zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 21.03.2011, 2007/04/0007

VwGH vom 21.03.2011, 2007/04/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der S GmbH in X, vertreten durch Dr. Dietmar Czernich, Dr. Gernot Hofstädter und Mag. Bernd Guggenberger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. K VNP/12/2006.003/013 (mündlich verkündet am zur Zl. K VNP/12/2006.003/011), betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Parteien: 1. N GmbH in Y, vertreten durch Hajek Boss Wagner Rechtsanwälte OG in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5, 2. Z AG in I; weitere Partei:

Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden Auftraggeberin) hat mit Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vom unter der Überschrift "N: Dienstleistungen an Stränden" einen Dienstleistungsauftrag im offenen Verfahren ausgeschrieben (Auftragsgegenstand: "Lieferung von Lesegeräten für Besuchereintritte, Erstellung von Software, Lieferung von Karten, Datendienstleistungen sowie Installation, Schulung und Betreuung"), der an das wirtschaftlich günstigste Angebot nach näher genannten Kriterien erteilt werden sollte. Mit Schreiben vom hat die Auftraggeberin die Absicht bekannt gegeben, den Auftrag an die zweitmitbeteiligte Partei zu erteilen. Dagegen brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde mit Schriftsatz vom einen Nachprüfungsantrag ein, in dem sie, soweit hier wesentlich, die Nichtigerklärung der genannten Zuschlagsentscheidung und den Ersatz der von ihr für diesen Antrag entrichteten Pauschalgebühren begehrte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 und § 3 Abs. 1 Bgld. Vergabe-Nachprüfungsgesetz - VNPG in Verbindung mit § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 zurückgewiesen (Spruchpunkt 1.) und der Antrag der Beschwerdeführerin, die Auftraggeberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zu verpflichten, gemäß § 20 Abs. 5 VNPG abgewiesen (Spruchpunkt 2.).

In der Begründung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, das Angebot der Beschwerdeführerin wäre, wie auch die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme gegen den Nachprüfungsantrag vorgebracht habe, gemäß § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen, weil dieses in näher genannten Punkten (nämlich hinsichtlich der Dauer der Gewährleistung, der Wahl des Gerichtsstandes und des Liefertermines für die Testversion) der Ausschreibung widersprochen habe. Diese Rechtsansicht stützte sie auf folgende Feststellungen:

In der Ausschreibung sei unter Punkt die Gewährleistungsfrist - ohne Unterscheidung zwischen den einzelnen Bestandteilen der Leistung - mit zwei Jahren festgelegt und als Gerichtsstand (Punkt ) für Streitigkeiten aus dem Vertrag die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes N festgelegt. Weiters sei in der Ausschreibung (Punkt 2.2) als Liefertermin der bestimmt, wobei eine Testversion für die Software zumindest bis zum zu präsentieren sei, sodass die Realisation überprüft werden könne.

Demgegenüber habe die Beschwerdeführerin in einem Begleitschreiben zum Angebot (das dem Vergabeakt beiliegt) Folgendes ausgeführt:

"Zu 2.1 Allgemeine Angebotsbestimmungen

Basis dieses Angebotes sind die in Punkt 2.1 genannten Punkte in der Ausschreibung sowie das Bundesvergabegesetz und das Bgld Vergabe-Nachprüfungsgesetz. Des Weiteren gelten die Vertragsbedingungen der (Beschwerdeführerin) für alle Punkte, welche im BVergG 2006 und Bgld. VNPG nicht geregelt sind.

Zu Gewährleistung.

Auf das angebotene System erklären wir, dass Sie auf die Dauer von 2 Jahren eine Gewährleistung auf die gelieferten Geräte haben. Alle weiteren Bedingungen sind im Dokument 'Wartung-Instandhaltung-Betreuung' entsprechend beschrieben."

Hinsichtlich des letztzitierten Satzes stellte die belangte Behörde fest, dass sich im dort angesprochenen Dokument keine Bestimmung finde, die eine zweijährige Gewährleistungsfrist auch für die Dienstleistungskomponente festlege.

