab, dass der Antragsteller ein zivilrechtlich wirksames, nicht auszuscheidendes, vergaberechtlich zulässiges Angebot gelegt habe. Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C- 230/02, Grossmann Air Service, sei es an sich zulässig, die Antragslegitimation einer Person, die sich weder am Vergabeverfahren beteiligt noch die Ausschreibung bekämpft habe, zu verneinen.

5. Da die - Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG (Rechtsmittelrichtlinie) entsprechende - Regelung der Antragslegimitation in § 13 Abs. 1 WVRG ohne Unterschied für den Ober- und Unterschwellenbereich gilt, hat die belangte Behörde die Judikatur des EuGH auch im hier vorliegenden Unterschwellenbereich zu Recht zur Interpretation dieser Bestimmung herangezogen. Dafür spricht auch die ständige Rechtssprechung des EuGH, nach der ein klares Gemeinschaftsinteresse daran besteht, dass die vom Gemeinschaftsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe einheitlich ausgelegt werden, wenn sich eine nationale Rechtsvorschrift zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Gemeinschaftsrecht getroffenen Regelungen richtet (vgl. jüngst das , Autorita Garante della Concorenza e del Mercato u.a., Randnr. 21, mwN).

6. Der EuGH hat im von der belangten Behörde zitierten Urteil in der Rechtssache C-230/02, Grossmann Air Service, ausgesprochen, dass es zulässig sei, für die Antragslegimitation einer Person zusätzlich zum Interesse an der Erhaltung des Auftrages zu verlangen, dass durch den behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden sei oder drohe (Randnr. 26). Dem gemäß sei es im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 der Rechtsmittelrichtlinie grundsätzlich zulässig, die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren zur Voraussetzung dafür zu machen, dass die betreffende Person sowohl ein Interesse an dem fraglichen Auftrag als auch einen auf Grund der angeblich unrechtmäßigen Zuschlagserteilung drohenden Schaden nachweisen könne. In Ermangelung der Legung eines Angebots könne eine solche Person schwerlich dartun, dass sie ein Interesse an der Anfechtung dieser Entscheidung habe, oder dass diese Zuschlagserteilung sie schädige oder zu schädigen drohe (Randnr. 27). Falls ein Unternehmer jedoch deshalb kein Angebot gelegt habe, weil er sich durch angeblich diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen oder im Pflichtenheft gerade daran gehindert gesehen habe, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, sei er berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen einzuleiten, noch bevor das Vergabeverfahren abgeschlossen sei (Randnr. 28). Es könne von einem angeblich durch diskriminierende Klauseln in den Ausschreibungsunterlagen geschädigten Unternehmen nicht verlangt werden, ein auf Grund dieser Klauseln aussichtsloses Angebot zu legen, um im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gegen die Ausschreibung vorzugehen (Randnr. 29).

Auch im Urteil vom in der Rechtssache C- 26/03, Stadt Halle, hat der EuGH ausgesprochen, dass die formale Bieter- oder Bewerbereigenschaft für die Stellung eines Nachprüfungsantrages nicht unbedingt erforderlich ist (Randnr. 40).

Aus dieser Judikatur ist ersichtlich, dass die Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren grundsätzlich nur Bietern und Bewerbern zukommt und die Antragslegitimation eines Unternehmers, der die Legung eines Angebots (mit dem damit verbundenen Risiko eines nicht unerheblichen frustrierten Aufwands) unterlassen hat, nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt.

7. § 79 BVergG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"(1) Die Zuschlagsfrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist. Sie umfasst den Zeitraum, innerhalb dessen die Erteilung des Zuschlages vorgesehen ist. Die Zuschlagsfrist ist kurz zu halten. Sie darf fünf Monate nicht überschreiten, sofern nicht in Einzelfällen aus zwingenden Gründen bereits in den Ausschreibungsunterlagen ein längerer Zeitraum angegeben war; dieser darf sieben Monate nicht überschreiten. Ist in der Ausschreibung keine Zuschlagsfrist angegeben, so beträgt sie ein Monat.

(2) Während der Zuschlagsfrist ist der Bieter an sein Angebot gebunden.

...

(4) Der Fortlauf der Zuschlagsfrist gemäß Abs. 1 wird für die Dauer eines Nachprüfungsverfahren gehemmt."

