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VwGH vom 03.05.2022, Ra 2022/09/0022

VwGH vom 03.05.2022, Ra 2022/09/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Mag. A B in C, vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W136 2240134-1/9E, betreffend Verhängung einer Disziplinarstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdisziplinarbehörde),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Bestätigung des Schuldspruches zu I.3. des Disziplinarerkenntnisses vom sowie des Strafausspruches wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

11.1. Der im Jahr 1963 geborene Revisionswerber steht als Fachbereichsleiter einer fremden- und grenzpolizeilichen Abteilung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

21.2. Mit Spruchpunkt I. des Disziplinarerkenntnisses der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber folgender Dienstpflichtverletzungen schuldig erkannt:

1. Er habe im Zeitraum vom bis unter Verwendung dienstlicher Ressourcen, aus ausschließlich privaten Gründen im Zusammenhang mit Eingaben bzw. Beschwerden oder Rechtsstreitigkeiten betreffend näher bezeichneter Liegenschaften an näher genannten Tagen insgesamt 46. Mails an die Gemeinde G versendet, wobei er a) sich in 42 Fällen im Dienst befunden habe und fünf näher bezeichnete Nachrichten aufgrund ihrer Komplexität und ihres Umfangs geeignet gewesen seien, die Erfüllung dienstlicher Aufgaben zu beeinträchtigen und b) in allen Fällen seine näher konkretisierte dienstliche E-Mailadresse verwendet habe, wodurch in Zusammenschau aller versendeten Nachrichten in der Öffentlichkeit der Eindruck habe entstehen können, er würde private Belange exzessiv während des Dienstes erledigen und die dienstliche E-Mailadresse deshalb verwenden, um seinen privaten Anliegen Nachdruck zu verleihen.

2. Er habe im Zeitraum von bis unter Verwendung dienstlicher Ressourcen aus ausschließlich privaten Gründen im Zusammenhang mit einem privaten Rechtsstreit mit seinem Nachbarn P. fünf näher konkretisierte E-Mails versendet, wobei er a) sich in allen Fällen im Dienst befunden habe und b) in allen Fällen seine dienstliche E-Mailadresse verwendet habe, wodurch in der Öffentlichkeit und insbesondere bei P. der Eindruck habe entstehen können, er würde die dienstliche E-Mailadresse deshalb verwenden, um seinen privaten Anliegen Nachdruck zu verleihen.

3. Er habe es als verantwortlicher Leiter des näher bezeichneten Fachbereiches 2 vom bis unterlassen, 443 Schubhaftkostenbescheide eines näher bestimmten Zeitraumes mit einer aushaftenden theoretischen Gesamtsumme von ca. € 812.000,-- der Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung (SVA 1) zum Vollzug zu übermitteln bzw. für eine Übermittlung bzw. für eine der Sach- und Rechtslage entsprechende Administration zu sorgen, sondern er habe diese Akten - trotz dreimaliger Hinweise von zwei Mitarbeitern (zuletzt im Winter 2018/2019 und im Sommer 2019) auf die Notwendigkeit einer Vollzugsführung - ohne weitere Maßnahmen im Archiv belassen und nicht weitergeleitet.

3Der Revisionswerber habe seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1, § 43 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) gemäß § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt, weshalb über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 8.000,-- verhängt wurde und noch zu bestimmende Verfahrenskosten vorgeschrieben wurden.

4Von einem weiteren Vorwurf wurde der Revisionswerber mit Spruchpunkt II. dieses Disziplinarerkenntnisses freigesprochen.

52.1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (Verwaltungsgericht) wurden die vom Disziplinaranwalt sowie dem Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

62.2. In der durchgeführten Verhandlung wurde lediglich der Revisionswerber einvernommen; die vom Revisionswerber in seiner Beschwerde zu näher bezeichneten Beweisthemen beantragten Zeugen wurden nicht einvernommen.

