VwGH 15.09.2011, 2009/07/0074
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | WRG 1959 §104a Abs1 Z1 litb; WRG 1959 §104a Abs1 Z2; WRG 1959 §104a Abs2; WRG 1959 §105; |
RS 1 | In § 104a Abs 1 Z 1 lit b und Z 2 WRG 1959 wird eine Verschlechterung des Oberflächenwasserkörpers angesprochen. § 104a Abs 2 WRG 1959 kommt aber - ungeachtet seiner weiten Formulierung - bei Verschlechterungen des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers nur dann zur Anwendung, wenn die Schwelle einer Güteklasse überschritten wird. Innerhalb der Bandbreite einer Güteklasse liegende Verschlechterungen sind nach § 105 WRG 1959 zu beurteilen. |
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RS 2 | Ob die Voraussetzungen der Verschlechterungen des Zustands eines Oberflächen- oder Grundwasserkörpers um eine Güteklasse im Anwendungsbereich des § 104a WRG 1959 vorliegen, hat die Behörde in Wahrnehmung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht zu prüfen (vgl E , 2004/07/0016). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des HG in H, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIIa1-W- 60.281/9, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes B (Versagung der wasserrechtlichen Bewilligung) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.289,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer unter Vorlage von Projektunterlagen bei der Bezirkshauptmannschaft L (BH) die wasser-, forst- und naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am S.-Bach.
In einer an die BH gerichteten "limnologischen Begutachtung" vom führte der Amtssachverständige Dr. Z. aus, dass die Projektunterlagen für eine Beurteilung aus gewässerökologischer Sicht ausreichten. Hinsichtlich des Befundes werde auf die sehr detaillierte Beschreibung und die umfassende Datenerhebung im gewässerökologischen Untersuchungsbericht verwiesen. Die wesentliche Aussage in diesem Befund sei die Feststellung, dass der S.-Bach einem Basiswasserkörper nach der Einteilung der Wasserrahmenrichtlinie angehöre. Dieser Wasserkörper werde auf Grund der untersuchten Parameter fast durchwegs mit "sehr guter Zustand" bewertet. Dies gelte auch für die zukünftige Entnahmestrecke der Wasserkraftanlage, deren Anteil mit 97 % "sehr guter Zustand" und 3 % "guter Zustand" bewertet werde.
Aus gewässerökologischer Sicht sei festzuhalten, dass sich durch die geplante Errichtung des Kleinkraftwerkes sowie durch die damit erfolgende Umgestaltung im Bereich der Wasserfassung und vor allem durch den Wasserentzug eine eindeutige Verschlechterung des ökologischen Zustandes von "Sehr gut" nach "Gut" ergeben werde. Diese Verschlechterung sei aber aus Sicht des WRG 1959 nicht zulässig. Aus diesem Grund sei seitens der Gewässerökologie festzustellen, dass es keine Vorschreibungen gebe, die eine Verschlechterung des Zustandes hintanhalten würden, weshalb das Projekt abzulehnen sei.
Sollte die Behörde - so führte der Amtssachverständige Dr. Z. weiter aus - der Verschlechterung des gewässerökologischen Zustandes zustimmen, so wäre vom Untersuchungsbüro noch ein entsprechender Restwasservorschlag auszuarbeiten, der für die jeweiligen Abflüsse neben einem Fixbetrag auch einen an die Wasserführung angepassten zuflussabhängigen Restwasserbetrag beinhalten sollte. Aus gewässerökologischer Sicht sei noch festzuhalten, dass auf Grund der geringen Wasserführung im Winter von nur 8 l/s generell eine Nutzung über einen längeren Zeitraum in der Niederwasserzeit nicht möglich sein werde, da die Abflüsse für einen Kraftwerksbetrieb und die Restwasserdotation zu gering seien.
Die BH führte am eine mündliche Verhandlung durch.
In dieser Verhandlung führte die vom Beschwerdeführer beigezogene "staatlich befugte und beeidete Ingenieurkonsulentin für Biologie" Mag. Sch. aus, dass der Beschwerdeführer im Herbst 2005 an sie mit dem Ansuchen herangetreten sei, ergänzende limnologische Untersuchungen durchzuführen und darüber einen Bericht zu verfassen. In weiterer Folge hätten während der Niederwasserperiode März/April 2006 Bestandsaufnahmen der Gewässerlebewelt sowie Ausleitungsversuche zur Ermittlung der Dotierwassermenge stattgefunden. In weiterer Folge seien zur Vegetationszeit Erhebungen des Gewässerzustandes im gesamten Verlauf des S.-Baches von der Mündung bis zur Quellregion vorgenommen worden.
