VwGH vom 23.05.2014, 2014/02/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-1731-1732/7/2013, betreffend Übertretungen des BauKG (mitbeteiligte Partei: Ing. W in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides) aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom hat die Bezirkshauptmannschaft V den Mitbeteiligten als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der W GmbH schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, dass es die W GmbH unterlassen habe, hinsichtlich einer näher genannten Baustelle
"1.) als Planungskoordinator die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojektes zu koordinieren, zumal es unterlassen wurde, für die gleichzeitig oder aufeinanderfolgend durchzuführenden Arbeiten an der Dachfläche als auch an der Traufe solche Schutzeinrichtung zu planen, die sowohl für Arbeiten an der Dachfläche als auch für die Arbeiten an der Traufe wirksam sind und
2.) als Baustellenkoordinator darauf zu achten, dass die Arbeitgeber die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anwenden, zumal konkret darauf zu achten gewesen wäre, dass spätestens vor Beginn der Arbeiten Schutzeinrichtungen errichtet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche als auch für die Arbeiten an der Traufe wirksam sind."
Der Mitbeteiligte habe dadurch zu 1.) § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 4 Abs. 2 Z 1 BauKG und zu 2.) § 10 Abs. 1 Z 4 iVm § 5 Abs. 2 Z 2 BauKG verletzt, wofür über ihn Geldstrafen von jeweils EUR 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 37 Stunden) verhängt wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Mitbeteiligten zu 1.) als unbegründet abgewiesen, der Berufung zu Spruchpunkt 2.) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
Nach der Begründung sei die dem Mitbeteiligten im Spruchpunkt 2.) als Planungskoordinator vorgeworfene strafbare Handlung bereits von Spruchpunkt 1.) umfasst, weshalb eine Doppelbestrafung vorliege. Dem Mitbeteiligten könne daher in seiner Eigenschaft als Baustellenkoordinator eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Z 2 BauKG nicht mehr angelastet werden.
Über die nur gegen Spruchpunkt 2.) des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Amtsrevision - der Mitbeteiligte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt - hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Verwaltungsgericht erwogen:
Die im Revisionsfall maßgebenden Bestimmungen des BauKG lauten:
"§ 2
...
(4) Vorbereitungsphase ist der Zeitraum vom Beginn der Planungsarbeiten bis zur Auftragsvergabe.
(5) Ausführungsphase ist der Zeitraum von der Auftragsvergabe bis zum Abschluss der Bauarbeiten.
(6) Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Vorbereitungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes (Planungskoordinator) ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die vom Bauherrn oder Projektleiter mit der Durchführung der in § 4 genannten Aufgaben für die Vorbereitungsphase des Bauwerks betraut wird.
(7) Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Ausführungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes (Baustellenkoordinator) ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die vom Bauherrn oder Projektleiter mit der Durchführung der in § 5 genannten Aufgaben für die Ausführungsphase des Bauwerks betraut wird.
...
§ 4. ...
(2) Der Planungskoordinator hat
1. die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts zu koordinieren...
§ 5. ...
(2) Der Baustellenkoordinator hat darauf zu achten, dass
...
2. die Arbeitgeber die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anwenden…
§ 10. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7 260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14 530 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer
...
3. als Planungskoordinator seine Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 verletzt,
4. als Baustellenkoordinator die Verpflichtungen nach § 5 verletzt..."
Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 6 BauKG ist der Planungskoordinator ausschließlich "für die Vorbereitungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes", der Baustellenkoordinator gemäß Abs. 7 leg. cit. für die Ausführungsphase bestellt. Nach § 2 Abs. 4 leg. cit. ist die Vorbereitungsphase der Zeitraum vom Beginn der Planungsarbeiten bis zur Auftragsvergabe. Ausführungsphase ist nach § 2 Abs. 5 leg. cit. der Zeitraum von der Auftragsvergabe bis zum Abschluss der Bauarbeiten. Eine über die Vorbereitungsphase hinausgehende Verpflichtung des Planungskoordinators ist nicht zu sehen (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 2008/02/0072, 0073).
Im Erkenntnis vom , Zl. 2013/02/0083, mwN, werden die Aufgaben und die Verantwortlichkeiten zwischen dem Planungskoordinator und dem Baustellenkoordinator nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch inhaltlich klar voneinander abgegrenzt, indem etwa die begleitende Koordination der Umsetzung der Vorgaben des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes in der Ausführungsphase nur mehr dem Baustellenkoordinator obliegt.
Nach der dargestellten Rechtslage unterliegen der Planungskoordinator und der Baustellenkoordinator auf Grund der an sie gestellten unterschiedlichen Anforderungen jeweils anderen Sanktionsnormen, die unterschiedliches Verhalten pönalisieren. Bestraft wurde der Mitbeteiligte demnach wegen verschiedener Unterlassungen (einerseits der Planung, andererseits der Errichtung von Schutzeinrichtungen). Auch wenn beide Aufgabenbereiche von derselben Person übernommen wurden, kann nicht davon gesprochen werden, dass dieselben Taten vorlagen. Dies wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn sich die Verurteilung auf identische oder im Wesentlichen übereinstimmende Fakten gestützt hätte (vgl. dazu das Urteil des EGMR, "Muslija", , 32042/11, unter Hinweis auf das Urteil "Sergey Zolotukhin").
Letzteres war nicht der Fall, weshalb der angefochtene Bescheid im Umfang der Anfechtung (Spruchpunkt 2.) des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.
Wien, am