72.3. Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die jeweils angelasteten Sachverhalte würden objektiv nicht bestritten werden. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass er die Nachrichten außerhalb der Dienstzeit zu Hause erstellt habe, werde aus näher dargestellten Gründen nicht gefolgt. Hinsichtlich der Administration der Kostenbescheide werde dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass die Angaben zweier näher bezeichneter Zeugen unwahr seien, nicht gefolgt. Die Angaben der Zeugen seien „schlüssig, widerspruchsfrei und entsprechen in den maßgeblichen Umständen ihren niederschriftlichen Aussagen vor dem Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung“. Weiters beschäftigte sich das Verwaltungsgericht mit Aussagen einer weiteren Zeugin vor diesem Bundesamt, um aus dieser zu schließen, dass das Vorbringen des Revisionswerbers nicht zutreffe. Zwei weitere Zeugen seien nicht zu vernehmen gewesen, weil sie vor dem Bundesamt übereinstimmende Angaben getätigt hätten; noch eine weitere Zeugin habe angegeben, dass sie davon überzeugt gewesen sei, dass dem Revisionswerber der Umstand der Ablage im Archiv bekannt gewesen sei. Die vom Revisionswerber beantragte Einvernahme des Amtsvorgängers sei nicht erforderlich, weil aus dessen Stellungnahme an die StA Linz nicht hervorgehe, warum dieser davon ausgegangen sei, dass sich die Mitarbeiter selbstständig um die Vollzugsfähigkeit der erlassenen Schubhaftbescheide kümmerten; es gebe keinen Erlass noch eine Weisung diesbezüglich. Aus näher genannten Gründen bleibe offen, warum dieser Zeuge davon ausgegangen sei, dass die Mitarbeiter diese Handlungen selbstständig übernehmen sollten. Weiters führte das Verwaltungsgericht aus, dass die von der Zeugin H. verfassten Gedächtnisstützen eher den Schluss zuließen, dass den den Bescheid erlassenden Beamten der Verwendungsgruppe B keine Anweisung im Zusammenhang mit der weiteren Administration der Bescheide aufgetragen worden sei.

8Das Verwaltungsgericht erläuterte rechtlich, warum der Revisionswerber die angelasteten Disziplinarübertretungen verwirklicht habe, wobei es hinsichtlich der beiden ersten Punkte betonte, dass es bei den versendeten E-Mails darauf ankomme, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Daran könne kein Zweifel bestehen: Der Revisionswerber habe seine gesamte, zum Teil aufwändige Korrespondenz mit der Gemeinde und im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit zumeist während der Dienstzeit und ausschließlich unter Nutzung dienstlicher Infrastruktur abgewickelt. Die Verwendung einer E-Mailadresse mit dem Kürzel „polizei.gv.at“ sei gerade im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, dass der Absender seinem Anliegen durch die Verwendung dieser Absenderadresse Nachdruck verleihen wolle, was durchaus dem Verwenden amtlichen Briefpapiers gleichzuhalten sei. Hinsichtlich des dritten Spruchpunktes verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass es dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht folge, er sei von den Zeugen H. und B. niemals auf die Problematik der abgelegten Schubhaftkostenbescheide angesprochen worden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die vom Revisionswerber angenommene Vorgangsweise von seinem Amtsvorgänger mit Weisung festgelegt worden sei. Es wäre Aufgabe des Revisionswerbers als Leiter gewesen, die notwendigen Veranlassungen zu treffen.

9Letztlich begründete das Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde des Disziplinaranwaltes sowie seine Strafbemessung.

103.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

113.2. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

12Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

134.1. Zur Zurückweisung der Revision

14Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt, oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

16Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.

17Weist die angefochtene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Solche trennbaren Absprüche liegen auch dann vor, wenn die Spruchpunkte eines (vom Verwaltungsgericht etwa bestätigten) Bescheids als trennbar anzusehen sind (vgl. , mwN). Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. etwa , mwN).

18Die Spruchpunkte des Disziplinarkerkenntnisses enthielten hinsichtlich des Schuldspruches drei voneinander trennbare Absprüche. Ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Spruchpunkten im Sinn der dargelegten Rechtsprechung besteht nämlich nicht.