Im gegenständlichen Fall wurde die Zuschlagsfrist in der Ausschreibung mit sieben Monaten festgesetzt. Diese Frist begann gemäß § 79 Abs. 1 BVergG mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist am zu laufen. Im Zeitpunkt der Einleitung des gemäß § 79 Abs. 4 BVergG den Fortlauf der Frist hemmenden Nachprüfungsverfahrens, das zur Nichtigerklärung des Widerrufs der Ausschreibung geführt hat, am , waren von dieser Frist noch drei Monate und vier Tage offen. Nach Beendigung dieses Nachprüfungsverfahrens durch die Bescheiderlassung am endete die Zuschlagsfrist daher am . Die Zuschlagsentscheidung vom wurde den Bietern am mitgeteilt. Die Zuschlagserteilung konnte daher frühestens nach Ablauf der gemäß § 100 Abs. 2 BVergG 14-tägigen Stillhaltefrist Mitte August 2006 erfolgen.

Daraus ergibt sich eine Überschreitung der Zuschlagsfrist von weniger als einem Monat und eine Verschiebung des laut Ausschreibung mit festgesetzten Leistungsbeginns um etwa neuneinhalb Monate.

Auch bei Zuschlagserteilung am Ende der Zuschlagsfrist hätte sich der Leistungsbeginn um etwas weniger als neun Monate verzögert. Diese Verzögerung hätte von den gemäß § 79 Abs. 2 BVergG während der Zuschlagsfrist an ihre Angebote gebundenen Bietern jedenfalls in Kauf genommen werden müssen. Ebenso wie ein Bieter - insbesondere der in Aussicht genommene Zuschlagsempfänger - in einem solchen Fall das Risiko zu tragen hat, dass die Leistung nicht ab dem Zeitpunkt zu erbringen ist, für den er nach dem Inhalt der Ausschreibung disponiert hat, hat ein Unternehmer, der auf Grund der anderweitigen Disposition für den ausschreibungsgemäßen Leistungsbeginn kein Angebot gelegt hat, das Risiko zu tragen, dass er die Leistung im Zeitpunkt der tatsächlichen Vergabe hätte erbringen können.

Die angesprochene Verzögerung des Leistungsbeginns um weniger als einen Monat hat jedenfalls die Merkmale der ausgeschriebenen Leistung noch nicht wesentlich verändert. In einem Fall wie dem vorliegenden kann somit nicht angenommen werden, die vergebene Leistung sei eine andere als die ausgeschriebene und der Beschwerdeführer sei daher wegen des Fehlens einer entsprechenden Ausschreibung auch ohne eigenes Angebot zur Anfechtung legitimiert (vgl. dazu auch das bereits zitierte Urteil des EuGH in der Rechtssache "Stadt Halle").

Die belangte Behörde ist daher schon deshalb zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführerin keine Antragslegitimation für die Stellung eines Antrages auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zukommt.

Es braucht daher nicht geprüft werden, ob der durch eine verspätete Zuschlagserteilung hinausgeschobene Leistungsbeginn einen solchen Ausnahmefall darstellen kann, der es rechtfertigt, einem Unternehmer, der sich nicht am Vergabeverfahren beteiligt hat, die Antragslegitimation für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zuzuerkennen.

8. Die erstmitbeteiligte Partei hat das Ausschreibungsverfahren mit Schreiben vom widerrufen. Dieser Widerruf ist von der für die Nichtigerklärung von Auftraggeberentscheidungen zuständigen belangten Behörde mit Bescheid vom für nichtig erklärt worden. Bei diesem Bescheid handelt es sich - anders als der Beschwerdeführer offenbar meint - keinesfalls um einen absolut nichtigen Verwaltungsakt. Durch diesen Bescheid wurde der Widerruf der gegenständlichen Ausschreibung daher jedenfalls wirksam beseitigt. Im Übrigen handelt es sich - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - bei der Entscheidung des Auftraggebers, das Verfahren nach Nichtigerklärung des Widerrufs fortzusetzen, um keine gesondert anfechtbare Entscheidung.

Die Zurückweisung des diesbezüglichen Antrages begegnet daher keinen Bedenken.

9. Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass sie zur Anordnung des Widerrufs einer Ausschreibung nicht zuständig ist und die Frist zur Bekämpfung der Ausschreibung im Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Nachprüfungsantrages längst abgelaufen war.

Daher ist auch die Zurückweisung der diesbezüglichen Anträge unbedenklich.

10. Da somit ein zulässiger Nachprüfungsantrag nicht vorliegt, hat die belangte Behörde auch das Begehren auf Gebührenersatz zu Recht zurückgewiesen.

11. Der angefochtene Bescheid spricht mit seinem für den normativen Gehalt maßgeblichen Spruch nicht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Eine allfällige Verletzung der Pflicht, über diesen Antrag zu entscheiden, kann nicht mit Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid geltend gemacht werden.

12. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass der als Mitglied der belangten Behörde an der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitwirkende TOAR Ing. L. gemäß § 5 Abs. 1 WVRG ausgeschlossen bzw. gemäß § 5 Abs. 2 leg. cit. befangen sei. Ing. L. gehöre der Magistratsdirektion, Dezernat 2 der Stadtbaudirektion an. Dabei handle es sich um die vorgesetzte Dienststelle der MA 34, die für die Vergabe der Rahmenverträge zuständig sei. Als weisungsbefugter Beamter sei dieses Senatsmitglied jener Dienststelle zuzurechnen, die es kontrolliere. Die Einflussmöglichkeit dieses Senatsmitglieds auf das konkrete Vergabeverfahren spreche für seine Befangenheit und führe ex lege zum Ausschluss von der Entscheidungstätigkeit. Ein Mitglied der vorgesetzten Dienststelle der vergebenden Institution als Entscheidungsträger im Nachprüfungsverfahren sei für den Rechtsuchenden untragbar.

13. Gemäß § 5 Abs. 1 WVRG sind Mitglieder des Vergabekontrollsenats hinsichtlich jener Verfahren zur Vergabe von Aufträgen von einer Entscheidungstätigkeit ausgeschlossen, die eine Auftragsvergabe im Wirkungsbereich jener Institution (im Falle von Bediensteten des Magistrates der Stadt Wien jener Dienststelle, jener Unternehmung oder jenes Betriebes) betreffen, der sie angehören.

Gemäß dem Abs. 2 dieser Bestimmungen hat sich ein Mitglied der Ausübung seiner Funktion zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen, wenn wichtige Gründe die Unbefangenheit bezweifeln lassen.

Nach dem - von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen - Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist Ing. L. Mitarbeiter der Magistratsdirektion - Baudirektion, Dezernat 2 (technische Managementgrundlagen und Auftragswesen) und zwar in der Funktion eines Sachbearbeiters und eines von mehreren Stellvertretern des Dezernatsleisters. Ein Weisungsrecht gegenüber der ausschreibenden Stelle kommt ihm nicht zu. Die Aufgaben des Dezernats 2 umfassen allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten des Ausschreibungs- und Vergabewesens sowie der Vertragsabwicklung, soweit keine andere Dienststelle zuständig ist; Beratung der Dienststellen in diesen Fragen; Verhandlungen mit Interessenvertretungen und öffentlichen Auftraggebern hinsichtlich der Veränderung von Preisgrundlagen; Prüfung und Veranlassung der Eintragung und Aufhebung von Statushinweisen der Stadt Wien im Auftragnehmerkataster Österreichs.

Da Ing. L. somit innerhalb des Magistrats der Stadt Wien nicht jener Dienststelle (MA 34) angehört, die die Ausschreibung durchgeführt hat, liegt ein Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 WVRG nicht vor.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Tätigkeit als Sachbearbeiter im u.a. für allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten des Ausschreibungs- und Vergabewesens zuständigen Dezernat der Magistratsdirektion - Baudirektion für sich allein keinen wichtigen Grund im Sinn des § 5 Abs. 2 leg. cit. dar, der die Unbefangenheit eines Mitglieds bezweifeln lässt (vgl. auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1854-1869/06, über die Ablehnung der vorliegenden Beschwerde, mit der ein gleichartiges Vorbringen an diesen Gerichtshof herangetragen worden ist). Dass Ing. L. in irgendeiner Weise mit der gegenständlichen Auftragsvergabe befasst gewesen sei, wird in der Beschwerde nicht konkret behauptet.

14. Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

15. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am