VwGH vom 09.08.2022, Ra 2022/05/0037
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revisionen von 1. H A, 2. Mag. R K und 3. M F, alle vertreten durch die ENGINDENIZ Rechtsanwälte für Immobilienrecht GmbH in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 6/5, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien 1. vom , VGW-011/030/6592/2020-9 (protokolliert zu Ra 2022/05/0037), und 2. und 3. jeweils vom , 2. VGW-011/030/6590/2020-9 (protokolliert zu Ra 2022/05/0039) und 3. VGW-011/030/6588/2020-8 (protokolliert zu Ra 2022/05/0041), jeweils betreffend Übertretungen nach der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden jeweils wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den revisionswerbenden Parteien jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden jeweils abgewiesen.
Begründung
1Die revisionswerbenden Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer und -eigentümerinnen einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien.
2Mit Straferkenntnissen der belangten Behörde jeweils vom wurde über die revisionswerbenden Parteien gemäß § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) jeweils eine Strafe in der Höhe von EUR 1.100,00 (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Stunden) verhängt. Weiters wurden sie jeweils zu einem Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von EUR 110,00 verpflichtet. Sie hätten näher bezeichnete bauliche Änderungen an ihrem Wohnhaus - unter anderem betreffend Kellerabteile und Loggien - abweichend von einem Bescheid vom und einer Bauanzeige vom vorschriftswidrig vorgenommen und nicht beseitigt. Dies betreffe die Zeiträume bis und bis .
3Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien jeweils Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht). In den Beschwerden brachten sie unter anderem vor, dass sie und alle anderen Mit- und Wohnungseigentümer der betroffenen Liegenschaft seit Jahren alles versucht hätten, um möglichst rasch zur Erteilung einer Baubewilligung für die verfahrensgegenständlichen baulichen Änderungen zu gelangen. Um eine unter Umständen jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung mit einigen wenigen Eigentümern zu vermeiden, die den bereits beschlossenen Baumaßnahmen nicht zustimmten, sei im Beschlussanfechtungsverfahren vor dem Bezirksgericht Döbling am ein bedingter Vergleich abgeschlossen worden. Nach Ablauf der Widerrufsfrist sei dessen Rechtswirksamkeit am bestätigt worden. Der Einreichplan habe in der Folge nach den in der Verhandlung vom ad hoc geäußerten Vorgaben der drei beschlussanfechtenden Wohnungseigentümer geändert werden müssen. Erst danach hätten die Unterschriften aller Eigentümer auf dem Einreichplan eingeholt werden können. Dabei sei es wegen eines Eigentümerwechsels bei manchen Wohnungen zu Verzögerungen gekommen. Anfang Juni 2019 habe der Einreichplan von allen Eigentümern unterfertigt werden können; die Einreichung sei am erfolgt. Für den Zeitraum von 12. Februar bis treffe die revisionswerbenden Parteien daher kein Verschulden. Schließlich sei es zu einer Zurückweisung des Bauansuchens wegen Formmängeln gekommen; diese sei am in Rechtskraft erwachsen. Die Verbesserung der zahlreichen Beanstandungen der Baubehörde habe wiederum Zeit in Anspruch genommen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft bestehe aus annähernd 50 Mit- bzw. Wohnungseigentümern, sodass die Abwicklung einer Baueinreichung eine zeit- und arbeitsintensive Maßnahme darstelle. Daher treffe die revisionswerbenden Parteien auch für den Zeitraum von 12. Oktober bis kein Verschulden.
4Mit den angefochtenen Erkenntnissen gab das Verwaltungsgericht gleichlautend allen Beschwerden teilweise statt und setzte die Geldstrafe jeweils auf EUR 750,00 (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Stunden) herab. Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde wurde jeweils auf EUR 75,00 reduziert, ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens wurde nicht auferlegt. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils für nicht zulässig.