Nach Darstellung der Erhebungsergebnisse kam Mag. Sch. in der Verhandlung der BH vom zum Schluss, dass eine Verschlechterung des sehr guten ökologischen Zustandes der Gewässerlebewelt in den guten Zustand nicht "ausgeschlossen werden" könne. Fallweise hätten Untersuchungen (A.-Ache) jedoch gezeigt, dass auch in Restwasserstrecken sehr gute ökologische Zustände die Gewässerlebewelt betreffend vorhanden gewesen seien. Daher werde vorgeschlagen, auf Grund der "eher hohen Restwasservorschläge" ein "Monitoring" zur Abklärung des Zustandes nach Inbetriebnahme der Wasserkraftanlage durchzuführen. Eine diesbezügliche Beweissicherung sei in etwa drei Jahre nach Inbetriebnahme der Anlage zur winterlichen Niederwasserzeit durchzuführen. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass es zu einer Verschlechterung gekommen sei, werde das Restwasser dementsprechend anzupassen sein.
Mit Bescheid der BH vom wurde dem Beschwerdeführer die wasser-, forst- und naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Wasserkraftanlage am S.-Bach versagt.
In wasserrechtlicher Hinsicht führte die BH begründend aus, dass sich nach den Ausführungen des gewässerökologischen Amtssachverständigen Dr. Z. in seiner "limnologischen Begutachtung" vom durch die geplante Errichtung eines Kleinkraftwerkes sowie der damit erfolgenden Umgestaltung im Bereich der Wasserfassung und vor allem durch den Wasserentzug eine eindeutige Verschlechterung des ökologischen Zustandes von "Sehr gut" nach "Gut" ergeben werde. Auch wenn diesem Gutachten "ausführlichere Beschreibungen über den genauen Grund der Verschlechterung des ökologischen Zustandes nicht innewohnen" würden, so habe der Beschwerdeführer diese Ausführungen des gewässerökologischen Amtssachverständigen auch nicht bestritten. Im Gegenteil sei vom Beschwerdeführer sogar mit Mag. Sch. eine staatlich befugte und beeidete Ingenieurkonsulentin für Biologie zur ergänzenden Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen worden. Diese habe klar in ihrer Stellungnahme festgehalten, dass eine Verschlechterung des sehr guten ökologischen Zustandes der Gewässerlebewelt in den guten Zustand nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung sei "vorsichtiger" formuliert als jene des gewässerökologischen Amtssachverständigen. Die Behörde habe indessen auf Grund der Tatsache, dass sogar der Beschwerdeführer selbst, welcher grundsätzlich alles "zu seinem Vorteile Dienliche vorbringen" könne, eine Verschlechterung des Gewässerzustandes nicht auszuschließen vermöge, den Feststellungen des gewässerökologischen Amtssachverständigen zu folgen und von einer Verschlechterung des Gewässerzustandes im Fall der Bewilligung des gegenständlichen Projektes auszugehen.
Die Gewährung einer Ausnahme nach § 104a WRG 1959 setze voraus, dass alle in Abs. 2 kumulativ genannten Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssten; könne nur eines dieser Kriterien nicht erfüllt werden, komme eine Ausnahme nach § 104a leg. cit. nicht in Betracht.
Die gegenständlich beantragte Wasserkraftanlage sei zur Versorgung des geplanten Sägewerkes sowie des Tischlereibetriebes des Beschwerdeführers mit elektrischer Energie und zur Erzeugung von Ökostrom geplant. Diese beabsichtigte Verwendung sei als nutzbringendes Ziel, welchem die Änderungen des Oberflächenwasserkörpers dienen sollten, im Sinne des § 104a Abs. 2 Z. 3 WRG 1959 zu sehen und als solches anderen Mitteln zur Erreichung dieses Zieles, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellten, gegenüber zu stellen.
