VwGH 25.01.2012, 2011/13/0116
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Wurde die Benachrichtigung von der Beendigung des zwischen dem steuerlichem Vertreter und dem Abgabepflichtigen bestehenden Vollmachtsverhältnisses, wie vom Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters angegeben und von der belangten Behörde (dem unabhängigen Finanzsenat) nicht als unglaubwürdig gewürdigt (sondern nur "in Ansehung" des von ihr verfehlt herangezogenen hg. Erkenntnisses vom , 82/16/0119, dahingestellt gelassen) in den dafür vorgesehenen Parteienbriefkasten des Finanzamtes eingeworfen, so war sie dem Finanzamt damit zugegangen (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 1118/60, VwSlg 5833 A/1962, und seither u.a. das Erkenntnis vom , 93/02/0118, VwSlg 13909 A/1993). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Mag. B in W als Masseverwalter über die Vermögensmasse des DI B in W, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zlen. RV/3805-W/10, RV/2561-W/11, RV/2559-W/11, betreffend Wiederaufnahmen, Verspätungszuschlag und Zurückweisung eines Vorlageantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Zurückweisung des Vorlageantrages vom bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei B., als dessen Masseverwalter der Beschwerdeführer einschreitet, fand im April 2010 eine Betriebsprüfung statt. Gegen die im Anschluss daran ergangenen Bescheide vom erhob B. in einer Mehrzahl getrennter Schriftsätze vom Berufungen. Über einen Teil davon ergingen getrennte Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes vom . Die Berufungsvorentscheidungen wurden der P. GmbH als steuerlicher Vertreterin von B. am zugestellt. Mit Schriftsatz vom beantragte B. die Vorlage der Berufungen. Diesen Antrag wies das Finanzamt mit getrennten Bescheiden vom wegen Verspätung zurück, wogegen B. mit Schriftsatz vom Berufung erhob. Diese Berufung wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Mit Schriftsatz seines inzwischen eingeschrittenen Vertreters vom beantragte B. die Vorlage seiner Berufung gegen die Zurückweisung des Vorlageantrages an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen, nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung im Februar 2011 bereits dem Masseverwalter zugestellten Bescheid entschied die belangte Behörde zunächst über Berufungen vom , von denen sie (mit einer Ausnahme) davon ausging, dass zu ihnen keine Berufungsvorentscheidungen ergangen seien. Sie wies in diesem Sinn Berufungen gegen die Wiederaufnahmen betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2005 als unbegründet ab, weil bei der Betriebsprüfung neue Tatsachen hervorgekommen seien, wies Berufungen gegen Wiederaufnahmen betreffend Einkommensteuer 2007 (hiezu lagen eine abweisende Berufungsvorentscheidung vom und ein Vorlageantrag vor) und 2008 zurück, weil diesbezüglich keine Wiederaufnahmen erfolgt seien, und wies die Berufung gegen den Verspätungszuschlag betreffend Umsatzsteuer 2005 als unbegründet ab.
Im letzten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides bestätigte die belangte Behörde die Zurückweisung des Vorlageantrages vom . Sie führte dazu begründend aus, in der Berufung gegen die Zurückweisungsbescheide hinsichtlich seines Vorlageantrages habe B. behauptet, das Vollmachtsverhältnis zur P. GmbH sei Ende Juni 2010 beendet worden, weshalb die Zustellung der später an ihn weitergeleiteten Berufungsvorentscheidungen vom zu Handen der P. GmbH am nicht fristauslösend wirksam geworden sei. Dazu habe B. auch ein entsprechendes Schreiben der P. GmbH an das Finanzamt vom vorgelegt und die Zeugenvernehmung des befassten Mitarbeiters der P. GmbH sowie seine eigene Einvernahme beantragt. Am sei der Mitarbeiter der P. GmbH (zu ergänzen: telefonisch) als Zeuge befragt worden, wobei er angegeben habe, er habe seiner aktenkundigen schriftlichen Erklärung vom nichts hinzuzufügen.
Diese Erklärung lautete im Wesentlichen wie folgt:
"Am wurde ich von Herrn (B.) darüber informiert, dass er das Vollmachtsverhältnis zur Fa. (P. GmbH) in seiner Steuersache gekündigt hat (Kündigungsschreiben vom ). Dieses Kündigungsschreiben ist mir am zugegangen.
Die Vollmachtskündigung wurde von mir zur Kenntnis genommen und mit Schreiben vom dem zuständigen Finanzamt auch mitgeteilt. Das Schreiben an das Finanzamt vom (Mitteilung über die Vollmachtsbeendigung) wurde am persönlich von mir beim Finanzamt 8/16/17 abgegeben - und zwar in den dafür vorgesehenen Parteienbriefkasten hineingeworfen.
