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VwGH vom 17.06.2010, 2009/07/0058

VwGH vom 17.06.2010, 2009/07/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des Mag. GZ in W., vertreten durch die Jelenik Partner AG, Advokaturbüro in Vaduz/Liechtenstein, z.Hd. des Zustellbevollmächtigten Mag. AF in G., gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2007/13/3040-5, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Spruchpunkt 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft I. (BH) vom wurde der Beschwerdeführer - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Relevanz - in Spruchpunkt 1 schuldig erkannt, er habe am um 20:48 Uhr in Imst auf der Inntalautobahn A 12 bei Kilometer 133,745 als Lenker eines näher angeführten Kraftfahrzeuges entgegen § 30 Abs. 1 Z. 4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) iVm § 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl. Nr. 55/2006, im Sanierungsgebiet die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 52 km/h überschritten und deswegen eine Geldstrafe von EUR 320,-

- (84 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Frage strittig, ob die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom , LGBl. Nr. 55/2006, ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

Diese Verordnung stützt sich unter anderem auf § 10 IG-L idF BGBl. I Nr. 34/2003, nach dessen Abs. 1 Z. 2 der Landeshauptmann zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes unter näher genannten Bedingungen mit Verordnung einen Maßnahmenkatalog zu erlassen hat. In diesem Maßnahmenkatalog hat der Landeshauptmann gemäß Abs. 2 das Sanierungsgebiet festzulegen und im Rahmen der §§ 13 bis 16 Maßnahmen anzuordnen, die im Sanierungsgebiet oder in Teilen des Sanierungsgebietes umzusetzen sind. Als derartige Maßnahmen für den Verkehr sieht § 14 Abs. 1 Z. 2 die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen für Kraftfahrzeuge vor. Der die Kundmachung derartiger Maßnahmen betreffende § 14 Abs. 6 IG-L, in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 34/2006 lautete:

"(6) Anordnungen gemäß Abs. 1 sind, soweit dies möglich ist, durch Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 StVO kundzumachen; die Zeichen sind mit einer Zusatztafel mit dem Wortlaut 'Immissionschutzgesetz-Luft' oder 'IG-L' zu versehen. Für die Kundmachung, Aufstellung und Beschaffenheit der Zeichen gelten § 44 Abs. 1, 2b, 3 und 4 sowie §§ 48, 51 und 54 StVO 1960 sinngemäß. Die Anzeige einer Geschwindigkeitsbeschränkung im Fall des Einsatzes eines flexiblen Systems wie z.B. einer Verkehrsbeeinflussungsanlage gilt als Kundmachung im Sinne des § 44 StVO."

In § 2 der genannten Verordnung wurde als Sanierungsgebiet der Abschnitt der A 12 Inntalautobahn zwischen Kilometer 131,204 im Gemeindegebiet von Karrösten und Kilometer 145,500 im Gemeindegebiet von Zams festgelegt. § 3 hat folgenden Wortlaut:

"§ 3

Maßnahme

Im Sanierungsgebiet wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Richtungsfahrbahn Landeck von Straßenkilometer 131,536 bis Straßenkilometer 145,100 und auf der Richtungsfahrbahn Kufstein von Straßenkilometer 145,488 bis Straßenkilometer 131,897 mit 100 km/h in der Zeit von 1. November bis 30. April eines jeden Jahres festgesetzt. Einer bescheidmäßigen Anordnung einer Behörde bedarf es nicht, das Verbot wirkt direkt."

§ 14 Abs. 6 IG-L bezieht sich unter anderem auf § 48 StVO, dessen Abs. 1 und 2 wie folgt lauten:

"(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.

(1a) ...

(2) Die Straßenverkehrszeichen sind auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig. Auf Autobahnen sind Gefahrenzeichen und Vorschriftszeichen auf beiden Seiten oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, ausgenommen auf Streckenteilen, die in der jeweiligen Fahrtrichtung nur einen Fahrstreifen aufweisen, oder in Gegenverkehrsbereichen."

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die genannte Verordnung in Übereinstimmung mit § 14 Abs. 6 IG-L durch Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO, die mit Zusatztafeln mit dem Wortlaut "Immissionsschutzgesetz-Luft" versehen seien, kundgemacht worden sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Verkehrszeichen am Anfang und am Ende des Teils des Sanierungsgebietes, für den die Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet wurde, (Straßenkilometer 131,536 bis Straßenkilometer 145,100) an beiden Seiten der jeweiligen Richtungsfahrbahn aufgestellt gewesen seien.

Auch der Beschwerdeführer hatte im Berufungsverfahren in einer Stellungnahme vom zugestanden, dass die Verordnung in Fahrtrichtung Westen bei Kilometer 131,536, in weiterer Folge erst wieder bei Kilometer 134,388, durch zwei Vorschriftszeichen im Sinne des § 52 lit. a Z. 10a StVO beidseitig auf der Inntalautobahn kundgemacht worden sei. Der Beschwerdeführer bemängelte aber, dass die dazwischen aufgestellten "Wiederholungszeichen" entgegen § 48 Abs. 2 StVO bei Kilometer 132,604 und Kilometer 133,916 nur auf der rechten Seite der A 12 angebracht gewesen seien. Zum Tatzeitpunkt sei der Beschwerdeführer bei der Anschlussstelle Imster-Au bei Kilometer 132,604 auf die A 12 aufgefahren, wobei ihm durch einen großen Reisebus und infolge eines stark beschleunigenden Wechsels auf die linke Fahrspur die Sicht auf das gesetzwidrig nur auf der rechten Seite angebrachte "Wiederholungszeichen" genommen worden sei. Da die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung bei Kilometer 133,745 gemessen worden sei, sei es ihm nicht möglich gewesen, bis dorthin die verordnende Geschwindigkeitsbeschränkung wahrzunehmen, weil die genannten Verkehrszeichen nicht beidseitig angebracht gewesen seien.

