VwGH vom 05.11.2010, 2007/04/0047

VwGH vom 05.11.2010, 2007/04/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der

X GmbH in Y, vertreten durch Saxinger Chalupsky Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Linke Wienzeile 4/II/2, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS - 2457/06, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Partei:

1. Stadt Wien, Magistratsabteilung 34, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2 und

2. K Gesellschaft mbH in Y, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten 1.a),

1. d) und 3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) hat im Amtsblatt der Stadt Wien vom insgesamt 23 offene Verfahren im Unterschwellenbereich zum Zwecke der Vergabe von Rahmenverträgen zur Durchführung von Malerarbeiten im Zeitraum bis nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben. Mit Zuschlagsentscheidung vom hat die Auftraggeberin der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass der Zuschlag hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Arbeiten im 14. Wiener Gemeindebezirk der zweitmitbeteiligten Partei (im Folgenden kurz: Zuschlagsempfängerin) erteilt werden solle.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens. Über diesen Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid, soweit hier bekämpft, wie folgt abgesprochen:

"1. Die Anträge:

a) die Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin (...), wonach beabsichtigt ist, den Zuschlag der K. GmbH, S.Straße 116, 1050 Wien, zu erteilen, für nichtig zu erklären;

b) die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren nach dem Ablauf der Zuschlagsfrist fortzusetzen, für nichtig zu erklären;

c) den Widerruf der Ausschreibung anzuordnen, in eventu die Ausschreibung für nichtig zu erklären;

d) den Auftraggeber zum Ersatz der Gebühren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu verpflichten und

werden zurückgewiesen.

...

3. Die Antragstellerin sowie die Teilnahmeantragstellerin haben die von ihnen entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen."

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Auftraggeberin nach der Angebotsöffnung ihre Ausschreibungen, darunter auch die gegenständliche betreffend den 14. Wiener Gemeindebezirk, am widerrufen habe. Im gegenständlichen Fall sei dieser Widerruf von der nunmehrigen Zuschlagsempfängerin angefochten und danach mit Bescheid der belangten Behörde vom für nichtig erklärt worden. Die Auftraggeberin habe daher das Vergabeverfahren fortgeführt und am die erwähnte Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Zuschlagsempfängerin getroffen. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Angebot preislich an zweiter Stelle gelegen. Die Auftraggeberin habe der Beschwerdeführerin über deren Verlangen die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes mitgeteilt und ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung ein gültiges Angebot der Beschwerdeführerin nicht mehr vorgelegen sei, weil bei Zuschlagsentscheidung die Zuschlagsfrist bereits abgelaufen gewesen sei.

Dagegen habe die Beschwerdeführerin im Nachprüfungsantrag vorgebracht, dass sie von der Auftraggeberin nicht aufgefordert worden sei, die Dauer ihres Angebotes zu verlängern. Die Beschwerdeführerin vertrete im Nachprüfungsantrag die Auffassung, dass sie, hätte sie ihr Angebot verlängern können, als Bestbieterin hervorgegangen wäre, weil das Angebot der Zuschlagsempfängerin aus näher genannten Gründen unterpreisig und spekulativ gewesen sei.

Dazu stellte die belangte Behörde fest, dass in der Ausschreibung das Ende der Angebotsfrist mit und die Zuschlagsfrist mit sieben Monaten festgelegt worden sei. Der Lauf der Zuschlagsfrist sei aber während des genannten Nachprüfungsverfahrens betreffend den Widerruf gehemmt gewesen (§ 79 Abs. 4 BVergG 2002), sodass die Zuschlagsfrist am geendet habe. Die Auftraggeberin habe die Zuschlagsentscheidung aber erst am , somit nach Ablauf der Zuschlagsfrist, getroffen. Die Beschwerdeführerin sei zwar von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens betreffend den Widerruf der Ausschreibung verständigt worden, habe sich aber über den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens weder erkundigt noch sei sie seitens der Auftraggeberin hierüber informiert worden. Die Beschwerdeführerin habe daher im fortgesetzten Vergabeverfahren die Bindung ihres Angebotes nicht über die Zuschlagsfrist hinausgehend verlängert. Aber auch hinsichtlich der Zuschlagsempfängerin könne nicht festgestellt werden, dass diese die Bindefrist ihres Angebotes über das Ende der Zuschlagsfrist hinaus verlängert habe. In dem (im Anschluss an den genannten Bescheid vom ) fortgesetzten Vergabeverfahren habe die Auftraggeberin die damalige Bestbieterin (nunmehrige Zuschlagsempfängerin) mit Schreiben vom um ergänzende Auskünfte ersucht, die diese auch erteilt habe, woraufhin die Zuschlagsentscheidung am zu Gunsten der Zuschlagsempfängerin ergangen sei.

