VwGH vom 17.04.2009, 2007/03/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des E M in T, Italien, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom , Zl uvs- 2007/27/1634-1, betreffend Verfall einer vorläufigen Sicherheit in einem Verfahren wegen einer Übertretung des GütbefG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde die am wegen einer Übertretung nach § 23 Abs 1 Z 8 in Verbindung mit § 9 Abs 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1 GütbefG vom Beschwerdeführer als Vertreter der Firma E Transport SRL mit Sitz in Italien eingehobene vorläufige Sicherheit in der Höhe von EUR 1.450,-- gemäß § 37a Abs 5 in Verbindung mit § 37 Abs 5 VStG für verfallen erklärt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
Da der Verdacht einer Übertretung des § 9 Abs 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1 GütbefG bestanden habe (der Lenker habe keine Gemeinschaftslizenz mitgeführt), sei zu Recht eine vorläufige Sicherheit eingehoben worden. Gemäß § 37 Abs 5 VStG könne diese für verfallen erklärt werden, sobald sich der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. Da mit Italien kein zwischenstaatliches Abkommen zur Vollstreckung von Verwaltungsstrafen bestehe, sodass eine zwangsweise Durchsetzung einer durch eine Geldstrafe individuell festgesetzten Verpflichtung betreffend eines in Italien aufhältigen Beschuldigten nicht möglich sei, liege eine der Voraussetzungen für eine Verfallserklärung, nämlich die Unmöglichkeit der Vollstreckung vor. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer durch einen österreichischen Rechtsanwalt vertreten sei, weshalb die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens gewährleistet sei, ändere nichts daran, dass ein Vollzug der Strafe in Italien mangels eines zwischenstaatlichen Abkommens unmöglich wäre.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, zu welcher der Beschwerdeführer Stellung genommen hat, in einem gemäß § 12 Abs 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
2.1. Gemäß § 37a Abs 1 VStG kann die Behörde besonders geschulte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigen, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von EUR 180,-- festzusetzen und einzuheben. Besondere Ermächtigungen in anderen Verwaltungsvorschriften bleiben unberührt.
Gemäß § 37a Abs 2 Z 2 VStG kann sich die Ermächtigung darauf beziehen, dass das Organ von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung oder der Strafvollzug offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, die vorläufige Sicherheit einhebt.
§ 24 GütbefG legt fest, dass als vorläufige Sicherheit im Sinne des § 37a VStG unter anderem bei Verdacht einer Übertretung der Vorschriften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen (§§ 7 bis 9) ein Betrag von EUR 1.453,-- festgesetzt werden kann. Bei Verdacht einer Übertretung des Unternehmers gilt dabei der Lenker als Vertreter des Unternehmers, falls nicht dieser selbst oder ein von ihm bestellter Vertreter bei den Amtshandlungen anwesend ist.
Gemäß § 37a Abs 5 VStG wird die vorläufige Sicherheit frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist oder wenn nicht binnen sechs Monaten gemäß § 37 Abs 5 VStG der Verfall ausgesprochen wird.
Gemäß § 37 Abs 5 VStG kann die Sicherheit für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 VStG ist sinngemäß anzuwenden.
2.2. Nach der dargestellten Rechtslage ist die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit, liegt ein dringender Tatverdacht vor, also schon dann zulässig, wenn eine Strafverfolgung oder der Strafvollzug "offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird". Der Umstand, dass der einer Verwaltungsübertretung Verdächtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, begründet regelmäßig Erschwernisse bei der Strafverfolgung, rechtfertigt also - dringenden Tatverdacht vorausgesetzt - die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass die Voraussetzungen für die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit vorgelegen sind.
2.3. Dem gegenüber reichen für den Ausspruch des Verfalls nach § 37 Abs 5 VStG bloße Erschwernisse bei Strafverfolgung oder - vollzug nicht. Vielmehr ist dafür erforderlich, dass sich entweder die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist.
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde selbst nicht davon ausgegangen, dass die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen den durch einen österreichischen Rechtsanwalt vertretenen Beschwerdeführer unmöglich sei; tatsächlich ist auch ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer anhängig. Sie vermeinte aber, dass der Ausspruch des Verfalls jedenfalls deshalb berechtigt sei, weil der Vollzug einer Strafe in Italien unmöglich wäre.
2.4. Gegen diese Auffassung wendet sich die Beschwerde mit Recht:
Wohl trifft es zu, dass der Verfall einer vorläufigen Sicherheit gemäß § 37 Abs 5 VStG (alternativ) darauf gestützt werden kann, dass entweder die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe unmöglich ist. Auf den zweiten Fall (Unmöglichkeit des Vollzugs der Strafe) kann der Ausspruch des Verfalls aber erst dann gestützt werden, wenn bereits eine Strafe verhängt wurde. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut (Arg: "Vollzug der Strafe"), sondern auch aus folgenden Überlegungen:
Würde für den Verfall einer vorläufigen Sicherheit tatsächlich schon ausreichen, dass der Vollzug einer allfälligen Strafe (etwa mangels entsprechenden Rechtshilfeübereinkommens) unmöglich wäre, ohne dass mangels Abschlusses eines Strafverfahrens schon feststünde, ob überhaupt eine Strafe zu verhängen ist, wäre die tatsächliche Durchführung eines Strafverfahrens entbehrlich. Eine solche Sichtweise stünde aber nicht damit in Einklang, dass die vorläufige Sicherheit gemäß § 37a VStG die Durchführung des Strafverfahrens bzw den Vollzug der Strafe sichern, nicht aber ersetzen soll (vgl das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2006/03/0129). Sie stünde aber auch in einem deutlichen Gegensatz zu den Garantien des Art 6 EMRK, würde doch dadurch nicht nur einem Beschuldigten die Möglichkeit genommen, im Strafverfahren seine Rechte zu vertreten, sondern käme es - ohne Durchführung eines ordentlichen Strafverfahrens - zu einem Eingriff in die Vermögensrechte des Betroffenen ohne Gewährleistung einer wirksamen Rechtsverfolgung.
Daraus folgt aber, dass dann, wenn die Durchführung eines Strafverfahrens möglich ist (bei entsprechender Mitwirkung des Beschuldigten auch ohne Bestehen eines Rechtshilfeübereinkommens), ein Verfall nicht schon unter Berufung auf die Unmöglichkeit des Vollzugs einer allfällig zu verhängenden Strafe ausgesprochen werden darf.
2.5. Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
3. Er war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am