VwGH vom 11.06.2014, 2013/22/0371
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-11-0037, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L vom wurde über den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden kurz als "Behörde" bezeichnet) der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid insoweit ab, als die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit drei Jahren festgesetzt wurde.
Nach auszugsweiser Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und des Berufungsvorbringens führte die Behörde aus:
"Hinsichtlich des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhaltes ist auf die zutreffenden Sachverhaltsdarstellungen des Erstbescheides zu verweisen.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wird nur dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung anderes anordnet oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Da die Übergangsbestimmungen (§ 125 Abs. 16 FPG 2005) nur vorsehen, dass vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt gültig bleiben, aber keine Regelung in der Art enthalten, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) bereits anhängig waren, nach der alten Rechtslage fortzuführen sind, waren die novellierten Bestimmungen anzuwenden."
Anschließend stellte die Behörde einige Bestimmungen des FPG dar und schloss die Begründung folgendermaßen:
"Im vorliegenden Fall ist der dem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zugrundeliegende Sachverhalt durch die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens sowie durch die nach der Aktenlage getroffenen Tatsachenfeststellungen zweifelsfrei erwiesen.
Der Berufungswerber ist deutscher Staatsangehöriger und mithin EWR-Bürger.
Wie sich aus den hier anzuwendenden Bestimmungen des § 67 FPG 2005 i.d.g.F. ergibt, kann bei der hier erwiesenen Sachverhaltslage ein Aufenthaltsverbot von höchstens 10 Jahren verhängt werden, keinesfalls jedoch ein solches mit unbefristeter Dauer. Aufgrund der gefährdungsrelevanten Vorgeschichte des BW und dem hieraus abgeleiteten persönlichen Verhalten konnte die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit drei Jahren neu bestimmt werden.
Der Berufung des (Beschwerdeführers) war aus den genannten Gründen teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Weiters sind angesichts der Zustellung des gegenständlichen Bescheides im November 2013 die Bestimmungen des FPG idF BGBl. I Nr. 144/2013 maßgebend.
Wie der Verwaltungsgerichtshof jüngst (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 2013/22/0326, und vom heutigen Tag, Zl. 2013/22/0377) dieselbe Behörde betreffend erneut klargestellt hat, sind gemäß § 60 AVG in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies gilt auch für Berufungsbescheide, wobei die Berufungsbehörde auch auf Feststellungen der Unterinstanz verweisen kann, wenn sie in der Frage des Sachverhalts und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist und der Berufungsinstanz keine durch die Begründung der Unterinstanz offen gelassene Frage vorgelegt worden ist. Auch in diesem Fall muss freilich aus der Begründung des Berufungsbescheides erkennbar sein, welche Sachverhaltsfeststellungen und/oder rechtliche Erwägungen der erstinstanzlichen Behörde die Berufungsbehörde übernimmt und die Berufungsbehörde muss zudem in der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lassen, in welcher Weise sie sich mit dem Berufungsvorbringen auseinander gesetzt hat oder auf Grund welcher Erwägungen sie entgegen dem Berufungsvorbringen an den Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Ausführungen der ersten Instanz festhält.
Dem angefochtenen Bescheid fehlt es nicht nur an einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, sondern auch an der gemäß § 61 FPG geforderten Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am