VwGH vom 29.08.2022, Ra 2022/02/0150
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , 1. VGW-002/068/9310/2019-4, 2. VGW-002/068/11860/2020 und 3. VGW-002/068/11861/2020, in seiner mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom , 1. VGW-002/068/9310/2019-34, 2. VGW-002/068/11860/2020 und 3. VGW-002/068/11861/2020, berichtigten Form, betreffend Beschlagnahme und Verfall nach dem Wiener Wettengesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. B Gesellschaft m.b.H. in W und 2. Dr. O in W, beide vertreten durch die Knoetzl Haugeneder Netal Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Herrengasse 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, sohin zur Zahl VGW-002/068/9310/2019-4 hinsichtlich Spruchpunkt 1) (Aufhebung des Bescheides über die Beschlagnahme) und zu den Zahlen VGW-002/068/11860/2020 (betreffend den Zweitmitbeteiligten) und VGW-002/068/11861/2020 (betreffend die Erstmitbeteiligte) hinsichtlich Spruchpunkt 2), soweit er sich auf den Spruchpunkt III. des Straferkenntnisses des Magistrats der Stadt Wien vom 12. August, MA36/193600001131/2019, bezieht, mit dem der Verfall ausgesprochen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1Nach einer Kontrolle des Wettlokals H an einem näher bestimmten Ort am wurden sechs näher genannte Gegenstände (Wettinfoterminals, Wettannahmeautomaten, Wettannahmeschalter, sowie das darin befindliche Bargeld) vorläufig beschlagnahmt.
2Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde die Beschlagnahme dieser sechs Gegenstände, die der Ausübung der Tätigkeit der Erstmitbeteiligten als Wettunternehmerin gemäß § 23 Abs. 2 iVm Abs. 4 Wiener Wettengesetz gedient hätten, angeordnet, weil die Wettunternehmerinnentätigkeit entgegen § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz ausgeübt worden sei und daher der begründete Verdacht bestehe, dass mit diesen Gegenständen offenkundig gegen § 24 Abs. 1 iVm Abs. 4 Wiener Wettengesetz verstoßen werde.
3Dem angefochtenen Erkenntnis wie auch der vorliegenden Revision ist zu entnehmen, dass mit einem weiteren Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom die Betriebsschließung des fraglichen Wettlokals verfügt wurde und diese Betriebsschließung mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wieder aufgehoben wurde. Diese Bescheide wurden im Zuge der Aktenvorlage an den Verwaltungsgerichtshof dem Akt allerdings nicht beigeschlossen.
4Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom , MA36/193600001131/2019, wurde der Zweitmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Erstmitbeteiligten schuldig erkannt, er habe zu verantworten, dass zur Tatzeit im näher genannten Wettlokal, einer Betriebsstätte der Erstmitbeteiligten, wo eine ständige Aufsicht gemäß § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz gegeben sei, durch näher beschriebene Umstände kein geeignetes Kontrollsystem im Sinne des § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengsetz eingerichtet gewesen sei. Dadurch habe er § 9 Abs. 2 erster Satz und § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz verletzt. Über ihn wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage und 20 Stunden) verhängt (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde die Erstmitbeteiligte zum Ersatz der aus der Beschlagnahme und der Betriebsschließung erwachsenen Kosten (Barauslagen für Schlosserarbeiten) verhalten und mit Spruchpunkt III. die beschlagnahmten Gegenstände für verfallen erklärt.
5Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - soweit für den gegenständlichen Revisionsfall erheblich - u.a. der Beschwerde der Erstmitbeteiligten gegen den Bescheid über die Beschlagnahme stattgegeben und dieser behoben (Spruchpunkt 1) I.). Mit Spruchpunkt 2) I. wurde der Beschwerde hinsichtlich des Verfallsausspruches (Spruchpunkt III. des Straferkenntnisses vom ) stattgegeben und das Straferkenntnis in diesem Umfang behoben; im Übrigen (somit hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II.) wurde die Beschwerde abgewiesen und das Straferkenntnis vom mit einer gegenständlich nicht relevanten Maßgabe bestätigt.