In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beschwerdeführerin sei festgehalten, dass (Punkt 4.2) Gewährleistungsansprüche bei sonstigem Verfall innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe geltend zu machen seien, dass (Punkt 6) für Streitigkeiten das sachlich in Betracht kommende Gericht am Sitz der Beschwerdeführerin zuständig sei und dass (Punkt 3.2) die Liefertermine für die Testphase so festgelegt würden, dass eine Inbetriebnahme für die Testphase vom Auftragnehmer spätestens 15 Tage nach Lieferung gemäß Terminplan erfolge.

Aus den zitierten Ausführungen im Begleitschreiben leitete die belangte Behörde ab, die Beschwerdeführerin habe ihr Angebot zwar auf der Basis des Punktes 2.1 der Ausschreibung erstellt, jedoch "des Weiteren" - also zusätzlich und nicht etwa nur subsidiär für jene Punkte, die von der Ausschreibung nicht geregelt seien - "unmissverständlich die Geltung ihrer AGB angeordnet". Da somit nach dem Begleitschreiben der Beschwerdeführerin auch für die in der Ausschreibung unter Punkt

2.1 geregelten Punkte (Gewährleistungsfrist, Gerichtsstand) die AGB der Beschwerdeführerin gelten sollen und die AGB in diesen Punkten von der Ausschreibung abwichen, liege "zivilrechtlich eine Dissenssituation und vergaberechtlich … die Verwirklichung des Ausscheidenstatbestandes nach § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006" vor. Daran ändere § 108 Abs. 2 BVergG 2006 nichts, weil diese Bestimmung nicht eine Umdeutung eines Angebotes gegen seinen Erklärungswert bewirken könne, zumal sonst der in § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 genannte Fall des Widerspruchs zu den Ausschreibungsbedingungen niemals eintreten könne.

Da das Angebot der Beschwerdeführerin demnach auszuscheiden gewesen wäre und somit für eine Zuschlagserteilung von vornherein nicht in Betracht komme, könne ihr durch die bekämpfte Zuschlagsentscheidung, selbst wenn diese rechtswidrig wäre, kein Schaden im Sinne des § 3 Abs. 1 VNPG erwachsen, sodass der Beschwerdeführerin keine Legitimation zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung zukomme.

Zur Abweisung des Antrages auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) verwies die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag nicht teilweise obsiegt im Sinne des § 20 Abs. 5 VNPG habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, wie auch die erstmitbeteiligte Auftraggeberin, eine Gegenschrift erstattet haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Burgenländischen Vergabenachprüfungsgesetzes - VNPG, LGBl. Nr. 34/2003, lauten auszugsweise:

"§ 2. (1) Die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Die Nachprüfungsverfahren sind Nichtigerklärungsverfahren (§ 3 Abs. 1) oder Feststellungsverfahren (§ 4 Abs. 1).

(2) Bis zur Zuschlagserteilung ist der Unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
2.
zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

§ 3. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

§ 20. (1) Für Anträge auf Nichtigerklärung, Feststellung, Teilnahme am Nachprüfungsverfahren oder auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der Antragsteller bei Antragstellung eine Pauschalgebühr zu entrichten.

(5) Der vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat - wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller - hat gegen den Antragsgegner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren."

Das Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006), BGBl. I Nr. 17/2006, lautet auszugsweise:

"§ 108. …

(2) Mit der Abgabe seines Angebotes erklärt der Bieter, dass er die Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen kennt, dass er über die erforderlichen Befugnisse zur Ausführung des Auftrages verfügt, dass er die ausgeschriebene Leistung zu diesen Bestimmungen und den von ihm angegebenen Preisen erbringt, und dass er sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot bindet.

§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind;

…"

Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die von den "Vergabekontrollbehörden überwiegend geübte Spruchpraxis", Nachprüfungsanträge von Bietern als unzulässig zurückzuweisen, wenn deren Angebot auszuscheiden gewesen wäre. Dazu ist sie auf die mittlerweile ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0095, mwN, insbesondere auch mit Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0200, das auf das C- 249/01, Hackermüller, Bezug nimmt) zu verweisen, wonach die Nachprüfungsbehörde befugt - und gerade bei hinreichend konkreten Einwänden einer Verfahrenspartei auch verpflichtet - ist, bei der Überprüfung, ob dem Antragsteller durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder droht und sein Antrag daher gemäß § 320 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 (diese Bestimmung entspricht dem gegenständlich maßgebenden § 3 Abs. 1 VNPG) zulässig ist, auch zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre. Im zitierten Erkenntnis wurde auch ausgeführt, der Umstand, dass der Vergabekontrollbehörde (im Gegensatz zum Auftraggeber) keine Zuständigkeit zukommt, Angebote auszuscheiden, ändere nichts daran, dass die Behörde die Zulässigkeit von Anträgen (und damit das Vorliegen eines Ausscheidungsgrundes) zu prüfen hat.

