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VwGH vom 20.12.2010, 2007/03/0168

VwGH vom 20.12.2010, 2007/03/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J F in S, vertreten durch Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwalt in 9300 St. Veit/Glan, Schillerplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl KUVS-K3-1680/5/2006, betreffend ein Vergehen gegen die Standespflichten nach dem Kärntner Jagdgesetz 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe im November 2001 in seinem Eigenjagdgebiet A und somit in einem Gebiet, in dem Rotwild regelmäßig vorkomme, dem Wild in zwei nicht genehmigten und nicht rotwilddicht eingezäunten Fütterungsanlagen Heu und Mais und bei einer der beiden Anlagen auch außerhalb derselben Zuckerrüben und Trester vorgelegt. Er habe dadurch gröblich jagdrechtliche Vorschriften, und zwar § 61 Abs 2a lit b, d, e, f und g Kärntner Jagdgesetz 2000 (K-JG) übertreten und die Interessen der Kärntner Jägerschaft verletzt; er habe somit ein Vergehen gegen die Standespflicht nach § 90 Abs 2 K-JG begangen, wofür über ihn gemäß § 90 Abs 6 K-JG die Disziplinarstrafe des Ausschlusses aus der Kärntner Jägerschaft auf die Dauer von zwei Jahren verhängt wurde.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab.

Über Beschwerde des Beschwerdeführers hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid mit Erkenntnis vom , Zl 2003/03/0212 (im Folgenden: Vorerkenntnis), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Aus der Begründung dieses Erkenntnisses sind folgende für das fortgesetzte Verfahren relevante Erwägungen hervorzuheben:

"Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass "zweifelsfrei davon auszugehen gewesen" sei, dass beide Fütterungsanlagen am Tag der Besichtigung durch den Zeugen DI M nicht umzäunt gewesen seien. DI M habe anlässlich seiner Begehung am eine Umzäunung der Fütterungsanlagen, wie sie auf den Lichtbildern dargestellt waren, nicht festgestellt", sie seien daher "zweifelsfrei (...) an diesem Tag nicht umzäunt" gewesen. Die Fütterungsanlagen würden selbst unter Hinweis auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbilder keine vollständige Einzäunung aufweisen; diese hätte auch um die Fütterungsraufe (für Heu) herumführen müssen.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass die Fütterungsanlagen nicht rotwilddicht eingezäunt gewesen seien. Zutreffend wird aufgezeigt, dass die Angaben des DI M in der Berufungsverhandlung vom , wonach "die Einzäunung bei den Fütterungsanlagen (...) in der Form, wie sie die (vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbild )Beilagen 4 - 7 wiedergeben, zu meinem Besichtigungszeitpunkt nicht vorhanden" gewesen sei, insoweit im Widerspruch zu dem von der belangten Behörde eingeholten Untersuchungsbericht der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom stehen, als dort festgestellt wird, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbilder Beilagen ./4 bis ./7 bereits am - somit vor der Besichtigung durch DI M - ausgedruckt (hergestellt) worden seien. Berücksichtigt man diesen Bericht - mit dem sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht mehr befasst hat - würden die Lichtbilder aber einen zum Zeitpunkt der Begehung durch DI M am bereits bestehenden Zustand der Fütterungsanlagen wiedergeben, auf dem jedenfalls eine - wenn auch möglicherweise nur teilweise wirksame - Umzäunung der Fütterungsanlagen erkennbar ist.

Die Feststellung, wonach davon auszugehen gewesen sei, dass beide Fütterungsanlagen am nicht umzäunt gewesen seien, ist somit nicht schlüssig begründet.

In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer auch zutreffend geltend, dass im Disziplinarverfahren die Beweislast grundsätzlich nicht den Beschuldigten trifft. Es kommt daher - entgegen der Meinung der belangten Behörde - nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer keine vollständige Einzäunung habe nachweisen können.

... Da der angefochtene Bescheid sohin mit den aufgezeigten

Begründungsmängeln behaftet ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem für den Beschwerdeführer insgesamt günstigeren Ergebnis gekommen wäre, kommt diesen Verfahrensfehlern entscheidungswesentliche Bedeutung zu."

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers - nach Durchführung einer ergänzenden Berufungsverhandlung am - gemäß § 66 Abs 4 AVG ab.

Begründend stellte sie - wie schon im ersten Rechtsgang - unter anderem fest, dass die strittigen Fütterungsstellen keine rotwilddichte Umzäunung aufgewiesen hätten. Dieser Sachverhalt stehe insbesondere aufgrund der ergänzenden zeugenschaftlichen Befragung von DI M fest. Er habe unzweifelhaft und absolut überzeugend ausgeführt, dass er die verfahrensgegenständlichen Wahrnehmungen vom dem Bezirksjägermeister nicht zur Kenntnis gebracht hätte, wenn die Fütterungen rotwilddicht eingezäunt gewesen wären. Selbst nach Vorhalt der Lichtbildbeilagen 4, 6 und 7 sei er völlig sicher gewesen, dass ein Zaun nicht angebracht gewesen sei. Es sei für ihn ganz klar gewesen, dass eine rotwilddichte Umzäunung nicht vorhanden gewesen sei. Die Art der gegebenenfalls vorhandenen Umzäunung sei für ihn nicht von Bedeutung gewesen. Diese glaubwürdige, widerspruchsfreie und detailreiche Sachverhaltsschilderung habe die belangte Behörde überzeugt und sie sei vom Beschwerdeführer in keiner Weise widerlegt worden.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbilder (Beilagen 4 bis 7), welche erwiesenermaßen vor der Begehung durch den Zeugen DI M, nämlich am hergestellt worden seien, sei festzuhalten, dass sie zwar möglicherweise die verfahrensgegenständlichen Fütterungsanlagen darstellten, jedoch keinerlei Beweis dafür lieferten, dass die von DI M am getroffenen Feststellungen nicht der Wahrheit entsprächen. Es sei nicht weiter zu erörtern, warum am die Situation um die Fütterungsanlagen eine andere gewesen sei als auf den am hergestellten Lichtbildern.