6In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, dass den beiden Kontrollorganen von der im Wettlokal anwesenden Aufsichtsperson ohne Identitätskontrolle beim Drehkreuz Einlass gewährt worden sei. Wenn augenscheinlich keine Minderjährigkeit vorgelegen sei, habe die Aufsichtsperson das Drehkreuz per Tastendruck von ihrem Platz aus freigegeben. Eine Identitätskontrolle bzw. Kontrolle, ob jemand gesperrt sei, sei nur dann erfolgt, wenn jemand von sich aus zur Aufsichtsperson gegangen sei, um sich für die Ausstellung einer Kundenkarte - nur so war die Platzierung einer Wette möglich - zu registrieren.
7Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Beschlagnahme aus, dass die Erstmitbeteiligte entgegen der Verpflichtung des § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz nicht durch die Einrichtung eines geeigneten Kontrollsystems dafür gesorgt habe, dass der Aufenthalt in Räumen der Betriebsstätte nur volljährigen Personen ermöglicht wurde, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nachgewiesen hätten, zumal eine bloße Sichtkontrolle kein geeignetes Kontrollsystem im Sinn der gesetzlichen Bestimmung darstelle. Allerdings setze gemäß § 39 VStG die Beschlagnahme neben den beiden Tatbildmerkmalen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung - im Zeitpunkt der Beschlagnahme - und des für diese Delikte als Strafe angedrohten Verfalls als weiteres rechtserhebliches Merkmal voraus, dass eine Sicherung des Verfalls überhaupt geboten sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil mit der von der Behörde verfügten Betriebsschließung derselbe Sicherungszweck wie mit der Beschlagnahme verfolgt worden sei, nämlich die Verhinderung des Aufenthalts von minderjährigen Personen in Räumen der Betriebsstätte. Eine zusätzliche Beschlagnahme der Wettgeräte besitze daher keinen Mehrwert im Sinne einer weiteren notwendigen Sicherungsmaßnahme zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen, sodass eine Sicherung des Verfalls iSd § 39 VStG nicht geboten erscheine.
8Desweiteren könne eine Beschlagnahme iSd § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz dem Gesetzeswortlaut nach nur dann angeordnet werden, wenn der Verdacht bestehe, dass „die Tätigkeit der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers ohne oder entgegen einer Bewilligung oder einer Anzeige ausgeübt wird und mit Wettterminals oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen gegen das Landesgesetz verstoßen wird, offenkundig gegen eine in § 24 Abs. 1 Z 1 bis 18 genannten Vorschriften verstoßen wird“. Der Nebensatz „mit denen gegen das Landesgesetz verstoßen wird“ beziehe sich offenbar auf eine Übertretung des Wiener Wettengesetzes, welche mit den Wettterminals bzw den sonstigen Eingriffsgegenständen selbst begangen werde, dazu sei in diesem Zusammenhang auch die Regelung des § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz zum Verfall zu vergleichen. Verfahrensgegenständlich hätten die beschlagnahmten Geräte jedoch nicht der Begehung des angelasteten Verwaltungsdeliktes gedient, sondern habe die Übertretung im mangelhaft ausgeführten Kontrollsystem bestanden. Die belangte Behörde habe auch nicht geltend gemacht, dass ein Verdacht bestanden hätte, dass die Erstmitbeteiligte die Tätigkeit als Wettunternehmerin ohne oder entgegen einer Bewilligung oder einer Anzeige ausgeübt hätte; dem stünden auch die Feststellungen des Verwaltungsgerichts entgegen.
9Zur Aufhebung des Verfallsausspruchs führte das Verwaltungsgericht aus, dass dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz nach die angeführten Gegenstände nur dann für verfallen erklärt werden könnten, wenn sie entgegen diesem Landesgesetz aufgestellt, betrieben oder verwendet würden. Keine dieser drei Alternativvarianten sei verfahrensgegenständlich erfüllt, vielmehr handle es sich um ein mangelhaftes Kontrollsystem hinsichtlich des Aufenthalts lediglich volljähriger Personen in der Betriebsstätte. Die beschlagnahmten Gegenstände selbst seien aber nicht entgegen dem Wiener Wettengesetz aufgestellt, betrieben oder verwendet worden, sodass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Verfall der beschlagnahmten Gegenstände nicht gegeben seien.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde sowohl hinsichtlich des Beschwerdeabspruchs zu den Spruchpunkten 1) als auch 2) des angefochtenen Erkenntnisses für unzulässig erklärt.