19Hinsichtlich der ersten beiden Spruchpunkte des vom Verwaltungsgericht bestätigten Disziplinarerkenntnisses bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/09/0049, abgewichen, weil die Fakten zu I.1.b. und 2.b. ein disziplinäres Verhalten des Revisionswerbers schon deswegen nicht tragen könnten, weil der Revisionswerber niemals einen Hinweis auf seine Dienststelle und seine Position innerhalb der Dienststelle gesetzt habe. Der Spruch des Disziplinarerkenntnisses sei im Übrigen dahingehend unklar abgefasst, ob nun allein das Versenden der E-Mails im Dienst als disziplinär bewertet worden sei oder die Verletzung von Dienstpflichten nur jeweils in Kombination der Spruchpunkte gesehen worden sei. Diese erforderliche Differenzierung gehe auch aus dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes nicht hervor.

20Mit diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber zunächst, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/09/0049, - vor dem Hintergrund des dem dortigen Revisionswerber vorgeworfenen Disziplinarvorwurfes - zwar ausgeführt hat, dass dann, wenn vom Dienstgeber ein Computer mit eingerichteter (dienstlicher) E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt wird, damit - sofern keine weiteren einschränkenden Regelungen getroffen werden - implizit auch die Verwendung dieser technischen Möglichkeiten für private Zwecke erlaubt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch weiters ausgeführt, dass im Rahmen der allgemeinen Dienstpflichten die Grenze der Nutzung einerseits dort zu ziehen ist, wo durch den Umfang dieser Nutzung die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben leiden könnte; zum anderen dort, wo durch die Nutzung das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsmäße Erfüllung der Aufgaben gefährdet bzw. beeinträchtigt wird. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Verhaltens des Revisionswerbers anlässlich der Versendung zahlreicher E-Mails von dieser Rechtsprechung abgewichen sein sollte, weil dem Beschuldigten gerade angelastet wurde, dass diese Nachrichten aufgrund ihrer Komplexität und ihres Umfangs geeignet gewesen sind, die Erfüllung dienstlicher Aufgaben zu beeinträchtigen sowie, dass in der Öffentlichkeit sowie bei P. der Eindruck habe entstehen könne, dass er die dienstliche Adresse deshalb verwende, um seinen privaten Anliegen Nachdruck zu verleihen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird mit diesem Vorbringen daher nicht dargetan.

21Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision darüber hinaus voraus, dass das Schicksal der Revision von der geltend gemachten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht jedenfalls nicht aus. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen nicht zuständig (, mwN; ).

22Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt hier nun nicht auf, inwieweit es für den erfolgten Schuldspruch zu den Spruchpunkten 1. und 2. von Belang sein sollte, ob diese vom Verwaltungsgericht jeweils als eine Einheit oder in Kombination miteinander gesehen worden sind.

23Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.

244.2. Zur Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften

25Die Revision ist hingegen hinsichtlich des Spruchpunktes I. 3. des vom Verwaltungsgericht bestätigten Disziplinarerkenntnisses zulässig, wenn diesbezüglich vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht weiche mit den von ihm unterlassenen Zeugeneinvernahmen von näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab. Ihr kommt in diesem Umfang auch Berechtigung zu:

26Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt auch in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG (vgl. z.B. , mwN). Nach dem damit maßgebenden Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit hat das Verwaltungsgericht von Amts wegen unabhängig vom Parteivorbringen und von den Parteianträgen den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Dabei hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge darf sich das Verwaltungsgericht nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa , mwN).

27Dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist eine antizipierende Beweiswürdigung prinzipiell fremd. Eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird (vgl. z.B. , mwN).

28Auf Basis des Gesagten dürfen Beweisanträge bzw. eine Aufnahme von Beweisen von Amts wegen prinzipiell nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. idZ etwa , mwH).

29Solange etwa einem Zeugenbeweis die grundsätzliche Eignung, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen, nicht abgesprochen werden kann, wäre in einer (ausdrücklichen) Feststellung, der Zeuge hätte ohnehin nichts Wesentliches beitragen können, eine unzulässige vorwegnehmende Beweiswürdigung gelegen (vgl. , mwN). Die gleiche Wertung liegt dem stillschweigenden Übergehen eines beantragten Beweises bzw. eines Beweises zugrunde, dessen Vornahme zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes von Amts wegen erforderlich ist (vgl. idZ , mwN).