Ausgehend davon vertrat die belangte Behörde zusammengefasst die Rechtsansicht, dass der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Nachprüfungsantrages gegen die Zuschlagsentscheidung die Antragslegitimation fehle, weil die Beschwerdeführerin den Zuschlag ohnedies nicht erhalten habe können. Die Zuschlagsentscheidung sei nämlich erst nach Ablauf der Zuschlagsfrist ergangen, somit zu einem Zeitpunkt, in dem die Bindefrist des Angebotes der Beschwerdeführerin bereits abgelaufen gewesen sei (§ 79 Abs. 2 BVergG 2002), "somit ein zuschlagsfähiges Angebot" der Beschwerdeführerin nicht mehr vorgelegen sei. An diesem Ergebnis ändere nach Ansicht der belangten Behörde nichts, dass im fortgesetzten Vergabeverfahren bloß die Zuschlagsempfängerin zu näheren Aufklärungen aufgefordert worden sei, wohingegen die übrigen Bieter, darunter die Beschwerdeführerin, von der Fortsetzung des Vergabeverfahrens nicht informiert worden seien. Zwar wäre die Auftraggeberin nach Ansicht der belangten Behörde verpflichtet gewesen, alle am Verfahren beteiligten Bieter von der Fortsetzung des Vergabeverfahrens zu verständigen und zu befragen, ob sie zur Verlängerung der Bindefrist ihrer Angebote bereit seien. Dies ergebe sich schon aus § 21 Abs. 1 BVergG 2002 und der dort verlangten Gleichbehandlung aller Bieter bzw. daraus, dass die genannte Bestimmung ein Vergabeverfahren nach den Grundsätzen des fairen und lauteren Wettbewerbs verlange. Eine solche Gleichbehandlung wäre gerade gegenständlich erforderlich gewesen, weil lediglich die Zuschlagsempfängerin am Nichtigerklärungsverfahren betreffend den Widerruf beteiligt gewesen sei und daher nur sie über die Nichtigerklärung des Widerrufs und über den Fortgang des Vergabeverfahrens Kenntnis gehabt habe. Dennoch ändere dies nach Ansicht der belangten Behörde nichts daran, dass gegenständlich nach Ablauf der Zuschlagsfrist ein "zuschlagsfähiges Angebot" der Beschwerdeführerin nicht mehr vorgelegen sei und ihr daher durch die Zuschlagsentscheidung kein Schaden habe entstehen können, sodass ihre Legitimation, die gegenständliche Zuschlagsentscheidung zu bekämpfen, fehle.

Die Spruchpunkte 1.b. und 1.c. begründete die belangte Behörde damit, dass die dort genannten Entscheidungen nicht gesondert anfechtbar bzw., was die Ausschreibung betreffe, bereits bestandfest seien. Was den beantragten Widerruf der Ausschreibung betreffe, so komme der Vergabekontrollbehörde eine diesbezügliche Kompetenz nicht zu. Daher sei der Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen und ihrem Kostenersatzbegehren nicht stattzugeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B 1952/06-6, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof ergänzt. Die belangte Behörde hat dazu die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die beiden mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt und wendet sich in der Beschwerde zunächst gegen die Ansicht, dass ein zuschlagsfähiges Angebot seit dem Ablauf der Bindungswirkung ihres Angebotes nicht mehr vorliege. Vielmehr ergebe sich aus § 101 BVergG 2002, dass auch bei Überschreitung der Zuschlagsfrist ein vergaberechtskonformer Vertragsabschluss möglich sei, sodass der Beschwerdeführerin sehr wohl ein Schaden durch die Zuschlagsentscheidung, die zu Gunsten eines anderen Bieters ergangen sei, entstanden und daher auch ihre Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren gegeben sei.