Zu Recht bestreitet die Beschwerdeführerin aber, dass ihr Angebot im Widerspruch mit der Ausschreibung stehe und insoweit der Ausscheidungstatbestand des § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 verwirklicht sei. Dazu bringt sie vor, sie habe in ihrem Begleitschreiben zum Angebot unter Punkt 2.1 ausdrücklich die Ausschreibung mit allen ihren Bestimmungen anerkannt und zum Inhalt ihres Angebotes gemacht. Auch aus § 108 Abs. 2 BVergG 2006 ergebe sich, dass der Bieter mit der Abgabe des Angebotes die Ausschreibungsbedingungen anerkenne. Die AGB der Beschwerdeführerin erfassten daher nur jene Bereiche, die nicht in der Ausschreibung oder im Bundesvergabegesetz geregelt seien. Da die gegenständliche Ausschreibung Vorgaben über die Gewährleistung, Gerichtsstand und Liefertermin für die Testversion enthalte, gälten diesbezügliche abweichende AGB der Beschwerdeführerin nicht. Das Angebot der Beschwerdeführerin wäre sohin nicht auszuscheiden und ihr Nachprüfungsantrag nicht zurückzuweisen gewesen.

Wie sich aus dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0200, und dem dort verwiesenen Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0102, ergibt, ist vor dem Hintergrund des § 108 Abs. 2 BVergG 2006 die Annahme, ein Bieter wolle ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen, nur dann gerechtfertigt, wenn er dies - klar - zum Ausdruck bringt. Diese Voraussetzung hat der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen nicht als gegeben erachtet, wenn ein Bieter im unterfertigten Angebot seine eigenen (mit den Ausschreibungsbestimmungen nicht im Einklang stehenden) AGB erwähnt oder diesem anschließt.

Auch im gegenständlichen Fall fehlt ein klar zum Ausdruck gebrachter Widerspruch des Angebotes der Beschwerdeführerin mit den Vorgaben der Ausschreibung. Zwar verweist die Beschwerdeführerin in ihrem Begleitschreiben zu Punkt 2.1 auf ihre eigenen AGB, hat aber im Satz davor ausdrücklich festgehalten, dass Basis ihres Angebotes Punkt 2.1 der Ausschreibung - und damit die unstrittig dort enthaltenen Regelungen der Auftraggeberin betreffend Gewährleistungsfrist und Gerichtsstand - sind. Bei diesem Sachverhalt kann nicht davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin habe ihrem Angebot hinsichtlich Gewährleistungsfrist und Gerichtsstand unmissverständlich ihre eigenen AGB zu Grunde legen wollen.

Ebenso wenig eindeutig hat die Beschwerdeführerin durch den Verweis auf ihre AGB zum Ausdruck gebracht, ihr Angebot weiche von dem in der Ausschreibung vorgegebenen als spätesten Termin für die Präsentation der Software-Testversion ab. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die AGB der Beschwerdeführerin in diesem Punkt - wie nachstehend wiedergegeben - schon in sich unklar formuliert sind und im Übrigen von einem Liefertermin und nicht von dem in der Ausschreibung genannten Termin für die Präsentation sprechen:

"Die Liefertermine für die Testphase werden so festgelegt, dass eine Inbetriebnahme für die Testphase vom Auftragnehmer spätestens 15 Tage nach Lieferung gemäß Terminplan erfolgt."

Nach dem Gesagten ist die belangte Behörde daher unzutreffend davon ausgegangen, dass das Angebot der Beschwerdeführerin ausschreibungswidrig sei und als Folge dessen gemäß § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen wäre. Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, die Beschwerdeführerin sei nicht legitimiert, den gegenständlichen Nachprüfungsantrag zu stellen.

Der angefochtene Bescheid war somit sowohl in seinem Spruchpunkt 1.) als auch in dem darauf aufbauenden Spruchpunkt 2.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am