VwGH vom 23.11.2009, 2007/03/0180
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des E D in K, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl LF1-J-139/040-2007, betreffend Entziehung einer Jagdkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid vom entzog die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (BH) dem Beschwerdeführer gemäß § 62 iVm § 61 Abs 1 Z 8 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes (JG) die ihm am ausgestellte Jagdkarte für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft des Bescheides.
Begründend führte die BH im Wesentlichen Folgendes aus:
Gemäß § 61 Abs 1 Z 8 JG sei Personen die Ausstellung der Jagdkarte zu verweigern, deren bisheriges Verhalten besorgen lasse, dass sie Jagdwaffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden oder dass sie mit Jagdwaffen unvorsichtig und unsachgemäß umgehen werden, oder dass sie Jagdwaffen nicht sorgfältig verwahren werden.
Gemäß § 62 JG sei die Behörde verpflichtet, die Jagdkarte für ungültig zu erklären und unter Festsetzung einer Entziehungsdauer einzuziehen, wenn nachträglich bekannt wird, dass Tatsachen, derentwegen die Ausstellung einer Jagdkarte zu verweigern ist, erst nach der Ausstellung eintreten oder bekannt werden.
Bei einer am durch die Polizeiinspektion H durchgeführten waffenrechtlichen Überprüfung sei die Wohnungstür zum Haus des Beschwerdeführers offen, mit außen an der Tür steckendem Schlüssel, vorgefunden worden. Nach Betreten des Hauses durch die Polizeibeamten sei unter anderem das Gewehr der Marke CZ 550 mit dem Kaliber 30.06 in einem unversperrten Koffer am Boden liegend im ebenfalls unversperrten Schlafzimmer aufgefunden worden.
Der Beschwerdeführer habe zur wegen dieses Sachverhalts angekündigten beabsichtigten Entziehung der Jagdkarte dahin Stellung genommen, dass er weder Inhaber eines Waffenpasses noch einer Waffenbesitzkarte sei, auch nicht die Ausstellung einer derartigen Urkunde beantragt habe, weshalb es völlig irrelevant sei, ob bei ihm die gemäß § 8 WaffG erforderliche Verlässlichkeit vorhanden sei. Das Betreten seines Hauses durch die Beamten sei widerrechtlich erfolgt. Er besitze einen Waffenstahlschrank, in dem die Bockdoppelflinte und die Repetierbüchse üblicherweise aufbewahrt würden. Am Tag der waffenrechtlichen Überprüfung hätte er sich morgens auf der Jagd befunden und sei kurz vor dem "Besuch" der Beamten nach Hause zurückgekehrt. Da er nachmittags wieder auf die Jagd gehen habe wollen, habe er die Waffe ohne Munition in den Waffenkoffer ins Schlafzimmer gelegt; ein Verbringen in den Waffenstahlschrank sei nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht notwendig gewesen. Er habe nämlich sein Haus nur kurz verlassen, um Holz zu holen.
Der an die Jagdbehörde übermittelte Bericht über diesen Vorfall verpflichte diese, zu prüfen, ob gemäß § 62 JG die Jagdkarte des Beschwerdeführers für ungültig zu erklären sei. Unabhängig von der Zulässigkeit der Überprüfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit, die im Verfahren um Ausstellung eines europäischen Feuerwaffenpasses tatsächlich nicht vorgesehen sei, bestehe der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, weshalb die Verwertung des genannten Berichts als Beweismittel zulässig sei.
Der Beschwerdeführer habe den geschilderten Sachverhalt zudem gar nicht bestritten, vielmehr die Auffassung vertreten, das Verwahren der Jagdwaffen im versperrbaren Stahlschrank sei dann nicht erforderlich, wenn er sie ohnehin in einigen Stunden wieder verwenden wolle. Dies bedeute, dass davon auszugehen sei, der Beschwerdeführer werde auch in Zukunft in derartigen Situationen seine Jagdwaffen nicht im versperrbaren Stahlschrank, sondern anderswo aufbewahren, selbst dann, wenn er das Haus, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, unversperrt verlasse.