10Die vorliegende außerordentliche Revision des Magistrates der Stadt Wien wurde am beim Verwaltungsgericht Wien eingebracht und von diesem am dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der angefochtenen Entscheidung und der Verfahrensakten der Behörde und des Verwaltungsgerichts samt Revisionsbeantwortung und Stellungnahme der Mitbeteiligten vorgelegt.
11Sie richtet sich in ihrem Anfechtungsumfang gegen Spruchpunkt 1) (Aufhebung des Beschlagnahmebescheids) zur Gänze und gegen Spruchpunkt 2) beschränkt auf die Aufhebung des mit Spruchpunkt III. des Straferkenntnisses vom ergangenen Verfallsausspruchs.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12Die Amtsrevision erachtet die Revision hinsichtlich der Aufhebung des Beschlagnahmebescheids als zulässig, weil das Verwaltungsgericht fälschlicherweise und in Abweichung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf , betreffend die Beschlagnahme von Tieren) angenommen habe, dass eine der Voraussetzungen für die Beschlagnahme nach § 39 VStG (hier iVm § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz), die Erforderlichkeit einer Sicherung des Verfalls, aufgrund der Betriebsschließung nicht gegeben sei. Mit der Beschlagnahme solle aber nicht der Schutzzweck der übertretenen Rechtsnorm wiederhergestellt werden, sondern sichergestellt werden, dass der Verfall auch faktisch erfolgen könne und die Eigentümerin der Gegenstände bzw. der Beschuldigte diese nicht fortschaffen könnten.
13Ferner bestehe keine Rechtsprechung zur Frage, ob die Beschlagnahme des für den Wettbetrieb erforderlichen Equipments bei einer Übertretung des § 19 Abs. 2 Wettengesetz möglich sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die beschlagnahmten Geräte nicht der Begehung des angelasteten Delikts gedient hätten und damit den Erfordernissen des § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz nicht entsprochen worden sei, denn ohne die Geräte wäre kein Wettbetrieb möglich gewesen und läge nicht die mit Bescheid bewilligte Betriebsstätte vor, in der der Aufenthalt von Minderjährigen verboten ist. Insofern hätten die beschlagnahmten Geräte dem Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz gedient.
14Schließlich widerspreche das Verwaltungsgericht auch der Rechtsprechung (Hinweis auf bis 0090, Rz 12, demzufolge ein angenommener Verdacht eines Verstoßes gegen das Wiener Wettengesetz eine Tätigkeit entgegen der eingeräumten Bewilligung darstelle), wenn es argumentiere, es hätte kein Verdacht bestanden, dass die Tätigkeit als Wettunternehmerin ohne oder entgegen einer Bewilligung oder einer Anzeige ausgeübt worden wäre, denn da die Übertretung des § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz nicht von der Bewilligung gedeckt gewesen sei, sei eine Tätigkeit als Wettunternehmerin entgegen der Bewilligung vorgelegen.
15Zur Aufhebung des Verfallsausspruchs erachtete die Amtsrevisionswerberin die Revision als zulässig, weil sie - anders als das Verwaltungsgericht - die Rechtsansicht vertrete, dass die in einer Betriebsstätte aufgestellten Geräte entgegen dem Wiener Wettengesetz betrieben bzw. verwendet worden seien, wenn die Einrichtung eines geeigneten Kontrollsystems entsprechend § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz nicht erfolgt sei, und dass damit die Voraussetzungen für einen Verfall der Geräte gegeben seien. Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
16Die Revision erweist sich zu beiden angefochtenen Spruchpunkten als zulässig und berechtigt.
17§ 23 Abs. 2 des Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten (Wiener Wettengesetz), LGBL. Nr. 26/2016, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 40/2018, lautet auszugsweise:
„Aufsicht
§ 23. [...]
(2) Besteht der begründete Verdacht, dass die Tätigkeit der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers ohne oder entgegen einer Bewilligung oder einer Anzeige ausgeübt wird, und mit Wettterminals oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen gegen dieses Landesgesetz verstoßen wird, offenkundig gegen eine in § 24 Abs. 1 Z 1 bis 18 genannten Vorschriften verstoßen wird, so kann die Behörde die Beschlagnahme der Wettterminals, der an diesen angeschlossenen technischen Geräte, Wettscheine, elektronische Wettbücher, der sonstigen Eingriffsgegenstände, der technischen Hilfsmittel sowie des dem Wettbetrieb zuzurechnenden Geldes anordnen. Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in diesem Absatz genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 24 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber der Eigentümerin oder dem Eigentümer sofort eine Bescheinigung auszustellen, oder, wenn eine solche oder ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.“
§ 24 Wiener Wettengesetz in der genannten Fassung lautet auszugsweise:
„Strafbestimmungen
§ 24. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - von der Behörde mit einer Geldstrafe bis 22.000 € und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer [...]
