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VwGH vom 17.09.2009, 2009/07/0103

VwGH vom 17.09.2009, 2009/07/0103

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/07/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde der H H GmbH in L, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Bahnhofgürtel 59/7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , Zl. VIe- 53.0010, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung nach dem Altlastensanierungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt an einem Standort in Vorarlberg eine Abfallbehandlungsanlage zur Herstellung von Sekundärbrennstoffen. In dieser Anlage werden bestimmte Produktionsabfälle aus der kunststoff- und textilverarbeitenden Industrie aufbereitet und daraus Pellets hergestellt, die als Brennstoff an Industriebetriebe verkauft werden. Gemäß dem Feststellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom handelt es sich bei diesem Endprodukt um keinen Abfall im Sinne des AWG 1990.

Mit dem an die Bezirkshauptmannschaft D (BH) gerichteten Schreiben vom in Verbindung mit der Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG) für den Zeitraum ab festzustellen, dass die von der Beschwerdeführerin in ihrer Aufbereitungsanlage vorgenommene "qualitätsgesicherte Verwendung von sortenreinen Produktionsabfällen aus der kunststoff- und textilverarbeitenden Industrie zu(r Herstellung von) Pellets keine beitragspflichtige Tätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 ALSAG darstellt."

Dem liegt die im Antrag näher begründete Auffassung der Beschwerdeführerin zugrunde, der seit geltende § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG idF der Novelle BGBl. I Nr. 136/2004, wonach das Verwenden von Abfällen zur Herstellung von Brennstoffprodukten dem Altlastensanierungsbeitrag unterliegt, sei verfassungswidrig. Prinzipiell sei nämlich die stoffliche Verwertung von Abfällen nicht von der Altlastenbeitragspflicht erfasst. Jedoch unterliege die stoffliche Verwertung von Abfällen zur Herstellung von Brennstoffprodukten in unsachlicher und systemwidriger Weise im Gegensatz zu anderen Arten der stofflichen Verwertung (z.B. die Herstellung von Plastikgranulat aus Verpackungsabfall zur Produktion von Petflaschen) der Beitragspflicht nach dem ALSAG. Das sei gleichheitswidrig und damit offenkundig verfassungswidrig. Die Behörde sei aber verpflichtet, "offenkundig verfassungswidrige Gesetze nicht anzuwenden oder wenigstens verfassungsgemäß zu interpretieren."

Diesen Antrag wies die BH mit Bescheid vom als unzulässig zurück. Aus § 10 ALSAG gehe klar hervor, dass die Behörde nur in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners festzustellen habe, ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliege. Ein solcher Zweifelsfall liege hier aber nicht vor. Vielmehr stehe außer Zweifel, dass die Beschwerdeführerin aus Abfällen Sekundärbrennstoffe herstelle und somit einen Tatbestand verwirkliche, der gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG dem Altlastenbeitrag unterliege. Sei aber die Beitragspflicht offenkundig, so sei der Antrag auf Feststellung, ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliege, als unzulässig zurückzuweisen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 97/04/0127).

Zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit sei der Beschwerdeführerin - so begründete die BH noch weiter - zu entgegnen, dass die Grenze jeglicher Auslegung und somit auch der verfassungskonformen Interpretation der Wortlaut des Gesetzes sei. Im vorliegenden Fall könnten aufgrund des eindeutigen und klaren Wortlauts Zweifel über den Inhalt der Regelung nicht aufkommen, sodass eine Untersuchung, ob nicht etwa eine verfassungskonforme Interpretation einen anderen Inhalt ergeben würde, nicht möglich sei.

Der dagegen erhobenen Berufung hat der Landeshauptmann von Vorarlberg (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom nicht stattgegeben und (wiederholend) ausgesprochen, dass der Feststellungsantrag als unzulässig zurückgewiesen werde.

Im vorliegenden Fall bestünden für die Beschwerdeführerin Zweifel über das Vorliegen einer beitragspflichtigen Tätigkeit. Diese Bedenken seien jedoch nicht inhaltlicher, sondern rein rechtlicher Art. Die Beschwerdeführerin zweifle offensichtlich an der Verfassungskonformität des § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG. Sie mache die Systemwidrigkeit dieser Bestimmung geltend und orte - dem Berufungsvorbringen zufolge auch - einen Widerspruch zu "supranationalem Europarecht", bringe hingegen weder in ihrem Feststellungsantrag, noch in der Berufung begründete Zweifel über das Bestehen einer Beitragspflicht "aus sachlichen Gründen" vor.

