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VwGH vom 27.07.2021, Ra 2021/22/0095

VwGH vom 27.07.2021, Ra 2021/22/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des I D, in W, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-151/053/7193/2019-6, betreffend Entziehung eines Aufenthaltstitels (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Bescheid vom entzog der Landeshauptmann von Wien dem Revisionswerber, einem syrischen Staatsangehörigen, gemäß § 28 Abs. 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Verbindung mit § 12b Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) den ihm gestützt auf § 41 Abs. 2 Z 2 NAG mit Gültigkeitsdauer von bis erteilten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte“.

2Der Revisionswerber erhob Beschwerde.

3Nach Durchführung einer Verhandlung verkündete das Verwaltungsgericht Wien das angefochtene Erkenntnis mündlich. Mit diesem Erkenntnis wurde die Beschwerde abgewiesen und die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig erklärt. Ausweislich der Verhandlungsniederschrift beantragte der Vertreter des Revisionswerbers im Anschluss an die Verkündung die Ausfertigung der Entscheidung.

4Ungeachtet dessen wurde das angefochtene Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt. Bezugnehmend auf den gegenständlichen Fall führte das Verwaltungsgericht im Rahmen einer rudimentären Begründung nur aus, dass der Umstand, dass die Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice lediglich den österreichischen Gehaltsbestandteil des Revisionswerbers (unter gleichzeitiger Nichtberücksichtigung des in Syrien ausbezahlten Gehaltsteils) der Entscheidung zugrunde gelegt habe, nicht als offenkundige Unrichtigkeit oder Aktenwidrigkeit angesehen werden könne. Auch könne das Abstellen auf eine ausschließlich in Österreich erfolgte Gehaltsabrechnung nicht als unvertretbare Rechtsansicht, die im Ergebnis zur Beurteilung geführt habe, dass die Erfordernisse des § 12b AuslBG nicht vorlägen, betrachtet werden.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit u.a. geltend macht, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht eine gekürzte Ausfertigung vorgenommen habe und eine Verletzung der Begründungspflicht vorliege.

6Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7Im Hinblick auf das wiedergegebene Zulässigkeitsvorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.

8Der Vertreter des Revisionswerbers gab - wie bereits erwähnt - im Anschluss an die Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses zu Protokoll, dass eine „Vollausfertigung“ der Entscheidung beantragt werde.

9§ 29 Abs. 5 VwGVG eröffnet - außer bei einem (hier nicht erklärten) Verzicht der Parteien auf eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof und auf eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof - nur für den Fall, dass nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift über die Verhandlung eine (vollständige) Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses von mindestens einem der hierzu Berechtigten beantragt wird, die Möglichkeit, das Erkenntnis in gekürzter Form auszufertigen (). Davon hätte das Verwaltungsgericht Wien somit im vorliegenden Fall im Hinblick auf den erwähnten, offenbar irrtümlich außer Acht gelassenen Antrag auf Ausfertigung nicht Gebrauch machen dürfen. Die dem Revisionswerber dennoch zugestellte gekürzte Ausfertigung ist mit Revision bekämpfbar (vgl. z.B. ).

10Im vorliegenden Fall enthält die gekürzte Ausfertigung zwar - ebenso wie das mündlich verkündete Erkenntnis bzw. dessen niederschriftliche Beurkundung - eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Entscheidungsgründe. Damit wird die gekürzte Ausfertigung aber für sich betrachtet den nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einzuhaltenden Begründungserfordernissen eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses nicht gerecht. Eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht möglich (siehe zu ähnlichen Konstellationen ; , Ra 2019/22/0035).

11Die Revision zeigt somit einen relevanten Verfahrensmangel auf, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

12Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220095.L00

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