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VwGH vom 20.05.2010, 2009/07/0099

VwGH vom 20.05.2010, 2009/07/0099

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/07/0100 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde der F GmbH in R., vertreten durch Anzböck Brait Rechtsanwälte GmbH, in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. WA1- W-42651/001-2008, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: GP in B., vertreten durch Dr. Ronald Rödler, Rechtsanwalt in 2460 Bruck/Leitha, Lagerhausstraße 4/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft B. (im Folgenden: BH) die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zur Wasserentnahme aus dem L.- Werkskanal für die Bewässerung eines näher genannten Grundstückes im Gesamtausmaß von 6,57 ha.

Die BH beraumte zu diesem Vorhaben für eine mündliche Verhandlung an.

In dieser Verhandlung erstatteten Amtssachverständige auf den Gebieten der Landwirtschaft, Geohydrologie, Hydrologie, Gewässerbiologie und Wasserbautechnik sowie Gewässerschutz fachkundige Stellungnahmen.

Mit Eingabe vom sprach sich die beschwerdeführende Partei als Betreiberin einer Kanal abwärts gelegenen Wasserkraftanlage gegen die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für das Vorhaben des Mitbeteiligten aus.

Mit Schreiben vom ersuchte die BH den hydrologischen Amtssachverständigen um "dringende Stellungnahme", ob bzw. welche Auswirkungen durch die Wasserentnahme auf die Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei zu erwarten seien.

In seiner Stellungnahme vom berief sich der hydrologische Amtssachverständige auf Abflussmessungen am L.- Werkskanal im Brückenbereich einer Landesstraße, die am 13. Februar und am durchgeführt worden seien. Demnach betrage die Absenkung bei einer Wasserentnahme von - wie vom Mitbeteiligten beantragt - maximal 17,3 l/s bei einer Wasserführung von 8 m3/s rund 2,4 mm im Profil des Brückenbereichs der Landesstraße. Bei einer Wasserführung von 4,013 m3/s ergebe sich eine Absenkung von etwa 3,2 mm. Diese genannten Absenkungen seien rechnerische (theoretische) Ermittlungen. Die Entnahme der Wassermenge von 17,3 l/s liege im Schwankungsbereich der Ablesegenauigkeit auf der Pegellatte und der Messgenauigkeit bei der Durchflussmessung.

Dazu nahm die beschwerdeführende Partei mit einer an die BH gerichteten Eingabe vom Stellung. Darin führte sie aus, dass es nicht darauf ankomme, in welchem Ausmaß sich der Wasserspiegel im L.-Werkskanal ändere oder nicht. Entscheidend sei vielmehr, dass 17,3 l/s aus dem L.-Werkskanal vor der Wasserkraftanlage entnommen würden und diese 17,3 l/s bei der Wasserkraftanlage nicht mehr ankämen. Dadurch ergebe sich für die Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei "eine Mindererzeugung". Demnach seien die durchgeführten Messungen kein taugliches Mittel, um "eine wasserrechtliche Bewilligung herbeizuführen".