Diesbezüglich - so führte die BH in ihrer Begründung weiter aus - sei festzuhalten, dass das geplante Sägewerk sowie der Tischlereibetrieb des Beschwerdeführers keineswegs ausschließlich von der Möglichkeit der Eigenstromerzeugung abhängig seien. Vielmehr müsse es auch durchaus möglich sein, diese Betriebe über einen externen Stromanbieter zu versorgen. Diese alternativen Anbieter könnten somit Strom anbieten, welcher bereits in genehmigten Anlagen erzeugt werde und somit keinen zusätzlichen Eingriff in den Naturhaushalt darstelle. Dass es sich bei dieser Variante um eine technisch undurchführbare bzw. mit unverhältnismäßigen Kosten versehene handle, sei im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Durch den geplanten Anschluss des Kraftwerkes an das Stromnetz der TIWAG-Netz AG wäre ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz ohnehin geplant gewesen.
Als Begründung für die Änderung des Zustandes des Oberflächengewässers werde vom Beschwerdeführer als öffentliches Interesse angeführt, dass die Sportanlage in H. sowie diverse Vereine den zu produzierenden Strom nützen könnten. Weiters werde von der Gemeinde H. eine Brückensanierung und die Wiederherstellung eines derzeit nicht mehr zugänglichen Forstweges ebenso wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze als öffentliches Interesse geltend gemacht.
Sämtliche dieser Aufzählungen könnten jedoch kein übergeordnetes öffentliches Interesse im Sinn des § 104a Abs. 2 Z. 2 WRG 1959 darstellen, zumal es sich dabei ausnahmslos "um Drittwirkungen der zur Bewilligung eingereichten Maßnahmen" handle. Alle angeführten, im öffentlichen Interesse gelegenen Maßnahmen seien auch ohne Verwirklichung des gegenständlichen Projektes für sich gesondert realisierbar, sodass ein übergeordnetes öffentliches Interesse nicht erkannt werden könne.
Dass der Nutzen an der beantragten Kraftwerksanlage für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung größer sei als jene der Beibehaltung der Gewässerqualität, werde im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Ein solcher größerer Nutzen sei auf Grund der Aktenlage auch nicht erkennbar.
Zusammengefasst ergebe sich - so führte die BH schließlich begründend aus - somit, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot des § 104a WRG 1959 nicht vorlägen, weshalb die wasserrechtliche Bewilligung zu versagen gewesen sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.
Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde gab der Amtssachverständige Dr. Z. eine weitere "limnologische Stellungnahme" vom ab.
Demnach sei von der gegenständlichen Anlage der Wasserkörper des S.-Baches betroffen. Im Zuge des Verfahrens sei eine umfassende Untersuchung dieses Wasserkörpers durchgeführt worden. Dabei seien die maßgeblichen Parameter (Hydromorphologie, Chemie, biotische Parameter) untersucht worden.
Vom gesamten betroffenen Wasserkörper seien 84 % mit "sehr guter Zustand" und 16 % mit "guter Zustand" eingestuft worden. Die Einstufung "guter ökologischer Zustand" sei nur wegen der morphologischen Strukturgüte vorgenommen worden. Dieser zeige keine Auswirkungen auf die biologischen Parameter, die mit "sehr gut" bewertet worden seien.
Nachdem auf Grund des "worst-case-Prinzips" eine Einstufung mit "sehr guter ökologischer Zustand" nur dann erfolgen könne, wenn alle Qualitätskomponenten - also auch die Hydromorphologie - als unbeeinträchtigt oder nur sehr gering beeinträchtigt anzusehen seien, wirke sich eine ganzjährige Wasserentnahme durch das gegenständliche Kraftwerk speziell auf den Parameter Hydrologie entsprechend nachhaltig aus.
Mit der geplanten Nutzung - so führte der Amtssachverständige Dr. Z. in seiner Stellungnahme vom weiter aus - durch eine Wasserkraftanlage sei auf jeden Fall eine Verschiebung vom "sehr guten Zustand" in den "nicht mehr sehr guten Zustand" verbunden, da Eingriffe - wie eben durch die ganzjährige Nutzung - keinen Erhalt des "sehr guten Zustandes" (Hydromorphologie) zuließen. Diese Verschiebung sei unabhängig von der Einstufung der übrigen Parameter zu sehen. Das bedeute, dass durch eine entsprechende Restwassermenge der "sehr gute ökologische Zustand" im Bereich der aquatischen Fauna und Flora vielleicht haltbar wäre, trotzdem aber eine Verschiebung in den "nicht sehr guten Zustand" stattfinde.
