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VwGH vom 17.12.2014, 2014/03/0038

VwGH vom 17.12.2014, 2014/03/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl VGW- 101/079/11095/2014-1/Mil, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (mitbeteiligte Partei: H M in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

I. Sachverhalt

1. Mit Bescheid der revisionsführenden Landespolizeidirektion Wien (LPD) vom wurde der mitbeteiligten Partei die Waffenbesitzkarte mit der Nr 150003290 gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 idF BGBl Nr 43/2010 (WaffG), entzogen. Die LPD hielt die Verlässlichkeit der mitbeteiligten Partei für nicht mehr gegeben, weil anlässlich einer Verwahrungsprüfung festgestellt worden sei, dass sie ihre genehmigungspflichtige Schusswaffe in geladenem Zustand lediglich in einer nicht versperrten Lade im Fernsehkasten verwahrt und zudem gegenüber den Beamten angegeben habe, dass sie ihre Waffe immer geladen liegen habe und diese Waffe in geladenem Zustand führen würde, obwohl sie nur im Besitz einer Waffenbesitzkarte und nicht eines Waffenpasses sei.

2. Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs 1 VwGVG der dagegen erhobenen Beschwerde statt und behob den Bescheid (Spruchpunkt I). Ferner wurde die Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II).

3. Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften wies das Verwaltungsgericht in seiner Begründung einleitend darauf hin, dass § 25 Abs 3 zweiter Satz WaffG an dem mittlerweile aufgehobenen § 21 Abs 1 VStG orientiert sei. Nach § 25 Abs 3 zweiter Satz WaffG sei von der Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig sei, die Folgen unbedeutend seien und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt werde. Nach dem aufgehobenen § 21 Abs 1 erster Satz VStG habe die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen können, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig gewesen und die Folgen der Übertretung unbedeutend gewesen seien. Zur Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen sei die dazu ergangene Rechtsprechung heranzuziehen; danach sei dann, wenn eines der im ersten Satz des § 21 Abs 1 VStG genannten Kriterien nicht erfüllt gewesen sei, die Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht gekommen. Die Schuld des Beschuldigten sei nur dann als geringfügig zu beurteilen gewesen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben sei.

Daran anschließend wies das Verwaltungsgericht (unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung) darauf hin, dass es bei der Prüfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nicht entscheidend sei, ob ein Zugriff auf die Waffe durch Unberechtigte tatsächlich erfolge bzw ob eine Waffe geladen oder ungeladen aufbewahrt worden sei; auch ein einmaliges Fehlverhalten könne zur Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führen, und zwar selbst dann, wenn die Zugriffmöglichkeit auf die Waffe nur relativ kurze Zeit bestanden habe. Die mitbeteiligte Partei habe aber in ihrer gegen den Bescheid gerichteten Beschwerde die Behebung des Verwahrungsmangels glaubhaft dargestellt. Kein geringfügiges Verschulden iSd § 25 Abs 3 zweiter Satz WaffG wäre wohl nur dann anzunehmen, wenn bereits zuvor eine derartige rechtswidrige Verhaltensweise gesetzt worden wäre, was sich allerdings vorliegend nicht ergebe. Von nicht mehr unbedeutenden Folgen könnte weiters nur dann ausgegangen werden, wenn besonders geschützte Rechtsgüter beeinträchtigt worden wären, wenn etwa ein Mensch verletzt worden wäre. Auch dies sei dem Akt nicht zu entnehmen.

Verfahrensgegenstand sei die Entziehung der Waffenbesitzkarte der mitbeteiligten Partei. Angesichts der Auswirkungen einer solchen Entziehung betreffend den Besitz und die Verfügungsmöglichkeit über eine Waffe betreffe diese das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Die gesetzliche Voraussetzung für die Entziehung waffenrechtlicher Urkunden sei der Umstand, dass eine berechtigte Person nicht mehr verlässlich sei.

