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VwGH vom 26.11.2014, 2011/13/0024

VwGH vom 26.11.2014, 2011/13/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der MMag. Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0010-G/11, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1999, 2000 und 2002 sowie Einkommensteuer 1999, 2000 und 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer und die Einkommensteuer 2000 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der angefochtene Bescheid erging im fortgesetzten Verfahren nach dem hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0157 (im Folgenden: Vorerkenntnis), auf welches - was den näheren Sachverhalt betrifft - zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Die Beschwerdeführerin erzielte als Lehrerin an einer berufsbildenden höheren Schule Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und war daneben als Rechtsanwältin tätig. Aus der Tätigkeit als Rechtsanwältin erklärte sie für die Jahre 1989 bis 2002 Verluste, die vom Finanzamt erklärungsgemäß berücksichtigt wurden. Im Gefolge einer Außenprüfung verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1999 bis 2002 und erließ Einkommensteuerbescheide für diese Jahre, in denen es die Verluste aus der anwaltlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin außer Ansatz ließ.

Einer gegen die Wiederaufnahme der Verfahren und die Einkommensteuer 1999 bis 2002 gerichteten Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom , GZ. RV/0205- G/07, miterledigt RV/0206-G/07, RV/0325-G/07 (im Folgenden: Vorbescheid), keine Folge, wobei sie - wie zuvor das Finanzamt - den schlechten Standort der von der Beschwerdeführerin betriebenen Anwaltskanzlei, weiters das Unterbleiben von strukturverbessernden Maßnahmen und schließlich die Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit als neu hervorgekommene, eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigende Tatsachen ansah.

Mit dem Vorerkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid vom , soweit er die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren und die Einkommensteuer 2000 und 2001 betraf, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Zur Wiederaufnahme des Verfahrens führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der Standort der Beschwerdeführerin und das lokale Umfeld keine neuen Tatsachen darstellten. Die Qualifikation einer Infrastruktur als schlecht oder einer Klientel als lukrativ und finanzkräftig in einem bestimmten "lokalen Umfeld" sei für sich keine Tatsache. Die Tatsache des Kanzleisitzes und damit dieses Umfeldes sei dem Finanzamt aber seit Beginn der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Rechtsanwältin bekannt gewesen.

Das Unterlassen strukturverbessernder Maßnahmen als solches könne laut Vorerkenntnis nur dann eine dem Finanzamt bisher nicht bekannte Tatsache gewesen sein, wenn das Finanzamt zuvor davon ausgegangen wäre, dass strukturverbessernde Maßnahmen gesetzt worden wären. Dass dies der Fall gewesen sei, sei aber weder den Bescheiden des Finanzamtes noch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, weshalb der angefochtene Bescheid mit diesem Wiederaufnahmegrund nicht rechtens begründet werden könne.

Dass die Beschwerdeführerin durch persönliche Umstände gezwungen gewesen sei, ihren Beruf als Rechtsanwältin zu reduzieren, sei erstmals im Schriftsatz vom betreffend die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2000 bekannt geworden und stelle hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 schon deshalb keine neu hervorgekommene Tatsache dar, weil der Einkommensteuerbescheid 2000 am ergangen sei und in diesem Verfahren damit keine neu hervorgekommene Tatsache darstellen könne. Diesbezüglich sei weiters zu prüfen, ob die Behörde bei Kenntnis des als neu hervorgekommene Tatsache zu wertenden Umstandes, dass die Beschwerdeführerin durch persönliche Umstände die anwaltliche Tätigkeit habe reduzieren müssen, zu einem anders lautenden Bescheid hätte gelangen müssen. Sollten die von der belangten Behörde herangezogenen, nicht näher beschriebenen "persönlichen Umstände" der Beschwerdeführerin entscheidende Unwägbarkeiten gewesen sein, so seien sie für die bei der Liebhabereibeurteilung anzustellende Prognose eines Gesamtgewinnes insoweit ohne Bedeutung, als diese Umstände jedenfalls für Zeiten vor ihrem Eintritt nicht einzuberechnen seien. Die belangte Behörde - wie auch das Finanzamt - hätten sich aber jeglicher Konkretisierung dieser näheren Umstände enthalten, insbesondere jeglicher Aussagen, wann diese Umstände eingetreten seien und wann die Auswirkung dieser Umstände in der Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit eingetreten sei. Somit sei die Prüfung nicht möglich, ob die Kenntnis dieser Umstände einen anders lautenden - nämlich einen von Liebhaberei ausgehenden - Bescheid herbeigeführt hätte.

