VwGH vom 15.09.2011, 2007/04/0036

VwGH vom 15.09.2011, 2007/04/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Mag. Franz Paul, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Margaretenstraße 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. WST1-B-116/001-2005, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin (lautend auf Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, eingeschränkt auf den Einzelhandel, ausgenommen Nahrungs- und Genussmittel, mit Nebenbetrieb Mechanikergewerbe, eingeschränkt auf die Reparatur von Fahrrädern, Motorfahrrädern und Nähmaschinen) an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 entzogen.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom sei ein Konkursantrag über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Ratenvereinbarung zur Begleichung ihres Rückstandes abgeschlossen und den Rückstand bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse bereits vollständig beglichen. Da sie nunmehr auch von ihrem Ehegatten wirtschaftlich unterstützt werde, seien die erforderlichen Mittel zur Abdeckung der Verbindlichkeiten vorhanden.

Dieses Berufungsvorbringen sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht geeignet, um von der Entziehung der Gewerbeberechtigung im vorwiegenden Interesse der Gläubiger im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1994 abzusehen, weil die letztgenannte Bestimmung nur dann zur Anwendung gelange, wenn der Gewerbetreibende entweder bereits alle gegen ihn bestehenden Forderungen abgedeckt oder entsprechende Zahlungsvereinbarungen abgeschlossen habe und diese auch pünktlich erfülle. Im vorliegenden Beschwerdefall sei festzuhalten, dass "derzeit rund 25.500,-- Euro an Exekutionsforderungen unberichtigt aushaften", sodass nicht sichergestellt sei, dass die im Zusammenhang mit der weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten erfüllt werden könnten. Trotz ihrer Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes habe sich die Beschwerdeführerin zum Vorliegen der unberichtigten Exekutionsforderungen nicht geäußert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 161/2006 lauten:

"§ 13. …

(3) Rechtsträger sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen, wenn

1. der Konkurs mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet wurde und

2. der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.

Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.

§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

2. einer der im § 13 Abs. 3 bis 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt oder …

(2) Die Behörde kann von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen rechtskräftiger Nichteröffnung eines Konkurses mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens oder im Falle des Vorliegens einer Berechtigung zu Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung, wegen der Eröffnung des Konkurses absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist."

Im vorliegenden Beschwerdefall ist unstrittig, dass mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom ein gegen die Beschwerdeführerin gerichteter Konkursantrag mangels Kostendeckung nicht eröffnet wurde. Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen war (dieser Zeitraum betrug bei Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 14 Abs. 3 Insolvenzrechtseinführungsgesetz drei Jahre; vgl. nunmehr § 256 Abs. 4 Insolvenzordnung), ist im vorliegenden Beschwerdefall davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin den Ausschlussgrund des § 13 Abs. 3 GewO 1994 verwirklicht hat. Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie die Verwirklichung des Entziehungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 als erfüllt angesehen hat.

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall jedoch, ob die belangte Behörde trotz Verwirklichung des Entziehungstatbestandes von der Entziehung der gegenständlichen Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 hätte absehen müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 87 Abs. 2 GewO 1994 liegt die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger", wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, dass der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, dass die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Bei der Beurteilung, ob das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist, geht es ausschließlich darum, dass die Zahlungspflichten gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen bei Fälligkeit erfüllt werden. Die Erfüllung des Tatbestandselementes des vorwiegenden Interesses der Gläubiger im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1994 erfordert daher, dass der Gewerbetreibende hinsichtlich aller gegen ihn bereits bestehenden Forderungen Zahlungsvereinbarungen abgeschlossen hat und diese auch pünktlich erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0295, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 99/04/0108 und Zl. 99/04/0165, und vom , Zl. 2002/04/0042).