Bedeutsam für die Beurteilung der vorliegend relevanten Frage, wie sicher eine alleinwohnende Inhaberin einer Waffenbesitzkarte wie die mitbeteiligte Partei ihre Waffe verwahre, sei, dass je nach dem vorzubeugenden Risiko die zumutbare Art der Verwahrung einer Waffe vor unberechtigtem (auf Aneignung oder unbefugten Verwendung gerichteten) Zugriff in einem unterschiedlichen Ausmaß zu beurteilen sei. § 3 Abs 2 der zweiten Waffengesetz-Durchführungsverordnung weise für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen vor fremdem Zugriff durch Gewalt gegen Sachen lediglich darauf hin, dass es einer entsprechenden Ein- oder Aufbruchsicherheit des Behältnisses oder der Räumlichkeit bedürfe, wo die Waffe aufbewahrt werde. Weder daraus noch aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gehe hervor, dass es trotz einer den üblichen technischen Sicherheitsvorkehrungen entsprechenden Absperrung eines Wohnhauses oder einer Wohnung allein schon zur Sicherung der Waffe vor fremdem Zugriff gegen Sachen jedenfalls zusätzlich eines entsprechenden ein- oder aufbruchsicheren Behältnisses (etwa eines versperrbaren Kastens) bedürfe. Von einer in einem Wohnhaus allein lebenden Person generell für die Verwahrung der Waffe ein ein- bzw aufbruchsicheres Behältnis zu fordern, lasse sich weder aus dem WaffG noch der dazu ergangenen Verordnung ableiten.

Die mitbeteiligte Partei habe glaubwürdig in ihrer Beschwerde gegen den Bescheid der LPD klargestellt, dass der Verwahrungsmangel nunmehr behoben sei. Damit sei auch die einzige in diesem Bescheid angeführte Voraussetzung für die Entziehung der Waffenbesitzkarte der mitbeteiligten Partei auf Grund mangelnder Verlässlichkeit weggefallen.

Nach § 24 Abs 2 VwGVG könne eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststehe, dass der mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch weder von der mitbeteiligten Partei noch von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde beantragt. Da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt voll umfänglich der Aktenlage entnehmen lasse, habe die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen können.

4. Zu Spruchpunkt II. wurde begründend festgehalten, dass die ordentliche Revision unzulässig sei, weil keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei. Weder weiche die vorliegende Entscheidung von der bisherigen

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehle es einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Ferner sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Es lägen auch sonst keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

II. Revisionsverfahren

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende insbesondere auf Art 133 Abs 4 B-VG und § 24 Abs 3 VwGG bezugnehmende Amtsrevision mit dem Begehren, das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

III. Rechtslage

1. Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des WaffG lauten (auszugsweise):

"Verläßlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verläßlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er


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1.
Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

(2) Ein Mensch ist keinesfalls verläßlich, wenn er


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1.
alkohol- oder suchtkrank ist oder
2.
psychisch krank oder geistesschwach ist oder
3.
durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.

(3) Als nicht verläßlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung

1. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder

2. wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder

3. wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder

4. wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist.

(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verläßlich sein, wenn das Gericht vom Ausspruch der Strafe abgesehen hat (§ 12 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599); gleiches gilt, wenn das Gericht sich den Ausspruch der Strafe vorbehalten hat (§ 13 JGG) oder die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte.

(5) Weiters gilt ein Mensch als nicht verläßlich, der öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden ist, sofern keine dieser Bestrafungen getilgt ist.

(6) Schließlich gilt ein Mensch als nicht verläßlich, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Feststellung des für die Verläßlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war.

...

(7) Bei erstmaliger Prüfung der Verläßlichkeit hat sich die Behörde davon zu überzeugen, ob Tatsachen die Annahme mangelnder waffenrechtlicher Verläßlichkeit des Betroffenen aus einem der in Abs. 2 genannten Gründe rechtfertigen. ..."

"Verwahrung von Schusswaffen

§ 16a. Schusswaffen und Munition sind sicher zu verwahren. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Anforderungen an eine sichere Verwahrung zu erlassen, sodass Waffen und Munition in zumutbarer Weise vor unberechtigtem Zugriff geschützt sind."