Im nunmehr angefochtenen, die Berufung wieder abweisenden Bescheid vom wird in Bezug auf die Wiederaufnahme u. a. ausgeführt:

"Das Finanzamt hat die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Streitjahre ua. damit begründet, dass die Bw in den Streitjahren keine strukturverbessernden Maßnahmen (Standortverlegung, Akquirierung des 'wirtschaftlich notwendigen Kundenpotentials') gesetzt hat und dass die Bw durch persönliche Umstände gezwungen gewesen ist, ihren Beruf als Anwältin zu reduzieren (siehe die gesonderte Begründung zur Wiederaufnahme der Verfahren vom ).

Diese Tatsachen sind im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung und danach neu hervor gekommen. Zum Zeitpunkt der Erlassung der 'ursprünglichen' Einkommensteuerbescheide (also jene Bescheide, die vor der abgabenbehördlichen Prüfung ergangen sind) waren diese Tatsachen dem Finanzamt nicht bekannt, zumal das Finanzamt - wie auch der unabhängige Finanzsenat - davon ausgehen konnte und auch davon ausging, dass die Bw im Hinblick auf ihr Schreiben vom (Bekundung des Bemühens, bessere Ergebnisse zu erwirtschaften) bestrebt war, in allen Streitjahren entsprechende strukturverbessernde Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage ihrer Rechtsanwaltstätigkeit zu setzen, weshalb auch die Berücksichtigung der Verluste bei der (Erst )Veranlagung ohne Weiteres erfolgte.

Was die neu hervorgekommene Tatsache der Reduzierung ihrer Anwaltstätigkeit betrifft, so geht der unabhängige Finanzsenat in freier Beweiswürdigung davon aus, dass auf die 'zwischenzeitige Reduktion' der Tätigkeit nicht mit auf die Liebhabereibeurteilung Einfluss nehmenden maßgeblichen Unwägbarkeiten im Zusammenhang stand (siehe oben)."

Weshalb die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung davon ausging, dass die Reduktion der Tätigkeit nicht mit auf die Liebhabereibeurteilung Einfluss nehmenden maßgeblichen Unwägbarkeiten im Zusammenhang stand, wird an anderer Stelle des angefochtenen Bescheides (Abweisung der Berufung gegen die Sachbescheide) wie folgt begründet:

"Enthalten hat sich die Bw der Mitwirkung im Bemühen des

unabhängigen Finanzsenates, die näheren Umstände der Reduzierung

der Rechtsanwaltstätigkeit zu klären. Die Bw hat trotz konkreter

Fragen dazu (siehe die Fragen 2 bis 5 der gleichlautenden

Vorhaltsschreiben vom und vom ) nur

vorgebracht, dass ihr Vater im Dezember 1997 gestorben sei und

dazu bloß pauschal behauptet, 'die Folgewirkungen daraus dauerten

in etwa drei Jahre und brachten Beeinträchtigungen im Anwaltsberuf

mit sich' (siehe die Antwort zu Punkt 3 im

Vorhaltsbeantwortungsschreiben der Bw vom ,

Seite 3). Unbeantwortet geblieben sind die Fragen des unabhängigen

Finanzsenates

- wie viele Fälle sie in den einzelnen Streitjahren

und davor (soweit noch Aufbewahrungspflicht besteht) bearbeitet hat,

- wann genau sie ihre Tätigkeit reduziert hat (mit dem

Tod des Vaters?),

- ob noch andere Umstände für die 'zwischenzeitige

Reduktion' ihrer Tätigkeit verantwortlich waren,

- ob sie zu einem späteren Zeitpunkt ihre Tätigkeit

wieder intensiviert hat und

- ob bzw. wie sich die 'zwischenzeitige Reduktion' der

Tätigkeit auf die Einnahmen-Ausgaben-Situation ausgewirkt hat.

Der unabhängige Finanzsenat geht daher aufgrund des auf bloßer Behauptungsebene gebliebenen Vorbringens der Bw in freier Beweiswürdigung davon aus, dass auf die 'zwischenzeitige Reduktion' der Tätigkeit nicht mit auf die Liebhabereibeurteilung Einfluss nehmenden maßgeblichen Unwägbarkeiten im Zusammenhang stand.

Im Übrigen ist im Hinblick auf die Betriebsergebnisse der Vorjahre davon auszugehen, dass - wäre die 'zwischenzeitige Reduktion' der Tätigkeit tatsächlich auf Unwägbarkeiten zurückzuführen gewesen - die Betriebsergebnisse auch bei 'Nichtreduktion' der Tätigkeit weiterhin negativ gewesen wären."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Im Vorbescheid hat die belangte Behörde - unter Bezugnahme auf die Wiederaufnahmsbescheide des Finanzamtes - den schlechten Standort der Anwaltskanzlei, das Unterlassen strukturverbessernder Maßnahmen und die Reduktion der rechtsanwaltlichen Tätigkeit durch die Beschwerdeführerin als Wiederaufnahmsgründe angesehen.