30Festzuhalten ist auch, dass die Beweiswürdigung in Bezug auf strittige Sachverhaltselemente zu den zentralen Aufgaben der Verwaltungsgerichte selbst zählt, die auf Grund ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in besonderer Weise zur Wahrheitsfindung beitragen können (vgl. , mwN).

31Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde näheres Tatsachenvorbringen erstattet, seine Schuld an dem ihm zu I.3. angelasteten Disziplinarvorwurf bestritten und dazu die Einvernahme näher bezeichneter Zeugen unter Angabe einer ladungsfähigen Adresse beantragt. Das Verwaltungsgericht hat diese Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht gehört, es hat sich jedoch bei seiner Beweiswürdigung auf die Zeugenaussagen dieser Personen vor anderen Behörden gestützt und diese als schlüssig und widerspruchsfrei qualifiziert, ohne die Personen selbst einvernommen zu haben. Hinsichtlich der Einvernahme eines Zeugen vor der StA Linz bleibe nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes weiters offen, warum er von seinen getätigten Aussagen ausgegangen sei, eine Befragung des Zeugen vor dem Verwaltungsgericht unterblieb jedoch ebenfalls. Der Revisionswerber führt dazu aus, es habe eine Weisung des Zeugen zur weiteren Bearbeitung der Schubhaftkostenbescheide durch die Mitarbeiter gegeben.

32Es gehört jedoch gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen. Steht der Aufnahme eines unmittelbaren Beweises kein tatsächliches Hindernis entgegen, darf sich das Verwaltungsgericht nicht mit einem mittelbaren Beweis zufriedengeben. Die Unmittelbarkeit in Hinblick auf die Aussage eines Zeugen verlangt damit dessen Einvernahme vor dem erkennenden Verwaltungsgericht. Bei widersprüchlichen Aussagen ist es zur Wahrheitsfindung erforderlich, in konkreter Fragestellung die jeweiligen Aussagen des einen Zeugen den eine gegenteilige Position einnehmenden anderen Zeugen vorzuhalten. Dabei kann gegebenenfalls auch eine von Amts wegen vorgenommene Gegenüberstellung der Zeugen zur Erforschung der Wahrheit erforderlich sein (vgl. erneut , mwN).

33Diesen Erfordernissen hat das Verwaltungsgericht nicht entsprochen, wenn es von der Einvernahme jener beantragten Zeugen Abstand genommen hat, auf deren Aussage es - mit seinem Hinweis auf den Akteninhalt und den daraus ersichtlichen Vernehmungen vor anderen Behörden - seine Tatsachenfeststellungen maßgebend gestützt hat. Das zur Amtswegigkeit verpflichtete Verwaltungsgericht hat damit insbesondere dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Aufnahme der erforderlichen Beweise nicht entsprochen und sich derart auch keinen unmittelbaren Eindruck von diesen Zeugen bzw. deren Glaubwürdigkeit verschafft; weiters konnte es den mit seiner Verhandlungsplicht verbundenen Zielsetzungen nicht gerecht werden.

344.3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, erweist sich das angefochtene Erkenntnis daher insoweit, als es den Spruchpunkt I.3. des Disziplinarerkenntnisses vom bestätigte und den damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Strafausspruch (vgl. ) als mit relevanten Verfahrensmängeln belastet, weshalb es in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war (vgl. ).

354.4. Zum Primärantrag des Revisionswerbers, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0023, verwiesen werden. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf das Erkenntnis vom , 2013/03/0004, dargelegt, dass ein Antrag auf Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst denklogisch jedenfalls einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses enthält. Es besteht nach der Rechtsprechung eine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Eventualantrag erst dann, wenn dem Primärantrag nicht entsprochen wurde. Da bereits der (einen Aufhebungsantrag enthaltende) Primärantrag des Revisionswerbers erfolgreich war, war auf den (ebenfalls auf Aufhebung des bekämpften Erkenntnisses gerichteten) Eventualantrag des Revisionswerbers nicht mehr einzugehen. Wird dem Primärantrag entsprochen, wird der Eventualantrag gegenstandslos.

365. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf den gesonderten Ersatz von „ERV-Kosten“ gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil der durch die Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch diese abdeckt (vgl. , mwN).

376. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090022.L00

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