VwGH vom 11.06.2014, 2013/22/0377
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2013/22/0381 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die als Revision zu wertende Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-11-0253, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L vom wurde über den Revisionswerber, einen Staatsangehörigen des Kosovo, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden kurz als "Behörde" bezeichnet) der Berufung des Revisionswerbers gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid insoweit ab, als die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit sieben Jahren festgesetzt wurde.
Nach auszugsweiser Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und des Berufungsvorbringens führte die Behörde aus:
"Hinsichtlich des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhaltes ist auf die zutreffenden Sachverhaltsdarstellungen des Erstbescheides zu verweisen.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wird nur dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung anderes anordnet oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Da die Übergangsbestimmungen (§ 125 Abs. 16 FPG 2005) nur vorsehen, dass vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt gültig bleiben, aber keine Regelung in der Art enthalten, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) bereits anhängig waren, nach der alten Rechtslage fortzuführen sind, waren die novellierten Bestimmungen anzuwenden."
Anschließend stellte die Behörde einige Bestimmungen des FPG dar und schloss die Begründung folgendermaßen:
"Im vorliegenden Fall ist der dem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zugrundeliegende Sachverhalt durch die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens sowie durch die nach der Aktenlage getroffenen Tatsachenfeststellungen zweifelsfrei erwiesen.
Der BW ist unstrittig Drittstaatsangehöriger und verfügte bei der Verwirklichung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes über einen Aufenthaltstitel.
Wie sich aus den hier anzuwendenden Bestimmungen des § 63 FPG 2005 i.d.g.F. ergibt, kann bei der hier erwiesenen Sachverhaltslage ein Aufenthaltsverbot von höchstens 10 Jahren verhängt werden, keinesfalls jedoch ein solches mit unbefristeter Dauer. Aufgrund der gefährdungsrelevanten Vorgeschichte des BW und dem hieraus abgeleiteten persönlichen Verhalten konnte die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit sieben Jahren neu bestimmt werden.
Der Berufung des (Beschwerdeführers) war aus den genannten Gründen teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene und als Revision zu wertende Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Da der angefochtene Bescheid vor Ablauf des erlassen wurde und die Beschwerdefrist mit Ende dieses Tages noch gelaufen ist, gelten gemäß § 4 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, für die Behandlung der Revision die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.
Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am sind die Bestimmungen des FPG idF BGBl. I Nr. 144/2013 maßgeblich.
Wie der Verwaltungsgerichtshof jüngst (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2013/22/0326) dieselbe Behörde betreffend erneut klargestellt hat, sind gemäß § 60 AVG in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies gilt auch für Berufungsbescheide, wobei die Berufungsbehörde auch auf Feststellungen der Unterinstanz verweisen kann, wenn sie in der Frage des Sachverhalts und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist und der Berufungsinstanz keine durch die Begründung der Unterinstanz offen gelassene Frage vorgelegt worden ist. Auch in diesem Fall muss freilich aus der Begründung des Berufungsbescheides erkennbar sein, welche Sachverhaltsfeststellungen und/oder rechtliche Erwägungen der erstinstanzlichen Behörde die Berufungsbehörde übernimmt und die Berufungsbehörde muss zudem in der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lassen, in welcher Weise sie sich mit dem Berufungsvorbringen auseinander gesetzt hat oder auf Grund welcher Erwägungen sie entgegen dem Berufungsvorbringen an den Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Ausführungen der ersten Instanz festhält.
Dem angefochtenen Bescheid fehlt es nicht nur an jeglicher nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, sondern auch an der gemäß § 61 FPG geforderten Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK. Schon deshalb war der die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ignorierende angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-89039