Damit komme es zu einer Verschiebung vom hydromorphologisch "sehr guten Zustand" in den "nicht mehr sehr guten Zustand". Somit sei aber auch eine Verschlechterung des Gesamtzustandes gegeben, da nach dem "worst-case-Prinzip" der schlechteste Parameter den Gewässerzustand beschreibe.
Hinsichtlich der erst im Fall des Vorliegens eines "guten ökologischen Zustandes" weiter zu beurteilenden Auswirkungen auf die Bodenfauna und fallweise auch auf die Fischfauna sei zwar denkbar, dass bei Abgabe einer entsprechenden Restwassermenge der Erhalt des vorgefundenen Zustandes im Bereich der aquatischen Fauna möglich sei, trotzdem ergebe sich eine Verschlechterung des Gesamtzustandes.
Somit sei aus gewässerökologischer Sicht damit zu rechnen, dass bei Verwirklichung des gegenständlichen Projektes sowohl während der winterlichen Niederwasserzeit als auch während der Sommermonate in den unterhalb der Wasserfassung liegenden Detailwasserkörpern ökologische Verhältnisse aufträten, die nicht mehr dem "sehr guten ökologischen Zustand" entsprechen würden. Es sei davon auszugehen, dass eine Verschlechterung des Detailwasserkörpers hin zum "guten ökologischen Zustand" eintrete, welche auch durch entsprechende Nebenbestimmungen nicht abgemindert werden könne.
Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Stellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung des Beschwerdeführers insofern Folge gegeben, als der erstinstanzliche Bescheid in Ansehung der Rodungsbewilligung für bestimmte Teilflächen des Grst. Nr. 796, GB 85208, KG P., ersatzlos behoben wurde (Spruchpunkt A/1). Im Übrigen wurde die Berufung gegen die Versagung der Rodungsbewilligung ebenso abgewiesen (Spruchpunkt A/2) wie gegen die Versagung der wasserrechtlichen Bewilligung (Spruchpunkt B).
Begründend verwies die belangte Behörde auf die Stellungnahmen des gewässerökologischen Amtssachverständigen Dr. Z.. Eine ganzjährige Wasserentnahme durch das gegenständliche Kraftwerk wirke sich speziell auf den Parameter Hydrologie nachhaltig aus. Eine Einstufung mit "sehr guter ökologischer Zustand" könne nur dann erfolgen, wenn alle Qualitätskomponenten - also auch die Hydromorphologie - als unbeeinträchtigt oder nur sehr gering beeinträchtigt anzusehen seien. Diese zentrale Aussage der gutachterlichen Stellungnahme habe zum Inhalt, dass bei Beeinträchtigung nur einer Qualitätskomponente der sehr gute ökologische Zustand nicht haltbar sei.
Durch die ganzjährige Nutzung des betroffenen Oberflächenwasserkörpers durch das gegenständliche Kraftwerk komme es demnach zu einer derartigen Beeinträchtigung des Parameters Hydromorphologie, welche nicht mehr als sehr geringe Beeinträchtigung zu werten sei. Der derzeitige "sehr gute ökologische Zustand" des betroffenen Oberflächenwasserkörpers verschiebe sich daher in einen "nicht mehr sehr guten ökologischen Zustand". Im Ergebnis komme es zu einer Verschlechterung der Güteklasse bzw. des Gewässerzustandes. Auch wenn durch entsprechende Maßnahmen und Auflagen die anderen Qualitätskomponenten derart unbeeinträchtigt blieben, dass diesbezüglich der "sehr gute ökologische Zustand" haltbar wäre, komme es durch das gegenständliche Kraftwerk zu einem solch intensiven Eingriff in die Hydromorphologie des Oberflächenwasserkörpers, dass eine Verschlechterung des Gesamtzustandes erfolge und dies auch nicht mit entsprechenden Nebenbestimmungen bzw. Auflagen verhindert werden könne.
