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VwGH vom 19.04.2022, Ra 2022/02/0024

VwGH vom 19.04.2022, Ra 2022/02/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des K in H, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , 405-4/3886/1/15-2021, betreffend Übertretung der StVO und des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund und das Land Salzburg haben dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von je € 673,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe 1. am um 03:49 Uhr außerhalb eines Ortsgebietes an einer näher bezeichneten Stelle auf der A1 Westautobahn in Fahrtrichtung Wien mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug die in diesem Bereich durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 72 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei, und 2. die mit Schreiben der Landespolizeidirektion Salzburg vom verlangte Lenkerauskunft, wer das näher umschriebene Kraftfahrzeug am um 03:49 Uhr am angegebenen Ort gelenkt habe, nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt und auch keine andere Person benannt, die die Auskunft hätte erteilen können. Der Revisionswerber habe dadurch 1. § 52 lit. a Z 10a StVO und 2. § 103 Abs. 2 KFG verletzt, weshalb über ihn zu Spruchpunkt 1. gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe in Höhe von € 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage und 20 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 90,-- festgesetzt wurden.

2Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom als unbegründet ab, setzte einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 180,-- fest und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , E 4679/2019-12, abgelehnt und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom , E 4679/2019-14, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

4Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/02/0023, wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht es verabsäumt habe, den Spruch des behördlichen Straferkenntnisses in seinem Abspruch um die Fundstellen der der Entscheidung zugrunde gelegten verletzten Verwaltungsvorschriften und Strafsanktionsnormen zu ergänzen.

5Im fortgesetzten Verfahren wies das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte den Spruch des Straferkenntnisses mit der Maßgabe, dass die verletzten Rechtsvorschriften und die angewendeten Strafnormen zu 1. „§ 52 lit a Z 10a StVO, BGBl Nr 159/1960, idF BGBl I Nr 34/2011 iVm § 99 Abs 2e StVO, idF BGBl I Nr 42/2018“ und „§ 99 Abs 2e StVO idF BGBl I Nr 42/2018“, sowie zu 2. „§ 103 Abs 2 iVm § 134 Abs 1 KFG, BGBl Nr 267/1967, idF BGBl I Nr 19/2019“ und „§ 134 Abs 1 KFG, idF BGBl I Nr 19/2019“ zu lauten haben. Weiters setzte das Verwaltungsgericht einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 180,-- fest und sprach aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom , E 3136/2021-15, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom , E 3136/2021-18, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7Mit der vorliegenden außerordentlichen Revision begehrt der Revisionswerber nun die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

8Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision als unbegründet abzuweisen, sowie den Zuspruch von Aufwandersatz. Zur Frage der Fassungen der anzuwendenden Rechtsvorschriften brachte die belangte Behörde vor, es sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend.

9Der Revisionswerber erstattete eine Äußerung zur Revisionsbeantwortung und führte u.a. aus, bei Verwaltungsübertretungen richte sich das anzuwendende Recht nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dies werde von der belangten Behörde jedoch nicht behauptet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, wonach das angefochtene Erkenntnis von der hg. Rechtsprechung zu § 44a Z 2 und Z 3 VStG mangels Angabe der korrekten Fundstellen der als verletzt erachteten Verwaltungsvorschriften sowie der angewendeten Strafnormen abweiche, als zulässig und begründet.

11Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert sowohl die Anführung der verletzten Verwaltungsvorschrift nach § 44a Z 2 VStG als auch die Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmung nach § 44a Z 3 VStG die Angabe ihrer korrekten Fundstelle. Dem Gebot der ausreichend deutlichen Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift wird nur dann Rechnung getragen, wenn die Fundstelle jener Novelle angegeben wird, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat. Entsprechendes gilt auch für die Strafsanktionsnorm (vgl. ; ; jeweils mwN), richtet sich doch die Strafe gemäß § 1 Abs. 2 VStG grundsätzlich nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre (vgl. hierzu auch , mwN).

12Das Verwaltungsgericht ergänzte im zweiten Verfahrensgang zwar den Spruch des behördlichen Straferkenntnisses dahingehend, dass es zu den zitierten Normen Fundstellen anführte, jedoch handelt es sich hierbei nicht um die Fundstellen, in denen die jeweils zum Tatzeitpunkt geltende Rechtsvorschrift im Bundesgesetzblatt auffindbar wäre: Weder § 52 lit. a Z 10a StVO noch § 99 Abs. 2e StVO wurden durch die im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses angeführten Novellen BGBl. I Nr. 34/2011 und BGBl. I Nr. 42/2018 geändert, sodass im Tatzeitpunkt noch § 52 lit. a Z 10a StVO idF BGBl. Nr. 518/1994 und § 99 Abs. 2e StVO idF BGBl. I Nr. 39/2013 in Geltung standen. Das BGBl. I Nr. 19/2019 wurde erst am  - somit nach Tatbegehung - kundgemacht und sah keinerlei Änderungen in Bezug auf § 103 Abs. 2 KFG und § 134 Abs. 1 KFG vor. Die im vorliegenden Fall maßgebliche verletzte Verwaltungsvorschrift war somit § 103 Abs. 2 KFG idF BGBl. Nr. 106/1986, die heranzuziehende Strafsanktionsnorm § 134 Abs. 1 KFG idF BGBl. I Nr. 9/2017.

13Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

14Für das fortzusetzende Verfahren wird das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG dann nicht gerecht werden, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. ; , Ra 2019/02/0227, jeweils mwN). Der bloße Verweis auf die Begründung einer Entscheidung, die infolge ihrer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (vgl. zur ex tunc Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes etwa , mwN), genügt den dargestellten Anforderungen an die Begründung eines Erkenntnisses nicht. Hinsichtlich der von Amts wegen stattzufindenden Prüfung einer allfälligen Verjährung wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/02/0198, verwiesen.

15Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, wobei dieser Entscheidung zugrunde zu legen ist, dass die belangte Behörde in Vollziehung des KFG für den Bund und in Vollziehung der StVO für das Land Salzburg tätig geworden war, sodass der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz zu gleichen Teilen dem Bund und dem Land Salzburg aufzuerlegen war (vgl. erneut , mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020024.L00

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