Es sei daher zu befürchten, dass der Beschwerdeführer auch in Hinkunft seine Jagdwaffen unversperrt und in einer Art und Weise verwahren werde, dass Unbefugte sie in Gebrauch nehmen könnten. Deshalb sei gemäß § 61 Abs 1 Z 8 iVm § 62 JG die Jagdkarte zu entziehen gewesen, wobei auf Grund der Art des Vorfalls nach Auffassung der BH die Entziehung für die Dauer eines Jahres ausreiche.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der BH erhobene Berufung ab.
Nach einer Wiedergabe des Verfahrensgangs und der maßgebenden Bestimmungen des JG führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
Gemäß § 3 Abs 1 der zweiten Waffengesetz-Durchführungsverordnung (2. WaffV) sei eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn ihr Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt. Nach § 3 Abs 2 Z 2 bis 4 der
2. WaffV gehöre zu den maßgeblichen Umständen für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung unter anderem der Schutz vor fremdem Zugriff durch Gewalt gegen Sachen, insbesondere eine der Anzahl und der Gefährlichkeit von Waffen und Munition entsprechende Ein- oder Aufbruchsicherheit des Behältnisses oder der Räumlichkeit (Z 2), der Schutz von Waffen und Munition vor dem Zugriff von Mitbewohnern, die zu deren Verwendung nicht befugt sind (Z 3) und der Schutz vor Zufallszugriffen rechtmäßig Anwesender (Z 4).
Nach Auffassung der belangten Behörde sei die Ein- und Aufbruchssicherheit im Beschwerdefall wegen der offenstehenden Haustür, des unversperrten Schlafzimmers und des unversperrten Waffenkoffers nicht gegeben gewesen.
Bei Auslegung des Begriffs der sorgfältigen Verwahrung im Sinne des § 8 Abs 1 Z 2 WaffG sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab anzulegen, wobei es von objektiven Momenten abhänge, ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden könne. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass auch ein Alleinbewohner eines Hauses mitunter Zutritt zu seinen Räumlichkeiten gewähren müsse oder - im Falle rechtswidrigen Eindringens - nicht verhindern könne. Daraus ergäben sich vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass dies auch völlig überraschend geschehen könne, Minimalanforderungen an die Verwahrung einer Waffe auch innerhalb einer versperrt gehaltenen Wohneinheit. Es sei nämlich nie ausgeschlossen, dass andere Personen wie Handwerker, Rauchfangkehrer, Bedienstete der E-Werke, Lieferanten von Brennmaterial, Zustelldienste, Trickdiebe, Einbrecher etc zufällig Zugang zu den Wohngebäuden erhalten.
Im Übrigen schließe sich die belangte Behörde den Ausführungen der BH vollinhaltlich an.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
3.1. Gemäß § 62 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 (JG) ist die Behörde dann, wenn Tatsachen, derentwegen die Ausstellung einer Jagdkarte zu verweigern ist, erst nach der Ausstellung eintreten oder der Behörde, welche die Jagdkarte ausgestellt hat, nachträglich bekannt werden, verpflichtet, die Jagdkarte für ungültig zu erklären und unter Festsetzung der Entziehungsdauer einzuziehen.
Gemäß § 61 Abs 1 Z 8 JG ist die Ausstellung der Jagdkarte Personen zu verweigern, deren bisheriges Verhalten besorgen lässt, dass sie Jagdwaffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden oder dass sie mit Jagdwaffen unvorsichtig und unsachgemäß umgehen werden oder dass sie Jagdwaffen nicht sorgfältig verwahren werden.
3.2. Die Wertungskriterien des § 61 Abs 1 Z 8 JG entsprechen vollinhaltlich denen der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nach § 8 Abs 1 Z 1 und 2 WaffG:
Danach ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird (Z 1), oder mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird (Z 2).
Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, die Kriterien für die Beurteilung der Verlässlichkeit nach § 8 Abs 1 Z 1 und 2 WaffG auf den Beurteilungsmaßstab nach § 61 Abs 1 Z 8 JG zu übertragen, wie dies die belangte Behörde gemacht hat.
3.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelungen des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass waffenrechtliche Urkunden insbesondere dann zu entziehen sind, wenn festgestellt wird, dass der Berechtigte Waffen nicht sorgfältig verwahrt hat. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2006/03/0140).
3.4. Im Hinblick auf die zu beachtenden, spezifischen Schutzzwecke des JG kann bei der Prognoseentscheidung über die Verwendung und Verwahrung einer Jagdwaffe bereits eine einmalige - jedoch gravierende - Tathandlung als bisheriges Verhalten im Sinne des § 61 Abs 1 Z 8 JG gewertet werden, also die Prognoseentscheidung, der Betroffene werde auch in Zukunft mit der Jagdwaffe unvorsichtig umgehen, rechtfertigen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 96/03/0338).
3.5. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, es sei nicht möglich, zu erkennen, welche Feststellungen die belangte Behörde getroffen habe. Zwar habe sie die Entscheidung der Erstbehörde und den Inhalt der Berufung (zusammengefasst) wiedergegeben, aber keine eigenen expliziten Feststellungen getroffen. Es könne nämlich auch der Schlusssatz des angefochtenen Bescheides "im Übrigen schließt sich die Berufungsbehörde den Ausführungen der Jagdbehörde erster Instanz vollinhaltlich an" keinesfalls als Übernahme der erstbehördlichen Feststellungen gewertet werden.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend: Die belangte Behörde hat nicht nur den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt wiedergegeben, sondern auch klargestellt, dass sie diesen übernimmt. Damit ist erkennbar, von welchem Sachverhalt sie bei ihrer rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist.
3.6. Die Beschwerde zeigt auch nicht etwa auf, der festgestellte Sachverhalt - die Eingangstür des Hauses des Beschwerdeführers sei von einschreitenden Polizeibeamten offen, mit außen steckendem Schlüssel vorgefunden worden, im Haus im unversperrten Schlafzimmer in einem unversperrten Koffer am Boden eine Repetierbüchse gelegen - sei in entscheidenden Punkten unzutreffend. Die vom Beschwerdeführer hervorgehobenen weiteren Umstände (er sei zuvor auf der Jagd gewesen und hätte bald darauf wieder auf die Jagd gehen wollen, habe keine Mitbewohner und habe das Haus vor der anschließenden Jagd nicht verlassen wollen), sind nämlich nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass auch ein einmaliges Fehlverhalten zur Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führen kann, und zwar selbst dann, wenn die Zugriffsmöglichkeit auf die Waffe nur relativ kurze Zeit bestand, wobei weder entscheidend ist, ob ein Zugriff auf die Waffe durch Unberechtigte tatsächlich erfolgte, noch, ob die Waffe geladen oder ungeladen aufbewahrt wurde (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0055, mwN).
3.7. Es fällt auch nicht entscheidend ins Gewicht, dass es sich im Beschwerdefall bei der Waffe, die unsachgemäß aufbewahrt wurde, um eine solche der Kategorie C handelte: Zwar erfordert § 3 Abs 2 Z 2 der 2. WaffV (ua) eine Differenzierung der für die Verwahrung von Waffen maßgeblichen Umstände an Hand der "Gefährlichkeit" der Waffen und ermöglicht damit grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung von Waffen unterschiedlicher Kategorie. Doch vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass die vom Beschwerdeführer gewählte (oben dargestellte) Art der Verwahrung seiner Jagdwaffe ausreichend sorgfältig wäre.
3.8. Vor dem dargestellten Hintergrund zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die Beurteilung der belangten Behörde unzutreffend wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am