Die Privatsachverständige des Beschwerdeführers Mag. Sch. habe sich in der Verhandlung vom insbesondere auf die Gewässerlebewelt bezogen. Demnach könnte durch entsprechende Restwassermengen zwar eine Verschlechterung des sehr guten ökologischen Zustandes der Gewässerlebewelt in den guten ökologischen Zustand nicht ausgeschlossen werden. Fallweise Untersuchungen hätten jedoch gezeigt, dass auch in Restwasserstrecken sehr gute ökologische Zustände der Gewässerlebewelt vorhanden gewesen seien.
Selbst wenn man annehme, dass es auf Grund von Vorschreibungen hinsichtlich der Gewässerlebewelt zu keiner Verschlechterung komme, stehe - so führte die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter aus - jedoch fest, dass es auf Grund der Beeinträchtigung des Parameters Hydromorphologie zu einer Verschlechterung vom "sehr guten ökologischen Zustand" in den "guten ökologischen Zustand" des Oberflächenwasserkörpers komme. Auch wenn mit den entsprechenden Nebenbestimmungen der Zustand im Bereich der Gewässerlebewelt gehalten werden könne, komme es dennoch auf Grund der Beeinträchtigung des Parameters Hydromorphologie zu einer Verschlechterung des ökologischen Zustandes.
Eine Ausnahme nach § 104a Abs. 2 WRG 1959 könne nur dann erfolgen, wenn alle drei dort genannten Voraussetzungen vorlägen. Für die Frage, ob hinsichtlich des gegenständlichen Projektes ein übergeordnetes öffentliches Interesse im Sinne des § 104a Abs. 2 Z. 2 WRG 1959 bestehe, gelte Folgendes: Zweck der gegenständlichen Kraftwerksanlage sei die Versorgung eines geplanten Sägewerkes und des Tischlereibetriebes des Beschwerdeführers. Darüber hinaus solle überschüssiger Ökostrom für die Allgemeinheit produziert werden. Durch diese Anlage würden nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers Arbeitsplätze in der Region geschaffen und mit dem produzierten Strom könne die örtliche Sportanlage versorgt werden.
Nicht ersichtlich sei jedoch, dass das geplante Sägewerk und die Tischlerei nicht auch durch bereits bestehende Anlagen über das öffentliche Stromnetz versorgt werden könnten. Es bestehe daher hinsichtlich der Errichtung der gegenständlichen Kraftwerksanlage "klar ein überwiegendes Privatinteresse des Beschwerdeführers".
Der Nutzen, den die geplante Anlage für die menschliche Gesundheit (Erzeugung von Ökostrom) und auch für eine nachhaltige Entwicklung habe, werde vom Nutzen, der die Verwirklichung der in den §§ 30a, c und d WRG 1959 genannten Ziele für die Umwelt und Gesellschaft habe, übertroffen. Der durch die gegenständliche Wasserkraftanlage entfaltete Wirkungsgrad stehe im klaren Missverhältnis zu dem damit einhergehenden Eingriff in die Natur. Eine Unterversorgung mit Strom in der Region, in der das Kraftwerk errichtet werden solle, liege nicht vor.
Aus dem Verfahren sei auch nicht hervorgegangen, dass die Ziele, welche mit dem gegenständlichen Projekt erreicht werden sollten, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder auf Grund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellten, erreicht werden könnten.
Gegen diesen Bescheid - in Ansehung der wasserrechtlichen Bewilligung nur gegen Spruchpunkt B - richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichte Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§§ 104a Abs. 1 und 2 sowie 105 Abs. 1 lit m und n WRG 1959 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 82/2003) lauten:
"§ 104a. (1) Vorhaben, bei denen
1. durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder durch Änderungen des Wasserspiegels von Grundwasserkörpern
a) mit dem Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustandes oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder
b) mit einer Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu rechnen ist,
2. durch Schadstoffeinträge mit einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers in der Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit zu rechnen ist,
sind jedenfalls Vorhaben, bei denen Auswirkungen auf öffentlicheRücksichten zu erwarten sind (§§ 104 Abs. 1, 106).
(2) Eine Bewilligung für Vorhaben, die einer Bewilligung oder Genehmigung auf Grund oder in Mitanwendung wasserrechtlicher Bestimmungen bedürfen, kann nur erteilt werden, wenn die Prüfung öffentlicher Interessen (§§ 104, 105) ergeben hat, dass
1. alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu mindern und
2. die Gründe für die Änderungen von übergeordnetem öffentlichem Interesse sind und/oder, dass der Nutzen, den die Verwirklichung der in §§ 30a, c und d genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird und
3. die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers dienen sollen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder auf Grund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können.