Auf dieses Vorbringen, dem die belangte Behörde offenbar keine rechtliche Relevanz zugemessen und diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen hat, kommt der Beschwerdeführer in der Beschwerde wieder zurück und wiederholt seinen Einwand, er habe das bei Kilometer 132,604 entgegen § 48 Abs. 2 StVO nur auf der rechten Seite angebrachte Verkehrszeichen nicht wahrnehmen können. Daher erweise sich seine Bestrafung als rechtswidrig.

Aus § 48 Abs. 1 StVO ergibt sich, dass der Inhalt der durch ein Verkehrszeichen kundgemachten Verordnung - hier die Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem IG-L - für die Lenker herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkennbar sein müssen. In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung des § 48 Abs. 2 StVO zu sehen, wonach u.a. Vorschriftszeichen wie Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen grundsätzlich auf beiden Seiten oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen sind. Diese Bestimmung verfolgt den Zweck, auf Autobahnen mit mehreren Fahrstreifen sicherzustellen, dass auch Fahrzeuglenker, die nicht den rechten Fahrstreifen benutzen, Gefahren- und Vorschriftszeichen auf jeden Fall wahrnehmen können, auch wenn sie gerade an einem auf dem rechten Fahrstreifen befindlichen Fahrzeug vorbeifahren und daher die auf der rechten Fahrbahnseite angebrachten Verkehrszeichen nicht wahrnehmen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0027).

Folgt man dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dann hätte sich vorliegend gerade jener Fall verwirklicht, dem die Verpflichtung zur Anbringung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen auf beiden Seiten der Richtungsfahrbahn entgegenwirken sollen. Wurde zwar erkannt, dass nach dem Einmünden einer Auffahrt im Bereich des Sanierungsgebietes der Inntalautobahn die (wiederholende) Anbringung eines die verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung kundmachenden Verkehrszeichens notwendig ist, um einen erst innerhalb des Sanierungsgebietes auf die Autobahn auffahrenden Fahrzeuglenker von der Geschwindigkeitsbeschränkung in Kenntnis zu setzen, dann hätte die Vorschrift des § 14 Abs. 6 IG-L und der §§ 44 und 48 StVO für die Annahme einer ordnungsgemäßen Kundmachung eingehalten werden müssen. Die belangte Behörde hat somit - ausgehend von einer anderen Rechtsansicht - Feststellungen zu der Behauptung des Beschwerdeführers unterlassen, die in Rede stehende Geschwindigkeitsbeschränkung sei vor der zur Bestrafung führenden Geschwindigkeitsmessung bei Kilometer 133,745 für ihn nicht wahrnehmbar gewesen, weil er erst bei Kilometer 132,604 auf die Autobahn aufgefahren und das dort angebrachte, die Geschwindigkeitsbeschränkung anzeigende Verkehrszeichen nur auf der rechten Fahrbahnseite angebracht gewesen sei.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Zur Vollständigkeit ist zu dem Beschwerdeeinwand, hinsichtlich der beidseitigen Aufstellung der Verkehrszeichen zu Beginn des Sanierungsgebietes sei entgegen § 44 Abs. 1 zweiter Satz StVO kein Aktenvermerk angelegt worden, Folgendes festzuhalten:

Selbst wenn diese als bloße Ordnungsvorschrift zu qualifizierende Bestimmung verletzt worden wäre, würde dies weder die Normqualität der kundzumachenden Verordnung noch auch die Rechtmäßigkeit ihrer Kundmachung berühren (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 8.894, und die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/02/0244, vom , Zl. 97/02/0246, und vom , Zl. 2001/03/0403). So ist unbestritten, dass die entsprechenden die Verordnung kundmachenden Verkehrszeichen am Beginn und am Ende des Sanierungsgebietes aufgestellt wurden. Einer konkreten Festlegung jener Punkte, an denen innerhalb des von der Verordnung erfassten Sanierungsgebietes die Aufstellung von Verkehrszeichen zu wiederholen ist, bedarf es - entgegen der Meinung in der Beschwerde - in der Verordnung selbst nicht. Die belangte Behörde hat sich auch nicht auf den Standpunkt gestellt, die Kundmachung der Verordnung sei durch Straßenverkehrszeichen nicht möglich und hat demzufolge - zu Recht - auch nicht die Anwendung der Bestimmungen des § 44 Abs. 2b und 3 StVO in Betracht gezogen. Der zeitlichen Befristung der verordnenden Geschwindigkeitsbeschränkung (fallbezogen vom bis ) wurde ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass die Verkehrszeichen (unbestritten) erst am aufgestellt (abgedeckt) wurden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte Umsatzsteuer. Deren Ersatz ist bereits im pauschalierten Kostenersatz enthalten.

Wien, am