"Überprüfung der Verläßlichkeit

§ 25. ...

(3) Ergibt sich, daß der Berechtigte nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.

..."

2. § 3 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl II Nr 313/1998 idF BGBl II Nr 301/2012 (2. WaffV), lautet:

"Sichere Verwahrung

§ 3. (1) Eine Schußwaffe ist sicher verwahrt, wenn ihr Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt.

(2) Für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition sind insbesondere folgende Umstände maßgeblich:

1. Verwahrung der Waffe an einem mit der Rechtfertigung oder dem Bedarf in Zusammenhang stehenden Ort, in davon nicht betroffenen Wohnräumen oder in Dritträumen (zB Banksafe);

2. Schutz vor fremdem Zugriff durch Gewalt gegen Sachen, insbesondere eine der Anzahl und der Gefährlichkeit von Waffen und Munition entsprechende Ein- oder Aufbruchsicherheit des Behältnisses oder der Räumlichkeit;

3. Schutz von Waffen und Munition vor dem Zugriff von Mitbewohnern, die zu deren Verwendung nicht befugt sind;

4. Schutz von Waffen und Munition vor Zufallszugriffen rechtmäßig Anwesender.

(3) Verwahrt der Besitzer einer Schusswaffe der Kategorie B diese entsprechend der Information jenes Gewerbetreibenden, bei dem er die Waffe erworben hat, so ist ihm dies gegebenenfalls nur dann als seine Verläßlichkeit beeinträchtigend anzulasten, wenn die Mangelhaftigkeit für einen um die sichere Verwahrung besorgten Waffenbesitzer deutlich erkennbar ist."

3. §§ 18, 24 VwGVG lauten samt Überschrift:

"Parteien

§ 18. Partei ist auch die belangte Behörde."

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

IV. Erwägungen

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung zu der von der Amtsrevision relevierten Frage der Anwendung des § 24 Abs 3 VwGVG gegenüber der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde bisher noch nicht geäußert. Es liegt daher eine Rechtsfrage vor, der gemäß Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision erweist sich schon deshalb als zulässig.

2.1. Nach § 24 Abs 3 VwGVG ist den "sonstigen Parteien" Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu stellen. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 24 VwGVG ergibt sich, dass diese Bestimmung den Bestimmungen über die Verhandlung im Verfahren der seinerzeitigen unabhängigen Verwaltungssenate (§ 67b AVG) entspricht (RV 2009 BlgNR XXIV. GP, S 6).

Die Bestimmung des § 24 Abs 3 VwGVG stellt offensichtlich geleitet durch Überlegungen der Prozessökonomie die Einräumung der Möglichkeit, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu begehren, gleich an den Beginn des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und ist daher für die Gestaltung dieses Verfahrens und seine Strukturierung von maßgeblicher Bedeutung. Daran vermögen die Bestimmungen im § 24 VwGVG nichts zu ändern, wonach die Verhandlung entfallen oder von ihr (ungeachtet eines Parteienantrags) abgesehen werden bzw eine Verhandlung auch von Amtswegen durchgeführt werden kann. Die Bedeutung eines Antrags auf Durchführung einer Verhandlung für die Prozessgestaltung wird dadurch unterstrichen, dass nach § 24 Abs 3 letzter Satz VwGVG ein solcher Antrag nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden kann. Die Nichtbeachtung des § 24 Abs 3 zweiter Satz VwGVG stellt für den Verlauf eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht grundsätzlich einen rechtlichen Mangel dar (vgl idS Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, 3. Teilband, 2007, Rz 15 zu § 67d).

Nach dem Text des § 24 Abs 3 VwGVG ist die revisionswerbende Behörde grundsätzlich von seinem Anwendungsbereich erfasst, zumal nach § 18 VwGVG "Partei" auch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde ist, deren Entscheidung vor diesem Gericht in Beschwerde gezogen wird. § 24 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, der an den auf die beschwerdeführende Partei abstellenden ersten Satz anschließt, trifft keine Unterscheidung, die die belangte Behörde aus dem Kreis der im zweiten Satz fokussierten "sonstigen Parteien" ausnehmen würde.