…
§ 105. (1) Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn:
…
m) eine wesentliche Beeinträchtigung des ökologischen Zustandes der Gewässer zu besorgen ist;
n) sich eine wesentliche Beeinträchtigung der sich aus anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften resultierenden Zielsetzungen ergibt."
Die belangte Behörde geht in ihrem angefochtenen Bescheid davon aus, dass es durch die Verwirklichung des vorliegenden Projektes für den gegenständlichen Oberflächenwasserkörper zu einer Verschlechterung um eine Güteklasse kommt.
Eine solche Verschlechterung ist in § 104a Abs. 1 Z. 1 lit. b und Z. 2 WRG 1959 angesprochen. Damit kommt § 104a Abs. 2 WRG 1959 - ungeachtet seiner weiten Formulierung - bei Verschlechterungen des Zustandes eines Oberflächenwasserkörpers nur dann zur Anwendung, wenn die Schwelle einer Güteklasse überschritten wird. Innerhalb der Bandbreite einer Güteklasse liegende Verschlechterungen sind nach § 105 WRG 1959 zu beurteilen (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG, 2008, K 22 zu § 104a; Oberleitner/Berger, WRG3, 2011, § 104a Rz 2).
Ob nun die Voraussetzungen der Verschlechterungen um eine Güteklasse im Anwendungsbereich des § 104a WRG 1959 vorliegen, hat die Behörde in Wahrnehmung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht zu prüfen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 105 lit. m WRG 1959 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0016, mwN).
Die belangte Behörde stützt sich dabei auf die gewässerökologische Beurteilung des Amtssachverständigen Dr. Z. vom (limnologische Stellungnahme), die schon dem Bescheid der BH vom zugrunde lag, und auf die im Berufungsverfahren eingeholte limnologische Stellungnahme desselben Amtssachverständigen vom .
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, d.h. ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/07/0090, mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten eines Amtssachverständigen in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten, somit auf gleicher fachlicher Ebene, bekämpft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0060, mwN).
Widersprüche zu den Erfahrungen des Lebens und zu den Denkgesetzen können aber auch ohne sachverständige Untermauerung aufgezeigt werden. Auch Hinweisen auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens muss nachgegangen werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0023, mwN).
Eine derartige Mangelhaftigkeit der von der belangten Behörde herangezogenen limnologischen Stellungnahmen wird vom Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht dargetan.
Im Zusammenhang mit der limnologischen Stellungnahme des Amtssachverständigen Dr. Z. vom führte bereits die BH in ihrem Bescheid vom aus, dass "ausführliche Beschreibungen über den genauen Grund der Verschlechterung des ökologischen Zustandes" von "Sehr gut" nach "Gut" diesem Gutachten nicht innewohnen würden. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermisst eine solche nachvollziehbare Begründung. Dies macht indessen die limnologische Stellungnahme vom unschlüssig.
Diese dargestellten Mängel treffen auch auf die limnologische Stellungnahme des Amtssachverständigen Dr. Z. vom zu.
Warum es durch das geplante Kraftwerk zu einem solch intensiven Eingriff in die Hydromorphologie des Oberflächengewässers kommt, dass eine Verschlechterung des Gesamtzustandes bewirkt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Da in für den Verwaltungsgerichtshof schlüssiger Form noch nicht geklärt ist, ob das Vorhaben des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 WRG 1959 erfüllt, bleibt offen, ob § 104a Abs. 2 WRG 1959 überhaupt zur Anwendung kommt. Auf die Ausführungen zu dieser Bestimmung im angefochtenen Bescheid war daher nicht einzugehen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Umfang der Versagung der beantragten wasserrechtlichen Bewilligung als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §39 Abs2; VwGG §42 Abs2 Z3 litb; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; WRG 1959 §104a Abs1 Z1 litb; WRG 1959 §104a Abs1 Z2; WRG 1959 §104a Abs2; WRG 1959 §104a; WRG 1959 §105; |
Sammlungsnummer | VwSlg 18206 A/2011 |
Schlagworte | Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2009070074.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-89099