Mit Bescheid der BH vom wurde dem Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung zur Wasserentnahme aus dem L.-Werkskanal linksufrig im Bereich eines näher genannten Grundstückes zur Beregnung eines Grundstückes mit einer Entnahmemenge von maximal 62,3 m3/h = 17,3 l/s bei maximal 6.436,6 m3/Jahr gemäß den Projektunterlagen und der Verhandlungsschrift vom unter näher genannten Bedingungen und Auflagen befristet bis erteilt. Ferner wurde das Wasserbenutzungsrecht mit dem Eigentum an der Beregnungsanlage verbunden (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurden die Einwendungen der beschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die BH unter anderem aus, aus der Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen vom gehe hervor, dass keine Beeinträchtigung der Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei gegeben sei. Ebenso sei durch die Auflagen des vorliegenden Bescheides sichergestellt, dass bei Unterschreiten einer Durchflussmenge von 4,0 m3/s keine Wasserentnahme erfolge.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde. Begründend führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sich die Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen vom lediglich mit der Senkung des Wasserspiegels auf der Basis durchgeführter Messungen auseinander setze. Insoweit erscheine es bezeichnend, dass der Amtssachverständige konkrete Ausführungen zu einer Beeinträchtigung der Rechte der beschwerdeführenden Partei selbst nicht tätige. Die konkrete Beeinträchtigung ergebe sich jedoch aus der Tatsache, dass die vom Mitbeteiligten entnommene Wassermenge letztendlich "zur Einspeisung in die Wasserkraftanlage" fehle. Dies führe "periodenmäßig hochgerechnet zu doch im Ergebnis nicht unbeträchtlichen betriebswirtschaftlichen Verlusten" und somit auch zur Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes der beschwerdeführenden Partei. Die BH hätte vielmehr darüber hinaus ein Gutachten darüber einzuholen gehabt, inwieweit die Produktions- und Einspeisungsmengen der Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei im Falle der Bewilligung des gegenständlichen Vorhabens beeinträchtigt würden. Nur dadurch wäre eine konkrete Beeinträchtigung ihrer Rechte darstellbar gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und die Frist für das Wasserbenutzungsrecht "bis " geändert.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die BH ihrer Entscheidung das ergänzend eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie vom zugrunde gelegt habe. Dieses Gutachten beruhe auf rechnerischen Messungen im hier relevanten Bereich des L.-Werkskanals. Es seien im Bescheid der BH auch tabellarisch Pegelmessungen dargestellt, die die Pegelstände vor und nach Abzug der Konsenswassermenge betreffend die Entnahme für die beantragte Beregnung aufzeigten. Dabei komme der Amtssachverständige auf Grund der geringen Millimeter-Auswirkungen (Absenkung des Wasserstandes) zum Schluss, dass die festgestellten Änderungen "im Schwankungsbereich der Ablesegenauigkeit auf der Pegellatte und der Messgenauigkeit bei der Durchflussmessung" lägen.

Auswirkungen von Wasserentnahmen in Gewässern würden stets in Form der Änderung des Wasserstandes gemessen. Sämtliche Anlagen bzw. Maßnahmen zur Mengensteuerung und Dosierung "des Mediums Wasser" erfolgten über Pegelstände. Mit ihren Ausführungen, wonach keine Berechnungen hinsichtlich der tatsächlich entnommenen Wassermenge angestellt worden seien, überspanne die beschwerdeführende Partei den Bogen der fachlichen Praxis. Selbst wenn man unterstellen würde, dass mit einer anderen Messmethodik andere Ergebnisse erzielt würden, erscheine es "mit den Denkgesetzen der Logik" so gut wie ausgeschlossen, hinsichtlich "Ablese- und Messgenauigkeit gravid abweichende Ergebnisse" als mit der hier vorgenommenen Methode zu erzielen.

Somit bleibe die Tatsache, dass sich die Auswirkungen der konkreten Wasserentnahme im Schwankungsbereich der Analysegenauigkeit bewegten und damit für den Betrieb der Wasserkraftanlage so gut wie nicht spürbar bzw. vernachlässigbar seien. Außerdem werde durch Vorschreibung der Auflage Nr. 2 (Verbot der Wasserentnahme, wenn eine Durchflussmenge von 4 m3 unterschritten werde) neben dem Schutz von öffentlichen Interessen auch die (erst) dann entstehende und dann (auch rechtlich) relevante Beeinträchtigung des Wasserrechtes der beschwerdeführenden Partei hintangehalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift - ebenso wie der Mitbeteiligte - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 12 und des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 lauten auszugsweise:

"§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

...

§ 102. (1) Parteien sind:

...

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;"

Die Beschwerdeführerin führt aus, dass sich die belangte Behörde lediglich auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Hydrologie vom stütze und daraus ableite, dass keine "wasserrechtliche Beeinträchtigung" vorliege. Diese Stellungnahme setze sich jedoch lediglich auf Basis durchgeführter Messungen mit der Senkung des Wasserspiegels auseinander, nehme jedoch keinen Bezug auf die tatsächlich entnommene Wassermenge. Die Fehlmenge, die nicht in das Kraftwerk der Beschwerdeführerin eingespeist und somit auch nicht in Energie umgewandelt werden könne, führe im Ergebnis zu entsprechenden Minderentnahmemengen und periodenmäßig hochgerechnet zu nicht unbeträchtlichen betriebswirtschaftlichen Verlusten. Dadurch komme es sehr wohl zu einer Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes der Beschwerdeführerin. Bei mängelfreier Durchführung des Verfahrens hätte ein weiteres Gutachten dazu eingeholt werden müssen, inwieweit die "Einspeisungsmengen" bzw. Kapazitäten der Beschwerdeführerin im Falle der Bewilligung des gegenständlichen Vorhabens beeinträchtigt würden.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.