12. als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer die Verpflichtungen gemäß § 19 nicht einhält; [...]
(2) Wettscheine, elektronische Wettbücher und Wettterminals, und alle an solche angeschlossenen Geräte, sonstige Eingriffsgegenstände oder sonstige technische Hilfsmittel, die entgegen diesem Landesgesetz aufgestellt, betrieben oder verwendet werden, können von der Behörde unabhängig von der Bestrafung nach Abs. 1 samt dem sich in diesen befindenden Geld für verfallen erklärt werden.“
Gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz in der genannten Fassung muss die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer durch die Einrichtung eines geeigneten Kontrollsystems dafür sorgen, dass der Aufenthalt in Räumen einer Betriebsstätte nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nachgewiesen haben.
18Zu Spruchpunkt 1) des angefochtenen Erkenntnisses (Aufhebung des Beschlagnahmebescheids):
19Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dient die aus § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz erwachsende Verpflichtung dem Jugendschutz; der Gesetzgeber bezweckte mit der Regelung des § 19 Abs. 2 leg. cit., dass Räume mit einem Wettterminal nur von Personen betreten werden dürfen, die ihre Volljährigkeit nachgewiesen haben (vgl. , Rz 15).
20Nach den Erläuterungen zu § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz in der gegenständlich anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 48/2018 hat die Wettunternehmerin bzw. der Wettunternehmer in Betriebsstätten mit ständiger Aufsicht dafür Sorge zu tragen, dass Minderjährige sich nicht in der Betriebsstätte aufhalten, wobei als Aufenthalt im Sinne des genannten Gesetzes die zeitlich kurzfristige Anwesenheit in der Betriebsstätte bis zur unmittelbar zu erfolgenden Entfernung anzusehen sei. In dieser Zeit dürfe die minderjährige Person „in keiner Form an Wetttätigkeiten teilnehmen (weder zusehen noch selbst wetten)“ (Beilage Nr. 7/2018, LG-229216-2018-LAT, 13).
21Der Verwaltungsgerichtshof hat betreffend eine Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht und ohne Zutrittskontrolle bereits ausgesprochen, dass Eingriffsgegenstände in einer solchen entgegen den Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes betrieben werden (vgl. bis 0007).
22Nichts anderes kann für Betriebsstätten mit ständiger Aufsicht gelten:
23Eine Betriebsstätte im Sinne des Wiener Wettengesetzes ist nach dessen § 2 Z 7 jede ortsfeste, öffentlich zugängliche Einrichtung, in der Wetten von einer Buchmacherin oder von einem Buchmacher gewerbsmäßig abgeschlossen und/oder in der Wetten von einer Totalisateurin oder einem Totalisateur gewerbsmäßig vermittelt und/oder in der Wettkundinnen und Wettkunden von einer Vermittlerin oder einem Vermittler gewerbsmäßig vermittelt werden (vgl. ).
24Aus den Gesetzesmaterialien zu § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz geht hervor, dass bereits der Aufenthalt bzw. das bloße Zusehen Minderjähriger beim Wetten eine Form der Teilnahme an Wetttätigkeiten darstellt. Erfolgt an einer Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht, an der die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer Wettterminals aufstellt, betreibt oder verwendet, wie im Revisionsfall keine Zutrittskontrolle iSd § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz, ist dies als Ausübung der Tätigkeit der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers entgegen einer Bewilligung sowie als Verstoß mit Wettterminals oder sonstigen Eingriffsgegenständen gegen das Wiener Wettengesetz und offenkundiger Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz zu verstehen.
25Dementsprechend werden Eingriffsgegenstände in einer Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht entgegen den Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes und somit entgegen einer Bewilligung betrieben, wenn die Zutrittskontrolle iS der Verpflichtung nach § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz nicht oder mangelhaft erfolgt.
26Davon ausgehend aber waren die Voraussetzungen für die Beschlagnahme gemäß § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz gegeben:
27§ 39 Abs. 1 VStG bestimmt, dass bei Vorliegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, die Behörde zur Sicherung des Verfalls die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen kann. § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz ist als Sonderregelung gegenüber § 39 Abs. 1 VStG zu verstehen (vgl. ).