5In den - im Wesentlichen gleichlautenden - angefochtenen Erkenntnissen stellte das Verwaltungsgericht dabei jeweils den Verfahrensgang allein durch wörtliche Wiedergabe aus dem jeweiligen Straferkenntnis, der jeweiligen Beschwerde und den Verhandlungsprotokollen dar. Als Sachverhalt stellte es den Wortlaut des Spruchs des jeweiligen Straferkenntnisses auszugsweise fest. Die Beweisergebnisse würdigte es - ausschließlich - in dieser Form: „Im gesamten Verfahren kamen keinerlei Hinweise zu tage, dass die den Straferkenntnissen zu Grunde gelegten Sachverhalte nicht den Tatsachen entsprechen, weshalb von dessen Vorliegen im festgestellten Umfang ausgegangen werden konnte.“
6Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, ein Täter könne gemäß § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden treffe. Bei einer Übertretung des § 129 BO könne dies nur in der Weise erfolgen, dass der Eigentümer glaubhaft mache, alles in seinen Kräften Stehende unternommen zu haben, um den gesetzmäßigen Zustand in kürzester Frist herbeizuführen. Den revisionswerbenden Parteien sei es „im festgestellten Umfang“ nicht gelungen nachzuweisen, alles unternommen zu haben, um die inkriminierten Abweichungen vom gültigen Konsens abzuwenden. Es sei weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen, dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe habe nur im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Herstellung des konsensmäßigen Zustandes herabgesetzt werden können.
7Dagegen richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die zu ihrer Zulässigkeit unter anderem jeweils vorbringen, das Verwaltungsgericht habe gegen die näher bezeichnete ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verstoßen, was im konkreten Fall auch von Relevanz sei. Eine Überprüfung des rechtlichen Inhalts der angefochtenen Erkenntnisse sei nicht möglich. Trotz umfangreichen Vorbringens der revisionswerbenden Parteien zu ihrem mangelnden Verschulden finde sich in den Feststellungen keinerlei Hinweis auf ein Vorliegen oder Nichtvorliegen des subjektiven Tatbestandes.
8Die belangte Behörde erstattete (gleichlautende) Revisionsbeantwortungen, in denen sie jeweils die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revisionen beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionen wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
9Die Revisionen erweisen sich schon aus dem genannten Zulässigkeitsgrund als zulässig. Sie sind auch begründet.
10Die vorliegenden Fälle gleichen im Hinblick auf das in den Revisionen erstattete Vorbringen und den maßgeblichen Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Aspekten sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht jenen Fällen, die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/05/0033 ua., zu Grunde lagen. Auf dessen Begründung wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Auch die vorliegend angefochtenen Erkenntnisse erschöpfen sich in einer wörtlichen Wiedergabe des Spruchs des jeweiligen Straferkenntnisses, der jeweiligen Beschwerde und den Verhandlungsprotokollen als Darstellung des Verfahrensgangs, gefolgt von Feststellungen in Form einer auszugweisen Wiedergabe des Spruchs des jeweiligen Straferkenntnis, einer kursorischen Beweiswürdigung im Umfang von einem Satz und der - aufgrund des Fehlens entsprechender Feststellungen - nicht überprüfbaren rechtlichen Beurteilung und genügen damit nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung. Ebenso fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem umfangreichen konkreten Tatsachenvorbringen der revisionswerbenden Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht u.a. zur Frage, dass während der angelasteten Tatzeiträume alles in ihren Kräften Stehende unternommen worden sei, um die verfahrensgegenständlichen Baugebrechen zu beheben. Das Verwaltungsgericht hat es auch unterlassen, diesbezügliche Feststellungen zu treffen.
11Dadurch entziehen sich die Erkenntnisse insgesamt der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof und vermögen mit ihrer wie dargestellt mangelhaften Begründung die Beurteilung, die revisionswerbenden Parteien hätten nicht glaubhaft machen können, alles in ihren Kräften Stehende unternommen zu haben, um die inkriminierten Abweichungen abzuwenden, nicht zu tragen (vgl. erneut VwGH, , Ra 2022/05/0033 u.a., mwN).
12Die angefochtenen Erkenntnisse erweisen sich daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und waren gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
13Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Die Mehrbegehren waren jeweils abzuweisen, da in dem für den Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (vgl. , 0026).
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050037.L01 |
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