Die Beschwerdeführerin führt in der Beschwerde aus, die belangte Behörde sei zu Unrecht von offenen Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin in Höhe von EUR 25.500,-- ausgegangen, weil sich die belangte Behörde auf einen nicht mehr aktuellen Auszug aus dem Exekutionsregister vom gestützt habe. Bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jänner 2007 hätten sich die Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin erheblich verändert, im Dezember 2006 seien die aushaftenden Exekutionsforderungen nur mehr bei etwa EUR 3.300,-- gelegen. Dazu werden mit der Beschwerde Bestätigungen von Sozialversicherungsanstalten vorgelegt, wonach offene Verbindlichkeiten teils beglichen worden seien (Niederösterreichische Gebietskrankenkasse) bzw. auf Grund von Zahlungsvereinbarungen getilgt würden (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft).

Richtig ist, dass die belangte Behörde in ihrer Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage bei Erlassung des angefochtenen Bescheides abzustellen hatte. Nach der Aktenlage und der Gegenschrift der belangten Behörde beruht die Feststellung über die offenen Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin in Höhe von EUR 25.500,-- auf dem erwähnten Auszug aus dem Exekutionsregister vom . Die belangte Behörde hätte daher die ausstehenden Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verifizieren müssen und im angefochtenen Bescheid vom nicht ohne Weiteres von der Aktualität des Exekutionsregisterauszuges vom April 2006 ausgehen dürfen. Dennoch kommt diesem Verfahrensmangel keine Relevanz zu:

Auch die Beschwerde behauptet nämlich nicht, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits alle fälligen Forderungen erfüllt hätte, führt sie doch selbst einen offenen Betrag von EUR 3.300,-- an. Die der Beschwerde angeschlossenen Schreiben belegen auch nicht, dass die Beschwerdeführerin (im hier maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) hinsichtlich der fälligen Verbindlichkeiten, insbesondere in letztgenannter Höhe, Zahlungsvereinbarungen mit allen Gläubigern abgeschlossen und diese pünktlich erfüllt hätte. Außerdem wurden diese Schreiben (so insbesondere auch Beilage E der Beschwerde) zum Teil erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erstellt und stellen somit eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachtende Neuerung dar (eine Beurteilung der Aussagekraft der genannten Beilage E erübrigt sich daher).

Auch das Beschwerdevorbringen des unzureichend gewährten Parteiengehörs im Verwaltungsverfahren ist im gegebenen Zusammenhang nicht zielführend. Wie sich nämlich aus der Aktenlage ergibt, hat die belangte Behörde die bereits erwähnte Liste der unberichtigten Exekutionsforderungen vom mit Schreiben vom an die Beschwerdeführerin - zu Handen ihres Rechtsvertreters - zum Zwecke des Parteiengehörs übermittelt. Wenn die Beschwerde nunmehr einwendet, es sei nicht erkennbar gewesen, dass die belangte Behörde damit implizit die Vorlage von Zahlungsvereinbarungen zu den offenen Verbindlichkeiten begehrt habe und dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich hätte angeleitet werden müssen, so ist auf § 13a AVG zu verweisen. Nach dieser Bestimmung war die belangte Behörde, da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Gewährung des Parteiengehörs durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten war, nicht zur Manuduktion verhalten. Vielmehr hätte die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin auf Grund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2005/04/0295, mwN) erkennen müssen, dass sie, um ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 zu erreichen, Zahlungsvereinbarungen betreffend sämtliche fälligen Verbindlichkeiten hätte vorlegen und deren pünktliche Erfüllung hätte bescheinigen müssen.

Soweit die Beschwerde schließlich einwendet, der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe dieser verbindlich zugesagt, sie in Hinkunft finanziell zu unterstützen, sodass seine Einvernahme erforderlich gewesen wäre, ist zu entgegnen, dass es nach dem Gesagten (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2005/04/0295) nicht bloß darauf ankommt, dass alle "künftig anfallenden" Verbindlichkeiten erfüllt werden, sondern dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Forderungen aller Gläubiger durch laufend erfüllte Zahlungsvereinbarungen abgedeckt sind.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am