Die belangte Behörde habe auch keine Notwendigkeit gesehen, den in der fortgesetzten Berufungsverhandlung vom vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen RF, seinen Sohn, zu vernehmen. Der maßgebliche Tatzeitpunkt sei der gewesen. Dass der Zeuge RF an diesem Tag im Revier gewesen sei, wende der Beschwerdeführer nicht ein. Wie sich die Situation zwischen dem 17. und dem , als RF das Revier laut Aussage des Beschwerdeführer letztmalig aufgesucht habe, tatsächlich dargestellt habe, sei für die vorliegende Beurteilung unmaßgeblich. Der erkennende Senat folge der Zeugenaussage von DI M und habe lediglich den von jenem am festgestellten Sachverhalt einer Beurteilung zu unterziehen. Somit sei keine weitere zeugenschaftliche Befragung zu veranlassen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw wegen "willkürlicher Straffestsetzung" aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Soweit die Beschwerde neuerlich die rechtmäßige Zusammensetzung des Disziplinarsenats bezweifelt und Verjährung der gegenständlichen Delikte einwendet, ist gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf die - dieser Rechtsansicht entgegenstehenden - Ausführungen im Vorerkenntnis zu verweisen.

2. Die Beschwerde macht (ua) geltend, die belangte Behörde habe sich mit - näher präzisierten - Widersprüchen in der Aussage des Zeugen DI M nicht auseinander gesetzt und in vorgreifender Beweiswürdigung (insbesondere) auf die Einvernahme des Zeugen RF verzichtet. Schon aufgrund der in sich widersprüchlichen Aussage des Zeugen DI M, die mit den Lichtbildern von der Fütterungsanlage im Widerspruch stünde, wäre davon auszugehen gewesen, dass ein Beweis für die fehlende rotwilddichte Umzäunung nicht erbracht worden sei.

Schon mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine relevante Mangelhaftigkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides auf.

Die behördliche Beweiswürdigung ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zwar nur dahin unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen. Dem Gerichtshof kommt es hingegen nicht zu, die Beweiswürdigung der belangten Behörde darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Eine Beweiswürdigung ist aber nur dann schlüssig, wenn (unter anderem) alle zum Beweis strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden.

Im Übrigen sind nach dem gemäß § 90 Abs 8 K-JG iVm § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl für viele etwa das hg Erkenntnis vom , Zlen 2007/19/1248 bis 1252, mwN).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht.

Die belangte Behörde geht in ihrer Beweiswürdigung davon aus,

dass die vorgelegten Lichtbilder "erwiesenermaßen ... am

hergestellt worden" seien und "möglicherweise die verfahrensgegenständlichen Fütterungsanlagen darstellen". Trotzdem folgt sie der Darstellung des Zeugen DI M, am , also nur vier Tage später, sei kein Zaun rund um die Fütterungsanlage angebracht gewesen. In Anbetracht der sehr kurzen Zeit zwischen der fotografisch dokumentierten Umzäunung und der vom Zeugen DI M behaupteten Beobachtung eines gegenteiligen Zustandes, vermag die Begründung der belangten Behörde, sie müsse sich nicht damit beschäftigen, warum die Situation um die Fütterungsanlage am eine andere gewesen sei als vier Tage davor, nicht zu überzeugen. Eine schlüssige Beweiswürdigung hätte vielmehr eine plausible Erklärung für diese Divergenz geben müssen. Ist eine solche nicht möglich, so wäre im Zweifel - wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Vorerkenntnis ausgeführt hat - nach den Regeln über die Beweislast zugunsten des Beschwerdeführers als Disziplinarbeschuldigten zu entscheiden gewesen.

Die Begründung der belangten Behörde für die unterbliebene Einvernahme des in der Berufungsverhandlung vom vom Beschwerdeführer zum Beweis der rotwilddichten Umzäunung der Fütterungsanlagen zum Zeitpunkt der Beanstandung beantragten Zeugen RF ist im Übrigen nicht geeignet, den von der Beschwerde erhobenen Vorwurf der vorgreifenden Beweiswürdigung zum Nachteil des Beschwerdeführers zu entkräften. Im Anschluss an die beantragte Beweisaufnahme sagte der Beschwerdeführer nämlich aus, er könne heute nicht mehr genau angeben, wann sein Sohn die verfahrensgegenständliche Örtlichkeit letztmalig (vor dem ) aufgesucht habe. Er glaube, dies dürfte zwischen dem 17. und dem der Fall gewesen sein. Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass der beantragte Zeuge keine Wahrnehmungen wiedergeben hätte können, die zum Beweis der maßgeblichen Tatsachen von Bedeutung waren.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGG-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-89026