Ich bestätige daher für Herrn (B.), dass das oben genannte Schreiben der Fa. (P. GmbH) über die Bekanntgabe der Vollmachtsbeendigung am dem Finanzamt 8/16/17 in Wien zugegangen ist."
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der P. GmbH am "die steuerliche Vertretung seitens des Bw. gekündigt" worden sei. Der Behauptung, das Finanzamt sei von der Vollmachtskündigung verständigt worden, sei jedoch entgegen zu halten, dass eine Eingabe nur dann als eingebracht anzusehen sei, wenn sie der Behörde wirklich ausgehändigt worden sei. Die Beweislast für das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde treffe den Absender. Eine Vollmachtskündigung sei aber weder "in dem für das Verfahren zuständigen aktenführenden Referat" noch "sonst beim Finanzamt" eingelangt und dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zustellung der Berufungsvorentscheidungen vom daher auch nicht bekannt gewesen.
Zu den Angaben des Mitarbeiters der P. GmbH nahm die belangte Behörde dabei wie folgt Stellung:
"Was die Zeugenaussage von Hrn. ..., dass er das Schreiben in den Einwurfkasten des Finanzamtes eingeworfen habe, anlangt, ist der Bw. in Ansehung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 82/16/0119 darauf zu verweisen, dass dieser lediglich seine Handlungsweise dartut, ohne dass dies einen Beweis für deren tatsächliches Einlangen bei der Abgabenbehörde erster Instanz darstellt.
Die Aussage, ist somit als nicht ausreichender Beweis des tatsächlichen Einlangens beim Finanzamt zu qualifizieren."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerde bekämpft den Bescheid der belangten Behörde "seinem ganzen Inhalt und Umfang nach", wendet sich in der Argumentation aber ausschließlich gegen die Annahme der Wirksamkeit der Zustellung der Berufungsvorentscheidungen vom mit . Eine Rechtswidrigkeit der der Bestätigung der Zurückweisung des Vorlageantrages im angefochtenen Bescheid vorangehenden Aussprüche der belangten Behörde über das Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen bzw. das Fehlen von Wiederaufnahmen und über die Nichteinhaltung der Frist für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 wird damit nicht dargetan, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
In Bezug auf den letzten, die Zurückweisung des Vorlageantrages betreffenden Spruchpunkt ist die Beschwerde jedoch berechtigt. Die belangte Behörde hat Judikatur zur Gefahr des Nichteinlangens einer mit der Post beförderten Sendung (hierauf beziehen sich das von ihr zitierte Erkenntnis vom , 82/16/0119, ÖStZB 15/1983, S. 287, und die dort erwähnten Erkenntnisse vom , 1711, 1712/64) auf die Frage angewendet, ob ein in den Einlaufkasten eines Finanzamtes eingeworfenes Schriftstück beim Finanzamt eingelangt ist, den Einlaufkasten im Ergebnis wie einen Briefkasten der Post behandelt und damit die Rechtslage verkannt. Wurde die Benachrichtigung von der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses, wie vom Mitarbeiter der P. GmbH angegeben und von der belangten Behörde nicht als unglaubwürdig gewürdigt (sondern nur "in Ansehung" des von ihr verfehlt herangezogenen hg. Erkenntnisses vom , 82/16/0119, dahingestellt gelassen), in den dafür vorgesehenen Parteienbriefkasten eingeworfen, so war sie dem Finanzamt damit zugegangen (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg 5833/A, und seither u.a. das Erkenntnis vom , 93/02/0118, VwSlg 13.909/A).
Die belangte Behörde führt in der Gegenschrift noch aus, das später vorgelegte Schreiben vom wäre wegen der zeitlichen Nähe zur Vollmachtsbekanntgabe eines Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit einem Finanzstrafverfahren von B. nur als Teilkündigung zu werten gewesen. Dem steht der klare Wortlaut dieses Schreibens entgegen ("Ich gestatte zu informieren, dass das Vollmachtsverhältnis von Herrn (B.) zu meiner Kanzlei beendet wurde. Ich bitte um Kenntnisnahme der Vollmachtskündigung. Herr
(B.) wird hinkünftig durch ... vertreten").
Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit - ausgehend vom Nichtzugang dieser Benachrichtigung und folglich von der Wirksamkeit der Zustellung der Berufungsvorentscheidungen vom zu Handen der P. GmbH am - die Zurückweisung des Vorlageantrages vom bestätigt wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2011130116.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAE-89228