Allerdings fällt bei Beachtung des normativen Kontextes, in dem der zweite Satz des § 24 Abs 3 VwGVG steht, ins Gewicht, dass die einer belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht gegenüberstehende, Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid führende Partei nach dem ersten Satz des § 24 Abs 3 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag und derart bei der ersten Gelegenheit des Herantretens an das Verwaltungsgericht zu beantragen hat. Für die bescheiderlassende Behörde besteht die erste Gelegenheit zur Beantragung der Verhandlung im Rahmen der Vorlage der Beschwerde samt der Verwaltungsakten beim Verwaltungsgericht (vgl § 12 VwGVG). Im Sinn der mit dem Abs 3 des § 24 VwGVG verfolgten prozessökonomischen Zielsetzung ist es daher entbehrlich, der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde iSd zweiten Satzes dieser Bestimmung noch eine weitere, spätere Gelegenheit zur Einbringung eines Verhandlungsantrages einzuräumen. Im Ergebnis kann damit aus §§ 18 und 24 Abs 3 VwGVG nicht abgeleitet werden, dass in einem solchen Fall der Verwaltungsbehörde nach der besagten Vorlage iSd § 12 VwGVG nochmals Gelegenheit zur Antragstellung zu geben wäre.

2.2. Fallbezogen wurde der Bescheid der LPD noch mit Berufung ("Einspruch") vom bekämpft, diese wurde von der Erstbehörde LPD an die im Rahmen der LPD eingerichtete administrative - nicht als Tribunal iS des Art 6 EMRK eingerichtete - Berufungsbehörde (Büro L 3, II. Instanz) vorgelegt, wo sie am einlangte. Bei dieser Vorlage bestand für die LPD auf dem Boden der §§ 65 ff AVG keine Veranlassung, unter einem eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Als die Berufung samt Verwaltungsakten beim Verwaltungsgericht Wien im Jänner 2014 einlangte, wurde dieses iSd Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG zur Weiterführung des Verfahrens zuständig. Daher trat die Bestimmung des § 24 Abs 3 VwGVG erst jetzt in den Blick. Wenn bei einer derartigen Konstellation das Verwaltungsgericht der LPD entgegen dem § 24 Abs 3 VwGVG keine Gelegenheit gab, einen Antrag zur Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu stellen, hat es dem § 24 Abs 3 VwGVG zuwidergehandelt. Auf dem Boden der folgenden Ausführungen kann es aber dahinstehen, ob dieser Verfahrensmangel iSd § 42 Abs 3 VwGG von Relevanz ist.

3.1. Der Revisionsfall betrifft weiters die Frage der waffenrechtlichen Verlässlichkeit. § 8 Abs 1 WaffG definiert in Form einer Generalklausel die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne einer Prognosebeurteilung (vgl dazu und zum Folgenden etwa , mwH). Der Beurteilung der Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde liegt eine Prognose voraussichtlicher zukünftiger Verhaltensweisen des zu Beurteilenden zugrunde; in diese Prognose haben die gesamte Geisteshaltung und Sinnesart, konkrete Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften des zu Beurteilenden einzufließen, weil der Begriff der Verlässlichkeit der Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Die "Tatsachen" im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG als Ausgangspunkt der Prognoseentscheidung sind somit nicht eingeschränkt; vielmehr kommt jede Verhaltensweise, jede Charaktereigenschaft der zu beurteilenden Person in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung einen Schluss auf ihr zukünftiges Verhalten im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1 bis 3 WaffG zulässt, also erwarten lässt, der Betreffende werde Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, damit unvorsichtig umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren oder sie Menschen überlassen, die zu deren Besitz nicht berechtigt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach dem Sinn und Zweck der Regelungen des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit iSd § 8 Abs 1 WaffG ein strenger Maßstab anzulegen. Die nach § 8 Abs 1 WaffG vorzunehmende Verhaltensprognose kann bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalls einen Schluss im Sinne der Z 1 bis 3 rechtfertigen.

Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Bei Vorliegen der im zweiten Satzes des § 25 Abs 3 WaffG genannten Voraussetzungen ist von einer Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde allerdings abzusehen. Die Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde nach § 25 Abs 3 WaffG stellt keine Ermessensentscheidung dar, weil die Behörde bei mangelnder Verlässlichkeit verpflichtet ist, die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen (vgl , mwH).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass waffenrechtliche Urkunden wegen Fehlens der Verlässlichkeit insbesondere dann zu entziehen sind, wenn festgestellt wird, dass der Berechtigte Waffen nicht sorgfältig verwahrt hat (vgl dazu und zum Folgenden , mwH). Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab.

Die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Waffen besteht insbesondere gegenüber einer im gleichen Haushalt lebenden Person (vgl die eben zitierte Entscheidung unter Bezugnahme auf den im gleichen Haushalt lebenden Ehegatten). Der Inhaber eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte erfüllt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinn des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einer im selben Haushalt lebenden Person, die Waffe versperrt zu verwahren, wobei in Bezug auf Personen im privaten Nahebereich des Berechtigten die Anlegung eines überspitzten Maßstabes für die erforderliche Sicherung der Waffe gegen einen möglichen Zugriff aber nicht in Betracht kommen.

Auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass auch ein Alleinbewohner oder eine Alleinbewohnerin eines Hauses oder einer Wohnung, von welcher Person glaubhaft ist, dass diese bei sich zu Hause niemanden empfängt, mitunter Zutritt zu ihren Räumlichkeiten gewähren muss oder - im Fall rechtswidrigen Eindringens - nicht verhindern kann. Hieraus ergeben sich vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass dies auch völlig überraschend geschehen kann, Minimalanforderungen an die Verwahrung einer Waffe auch innerhalb einer stets versperrt gehaltenen Wohneinheit. Die dafür geltenden Maßstände können aber nicht die gleichen sein, die dann anzulegen sind, wenn die Wohneinheit mit Mitbewohnern geteilt oder aus anderen Gründen nicht nur vereinzelt von Dritten betreten wird (vgl etwa , mwH). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass sich aus § 8 Abs 1 Z 2 WaffG und der 2. WaffV grundsätzlich kein generelles Erfordernis dafür ableiten lässt, im Fall einer alleine ein Haus oder eine Wohnung bewohnenden Person neben dem Versperren des Wohnhauses bzw der Wohnung die Waffe noch durch ein zusätzliches ein- bzw aufbruchsicheres Behältnis zu sichern (vgl , mwH).

3.2. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass das von der vorliegenden Revision betroffene Verwaltungsgericht, das zutreffend seine Zuständigkeit zur meritorischen Erledigung des Falles annahm (vgl § 28 VwGVG), auf dem Boden des § 17 VwGVG in dem von ihm zu führenden Ermittlungsverfahren das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG zu beachten hat (vgl ). Ferner hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden (vgl ). In diesem Sinne hat das Verwaltungsgericht auch den nach der anzuwendenden Rechtslage entscheidungswesentlichen Sachverhalt festzustellen, wobei sich die für das Verwaltungsgericht maßgebenden Überlegungen im Wesentlichen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung entnehmen lassen müssen.

3.3. Entgegen den Anforderungen des § 29 VwGVG fehlen aber in dem in Revision gezogenen Erkenntnis die maßgebenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts zum Sachverhalt (vgl ), zumal, wie die Wiedergabe oben zeigt, dort keine näheren gerichtlichen Feststellungen zum maßgebenden Sachverhalt getroffen werden (vgl § 37 AVG iVm § 17 VwGVG).

Damit ist die getroffene Entscheidung nicht nachvollziehbar und einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich.

3.4. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die vorliegend in Revision gezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Deckung findet (vgl Art 133 Abs 4 B-VG).

V. Ergebnis

Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Wien, am