Hinsichtlich der "Aufforderung" der Beschwerdeführerin, die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG aufgrund einer vermuteten Verfassungswidrigkeit nicht anzuwenden bzw. verfassungskonform zu interpretieren, könne gesagt werden, dass "der Konformitätsregel zufolge die Gesamtrechtsordnung gemeinschaftsrechtskonform und das unter der Bundesverfassung stehende Recht verfassungskonform zu interpretieren" sei. "Solche korrigierenden 'konformen' Interpretationen" seien jedoch nur in Zweifelsfällen und nur im Rahmen der durch den Wortlaut der Bestimmung gesetzten Grenzen zulässig. Im vorliegenden Fall ergäben sich aufgrund der eindeutigen Formulierung der anzuwendenden Gesetzesstelle jedoch "weder Zweifel, welche geeignet sind, einen Interpretationsspielraum zu bewirken, noch ist die beanstandete Bestimmung aufgrund ihres Wortlautes einer breiten Auslegung zugänglich." Die in Rede stehende Norm sei daher einer Überprüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch die Berufungsbehörde nicht zugänglich. Abschließend fasste die belangte Behörde zusammen, es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, einen begründeten Zweifelsfall geltend zu machen, weshalb der Antrag auf Feststellung der Beitragsfreiheit als unzulässig zurückzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 2069/06-9, ablehnte, und die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, zu der sich die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom äußerte. Zu dieser Äußerung erstattete die belangte Behörde eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Übermittlung der Verwaltungsakten durch den Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Voranzustellen ist, dass die Beschwerde - entgegen dem Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde - nicht verspätet erhoben wurde. Ausgehend von den Angaben am Rückschein, wonach die Abholfrist noch am Tag des erfolglosen Zustellversuches am begonnen habe, lief die sechswöchige Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG rechnerisch am Freitag, dem , ab. Da dieser Tag jedoch ein gesetzlicher Feiertag ist, endete die Beschwerdefrist vor dem Hintergrund des § 33 Abs. 2 AVG, wonach der nächste Werktag der letzte Tag der Frist ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder auf einen gesetzlichen Feiertag fällt, erst mit Ablauf des folgenden Montag, dem . Die an diesem Tag zur Post gegebene Beschwerde erweist sich daher jedenfalls als rechtzeitig. Bei diesem Ergebnis war auf die wechselseitigen Ausführungen der Parteien betreffend den Zustellvorgang nicht einzugehen und über den (nur für den Eventualfall) gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr zu entscheiden.

2. Der Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin vom hat seine verfahrensrechtliche Grundlage in der Z 3 des § 10 Abs. 1 ALSAG, der in der (damals und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden) Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 lautete:

"Feststellungsbescheid

§ 10. (1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
ob eine Sache Abfall ist,
2.
ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,
3.
ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt,
4.
welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 vorliegt,
5.
ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden,
6. welcher Deponietyp gemäß § 6 Abs. 4 vorliegt."
Sache des Berufungsverfahrens war allein die Frage, ob die Erstbehörde den von der Beschwerdeführerin gestellten und auf § 10 ALSAG gestützten Feststellungsantrag zu Recht wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen - Nichtvorliegen eines "begründeten Zweifelsfalles" im Sinne des Einleitungssatzes des Abs. 1 - zurückgewiesen hat. Das bejahte die belangte Behörde, wies demzufolge die Berufung der Beschwerdeführerin ab und bestätigte die bekämpfte Antragszurückweisung.
Der seit geltende § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG idF der Novelle BGBl. I Nr. 136/2004 normiert, dass das Verwenden von Abfällen zur Herstellung von Brennstoffprodukten dem Altlastenbeitrag unterliegt. Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht nicht zweifelhaft, zumal die Beschwerdeführerin unstrittig bestimmte Produktionsabfälle aus der kunststoff- und textilverarbeitenden Industrie verwendet und daraus nach einer entsprechenden Aufbereitung in ihrer Abfallbehandlungsanlage Pellets herstellt, die als Brennstoff an Industriebetriebe verkauft werden. Insoweit liegt daher unbestritten kein "begründeter Zweifelsfall" vor.
Vorliegend stellt sich nur die zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Frage, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine die Beitragspflicht anordnende Bestimmung das Vorliegen eines "begründeten Zweifelsfalls" im Sinne des § 10 Abs. 1 ALSAG bewirken können.
Das Feststellungsverfahren nach der genannten Bestimmung hat den Zweck, über strittige (Vor-)Fragen bescheidmäßig abzusprechen und sie damit in verbindlicher Weise für die jeweiligen Beitragsfestsetzungen zu klären. Es soll damit zur Rechtssicherheit und Verfahrensbeschleunigung beitragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Sinn bereits mehrfach ausgesprochen, ein Verfahren nach § 10 Abs. 1 ALSAG diene der bescheidmäßigen Klärung und damit der rechtswirksamen Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen der Altlastenbeitragspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/07/0174; siehe auch zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0150). Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme einer Beitragspflicht kann aber nicht nur aus tatsächlichen, sondern auch aus rechtlichen Gründen zweifelhaft sein, beispielsweise weil die Frage der Auslegung einer Norm des ALSAG strittig ist. Entgegen der Meinung der belangten Behörde ist daher ein mit Bedenken "rein rechtlicher Art" begründeter Feststellungsantrag - wie die Beschwerde im Ergebnis zu Recht geltend macht - nicht unzulässig (vgl. etwa die den Fall der Klärung nur einer Rechtsfrage betreffenden Erkenntnisse vom , Zl. 2004/07/0204, und vom , Zl. 2001/07/0045).
Im Übrigen haben sich sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit und der Frage, ob sich § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG verfassungskonform in dem Sinn auslegen ließe, dass die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Form der Abfallverwertung darunter nicht zu subsumieren sei, inhaltlich mit dem Ergebnis auseinandergesetzt, dass eine derartige (nach Meinung der Beschwerdeführerin verfassungsrechtlich gebotene) Auslegung im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nicht möglich sei. Davon ausgehend wäre der Antrag aber nicht als unzulässig zurückzuweisen gewesen, sondern im Einklang mit diesem Ergebnis der vorgenommenen inhaltlichen Prüfung der Antragsbegründung eine positive Feststellung über das Bestehen der Beitragspflicht zu treffen gewesen.
Da die von der belangten Behörde bestätigte Antragszurückweisung somit keine Grundlage im Gesetz hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am