Abgesehen davon hätte die belangte Behörde in ihrer Entscheidung sehr wohl berücksichtigen müssen, dass die Auftraggeberin gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz verstoßen habe, indem diese die Zuschlagsentscheidung getroffen habe, ohne vorher die Beschwerdeführerin zu fragen, ob auch sie ihr Angebot aufrecht erhalte. So habe der Gesetzgeber in den Materialien zu § 112 BVergG 2006 ausdrücklich festgehalten, ein Auftraggeber müsse auf Grund des Grundsatzes der Gleichbehandlung nach Ablauf der Zuschlagsfrist alle Bieter und nicht bloß einzelne Bieter um die Erstreckung der Bindungswirkung ihrer Angebote ersuchen. Auch die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass die Auftraggeberin diesem Grundsatz nicht entsprochen habe. Dadurch sei die Beschwerdeführerin insoweit diskriminiert worden, als sie die Bindungsfrist ihres Angebotes nicht habe verlängern können. Dieses diskriminierende Verhalten der Auftraggeberin könne aber nicht zum Verlust der Antragslegitimation der Beschwerdeführerin führen (Verweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , Rs C-230/02, Grossmann Air Service).

Die zufolge § 345 Abs. 2 BVergG 2006 im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Bestimmungen des BVergG 2002 lauten auszugsweise:

"§ 79 (1) Die Zuschlagsfrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist.

...

(2) Während der Zuschlagsfrist ist der Bieter an sein Angebot gebunden.

...

(4) Der Fortlauf der Zuschlagsfrist gemäß Abs. 1 wird für die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens gehemmt.

Wirksamkeit des Zuschlages

§ 101. Während der Zuschlagsfrist kommt das Vertragsverhältnis zu dem Zeitpunkt zustande, zu dem der Bieter die schriftliche Verständigung von der Annahme seines Angebotes erhält. Wird die Zuschlagsfrist überschritten oder weicht der Auftrag vom Angebot ab, so entsteht das Vertragsverhältnis erst mit der schriftlichen Erklärung des Bieters, dass er den Auftrag annimmt. Zur Abgabe dieser Erklärung ist dem Bieter eine angemessene Frist zu setzen."

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der erstmitbeteiligten Zuschlagsempfängerin erst nach Ablauf der Zuschlagsfrist getroffen hat, somit zu einem Zeitpunkt, in dem die Bieter zufolge § 79 Abs. 2 BVergG 2002 nicht mehr an ihre Angebote gebunden waren.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Rechtsmeinung der belangten Behörde zu Grunde, dass ein Angebot, an das der Bieter nicht mehr gebunden sei, nicht zum Zuschlag führen könne und Folge dessen kein "zuschlagsfähiges" Angebote sei. Da das Angebot der Beschwerdeführerin demnach nicht zuschlagsfähig gewesen sei, sei ihr ein Schaden durch die Zuschlagsentscheidung nicht entstanden, sodass ihr die Antragslegitimation hinsichtlich des gegenständlichen Nachprüfungsantrages fehle.

Diese Rechtsmeinung ist schon im Ansatz unzutreffend, weil - wie gerade § 101 zweiter Satz BVergG 2002 zeigt - Angebote auch nach Ablauf der Zuschlagsfrist "zuschlagsfähig" sind, wenn der Bieter die Annahme des Auftrages erklärt.

Solange der Beschwerdeführerin daher von der Auftraggeberin keine angemessene Frist im Sinne des § 101 dritter Satz BVergG 2002 gesetzt wurde und die Beschwerdeführerin innerhalb dieser Frist den Auftrag nicht abgelehnt hat, durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass das Angebot der Beschwerdeführerin für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht komme. Daher hat die belangte Behörde aufbauend auf dieser unrichtigen Rechtsansicht die Antragslegitimation der Beschwerdeführerin unzutreffend verneint.

Hingegen ist die Zurückweisung der in den Spruchpunkten 1.b. und 1.c. genannten Begehren unbedenklich. Bei der unter Spruchpunkt 1.b. genannten Entscheidung der Auftraggeberin, das Vergabeverfahren fortzusetzen, handelt es sich nämlich um keine gesondert anfechtbare Entscheidung (§ 20 Z. 13 lit. a sublit. aa BVergG 2002). Das unter Spruchpunkt 1.c. erwähnte Begehren, die Behörde möge den Widerruf der Ausschreibung anordnen, war unzulässig, weil das Gesetz der Behörde eine diesbezügliche Kompetenz nicht einräumt (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 2007/04/0060). Schließlich stand dem Eventualantrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, die bereits eingetretene Bestandskraft der Ausschreibung entgegen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher in seinem Spruchpunkt 1.a) und in den darauf aufbauenden Spruchpunkten 1.d) und 3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung die Mehrwertsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am