28Fallbezogen bestand der begründete Verdacht der Ausübung der Tätigkeit der Wettunternehmerin entgegen einer Bewilligung mit den Wettgeräten, welche in einer nach § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz strafbewehrten offenkundigen Verletzung der Verpflichtungen aus § 19 Abs. 2 leg. cit. verwendet wurden. Ferner war für den Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz gemäß § 24 Abs. 2 leg. cit. der Verfall als Strafe vorgesehen, und die Beschlagnahme war zur Sicherung des Verfalls geboten.
29Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass durch die Betriebsschließung bereits derselbe Sicherungszweck wie durch die Beschlagnahme erreicht und die Beschlagnahme daher nicht mehr geboten sei, erweist sich als verfehlt. Die Betriebsschließung schloss nämlich die Beschlagnahme der Eingriffsgegenstände schon deshalb nicht aus, weil die - im Revisionsfall nicht gegenständliche - Betriebsschließung nach § 23 Abs. 3 Wiener Wettengesetz einen anderen Zweck verfolgt als die Beschlagnahme. Während erstere Maßnahme eine Anordnung im Administrativverfahren zur Abhilfe bei Verdacht der Ausübung der Tätigkeit einer Wettunternehmerin oder eines Wettunternehmers ohne oder entgegen der Bewilligung darstellte (vgl. ), diente letztere zur Sicherung der gesetzlich festgelegten Eingriffsgegenstände (welche die Tätigkeit der Wettunternehmerin bestimmen) durch Entziehung aus der Verfügungsmacht der Wettunternehmerin während des Verfahrens darüber, was mit den Gegenständen endgültig zu geschehen hat (vgl. Beilage Nr. 7/2018, LG-229216-2018-LAT, 15), und beschränkte sich damit nicht auf die Verhinderung des Aufenthalts minderjähriger Personen. Die gegenständliche Beschlagnahme war daher vielmehr als Sicherungsmaßnahme für den als Nebenstrafe vorgesehenen Verfall nach § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz zu qualifizieren.
30Zu Spruchpunkt 2) des angefochtenen Erkenntnisses, soweit dieser die Aufhebung des Verfallsausspruchs betrifft:
31Die Erläuterungen halten zu § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz fest, dass diese Strafbestimmung den objektiven Verfall von Gegenständen vorsieht, die im Zusammenhang mit der Begehung einer Verwaltungsübertretung stehen und der Verfall nach dem Wiener Wettengesetz daher unabhängig von einer Bestrafung ausgesprochen werden kann (Beilage Nr. 26/2016, LG-02868-2016/0001/LAT, Erläuterungen I. Allgemeiner Teil). Abs. 2 regelt damit den selbständigen Verfall und ermöglicht es, dass Wettscheine, elektronische Wettbücher und Wettterminals samt allen an solche angeschlossenen Geräten und technischen Hilfsmitteln sowie samt dem im Terminal befindlichen Geld, von der Behörde unabhängig von einer Bestrafung für verfallen erklärt werden können (Beilage Nr. 3/2016 zu eRecht LG-02293-2015/0001, GZ: 560685/2015, 9).
32Der Verfall iSd § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz kann somit der Bestrafung wegen der Übertretung nach § 24 Abs. 1 Wiener Wettengesetz hinzutreten. Er ist als Sanktion für die Übertretung von Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes festgelegt und stellt damit eine Folge der strafbaren Handlung dar (vgl. ; , jeweils mwH).
33Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen für die Verfallserklärung nach § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz erfüllt, zumal die Wettgeräte - wie oben dargelegt - in Verletzung der Aufsichtsverpflichtung nach § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz aufgestellt, betrieben oder verwendet wurden. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kam es dabei nicht darauf an, dass die konkreten Wettterminals tatsächlich „benutzt“ worden wären. Maßgeblich war vielmehr, dass im Fall einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz schon die Ausstattung der Betriebsstätte mit den Wettgeräten eine Verwendung der Geräte entgegen dem Wiener Wettengesetz darstellt.
34Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufhebung des Bescheids über die Beschlagnahme sowie des Verfallsausspruchs der Amtsrevisionswerberin erweist sich nach dem Gesagten als rechtswidrig. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im angefochtenen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020150.L00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.
Fundstelle(n):
PAAAE-89153