Der schlechte Standort der Anwaltskanzlei wird im nunmehr angefochtenen Bescheid nicht mehr als Wiederaufnahmsgrund herangezogen.

Die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 1999, 2000 und 2002 sei laut dem nunmehr angefochtenen Bescheid aber zulässig, weil die Beschwerdeführerin keine strukturverbessernden Maßnahmen "(Standortverlegung, Akquirierung des 'wirtschaftlich notwendigen Kundenpotentials')" gesetzt und ihre anwaltliche Tätigkeit reduziert habe.

Das Unterlassen strukturverbessernder Maßnahmen kann laut Vorerkenntnis nur dann eine dem Finanzamt nicht bekannte Tatsache gewesen sein, wenn das Finanzamt zuvor (im Zeitpunkt der Erlassung der wiederaufgenommenen Bescheide) davon ausgegangen ist, dass strukturverbessernden Maßnahmen gesetzt wurden. Letzteres sei laut dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Fall gewesen, weil "das Finanzamt - wie auch (die belangte Behörde) - davon ausgehen konnte und auch davon ausging, dass die (Beschwerdeführerin) im Hinblick auf ihr Schreiben vom (Bekundung des Bemühens, bessere Ergebnisse zu erwirtschaften) bestrebt war, in allen Streitjahren entsprechende strukturverbessernde Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage ihrer Rechtsanwaltstätigkeit zu setzen". Damit verkennt die belangte Behörde, dass die Enttäuschung der durch das Schreiben vom hervorgerufenen Erwartungen allenfalls die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2002 rechtfertigen könnte. Aber auch für dieses Jahr wird der Wiederaufnahmsgrund nicht in einer dem Vorerkenntnis entsprechenden Weise ausgeführt. Es wird ja nicht etwa behauptet, dass Finanzamt sei 2004 (der Einkommensteuerbescheid 2002 ist am ergangen) davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe noch 2002 (oder überhaupt) eine "Standortverlegung" vorgenommen (an erster Stelle angeführte "Maßnahme").

Die Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit wurde von der Beschwerdeführerin im Veranlagungsverfahren für das Jahr 2000 bekanntgegeben und stellt in Bezug auf dieses Verfahren - wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt - schon deshalb keine neu hervorgekommene Tatsache dar. Die im nunmehr angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, diese Tatsache sei "im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung und danach neu hervorgekommen", steht daher für dieses Jahr mit dem Akteninhalt in Widerspruch und setzt sich zudem über das Vorerkenntnis hinweg, sodass der angefochtene Bescheid für dieses Jahr wiederum mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist. Dass die Beschwerdeführerin die Reduktion ihrer Tätigkeit "nur" mit dem Tod des Vaters begründet und "bloß pauschal behauptet" habe, die "Folgewirkungen daraus" hätten drei Jahre gedauert, trifft ebenfalls nicht zu. Die Beschwerdeführerin hat im Berufungsverfahren (Vorhaltsbeantwortung vom ) auch vorgebracht, es sei ihr damals gesundheitlich nicht gut gegangen, "woraus sich zwangsweise Reduktionen in meiner Tätigkeit ergeben haben". Darauf geht der angefochtene Bescheid nicht ein. Soweit die belangte Behörde den in freier Beweiswürdigung angenommenen Sachverhalt damit umschreibt, dass die Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit "nicht mit auf die Liebhabereibeurteilung Einfluss nehmenden maßgeblichen Unwägbarkeiten im Zusammenhang" gestanden sei, bedient sie sich im Übrigen einer Beweiswürdigung, die sich nicht auf Tatsachen, sondern unmittelbar auf die Rechtsfrage bezieht. Abgesehen davon wird im angefochtenen Bescheid auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit, trotz der Feststellung, dass "die Betriebsergebnisse auch bei 'Nichtreduktion' der Tätigkeit weiterhin negativ gewesen wären", einen Wiederaufnahmsgrund darstellen könnte.

Der nunmehr angefochtene Bescheid erweist sich daher hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2000 und dementsprechend auch betreffend die Festsetzung der Einkommensteuer 2000 als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Soweit der Bescheid die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Festsetzung der Einkommensteuer für 1999 und 2002 betrifft, war er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren betreffend Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil nach § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG nur der Ersatz des Aufwandes gebührt, der für den Beschwerdeführer als obsiegende Partei mit der Einbringung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war. Ersatz für Schriftsatzaufwand kommt daher dann nicht in Betracht, wenn ein Rechtsanwalt - wie im Beschwerdefall - in eigener Sache einschreitet.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am