Nach ständiger hg. Judikatur kommt den Inhabern der in § 12 Abs. 2 WRG 1959 genannten Rechte Parteistellung dann zu, wenn eine Berührung ihrer Rechte durch die projektsgemäße Ausübung des mit der behördlichen Bewilligung verliehenen Rechts der Sachlage nach nicht auszuschließen ist. Ob eine Beeinträchtigung dieses Rechtes tatsächlich stattfindet, ist Gegenstand des Verfahrens, berührt jedoch nicht die Parteieigenschaft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/07/0019, mwN).

Die belangte Behörde meint, dass sich die Auswirkungen der konkreten Wasserentnahme gemäß der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Hydrologie vom im Schwankungsbereich der Analysegenauigkeit bewegten und damit für den Betrieb der Wasserkraftanlage so gut wie nicht spürbar bzw. vernachlässigbar seien. Eine Berechnung hinsichtlich der tatsächlich entnommenen Wassermenge würde "den Bogen der fachlichen Praxis" überspannen.

Die von der belangten Behörde aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Hydrologie vom gezogenen Schlussfolgerungen sind jedoch im gegebenen Zusammenhang für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Der hydrologische Amtssachverständige trifft in seiner Stellungnahme lediglich Aussagen zur Absenkung des Wasserspiegels durch die Wasserentnahme bei unterschiedlicher Wasserführung im L.-Werkskanal und gibt zu verstehen, dass die genannten Absenkungen rechnerische (theoretische) Ermittlungen seien. Die belangte Behörde ist offenbar der Ansicht, aus der sachverständigen Feststellung, wonach sich die Entnahme der vom Mitbeteiligten beantragten Wassermenge "im Schwankungsbereich der Ablesegenauigkeit auf der Pegellatte und der Messgenauigkeit bei der Durchflussmessung" bewege, in rechtlicher Hinsicht eine Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes des Beschwerdeführers ausschließen bzw. in ihren Auswirkungen als vernachlässigbar ansehen zu können. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass sich zu den Auswirkungen der Wasserentnahme durch den Mitbeteiligten auf die Wasserkraftanlage der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen überhaupt keine Aussage findet. Wie der Amtssachverständige selbst zu verstehen gibt, enthält seine Stellungnahme lediglich rechnerische Ermittlungen zur Absenkung des Wasserspiegels im L.-Werkskanal.

Rechtliche Folgerungen aus einem Gutachten, wonach eine Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts gemäß § 12 Abs. 2 WRG 1959 nicht vorliege, setzen aber zum einen Feststellungen über Inhalt und Ausmaß dieses Rechtes und zum anderen ein auf sachverständiger Ebene erfolgtes Eingehen auf dieses Recht und dessen allfällige Beeinträchtigung voraus (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/07/0007, und vom , Zl. 2003/07/0131, mwN).

In diesem Zusammenhang finden sich weder solche Feststellungen zum Recht der Beschwerdeführerin, noch gingen die Amtssachverständigen auf dieses Recht der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Auswirkungen des verfahrensgegenständlichen Projektes ein. Deshalb konnte die belangte Behörde überhaupt keine rechtlichen Schlussfolgerungen über eine allfällige Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes der Beschwerdeführerin vornehmen.

Auf Grund dieser mangelhaften Feststellungen scheint es für den Verwaltungsgerichtshof beim gegenwärtigen Ermittlungsstand - auch im Hinblick auf einen möglichen Summationseffekt auch andere Wasserentnahmen - nicht ausgeschlossen, dass es infolge der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten "Minderentnahmemengen" zu einer Beeinträchtigung ihres Wasserbenutzungsrechtes kommen könnte.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte Umsatzsteuer. Deren Ersatz ist bereits im pauschalierten Kostenersatz enthalten.

Wien, am