TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 11.06.2014, 2013/22/0356

VwGH vom 11.06.2014, 2013/22/0356

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom , Zl. 30101/01- 1691/1/1-2009, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Bürgermeister der Stadt S (in der Folge kurz "Behörde") den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Ghana, vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die Behörde auf die Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (nunmehr Landespolizeidirektion) vom , in der eine Ausweisung des Beschwerdeführers als zulässig nach Art. 8 EMRK gewertet worden sei.

Mit Schreiben vom sei dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einschließlich der zitierten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg mitgeteilt worden. Eine Stellungnahme sei nicht abgegeben worden.

Das Asylverfahren des (1974 in Ghana geborenen und am in das Bundesgebiet eingereisten) Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom "negativ entschieden" worden. Die dagegen erhobene Berufung habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen. Eine Patenschaftserklärung habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Der zitierten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit seiner illegalen Einreise lediglich geringfügig erwerbstätig gewesen wäre. Durch einen Versicherungsdatenauszug vom werde dokumentiert, dass der Beschwerdeführer vom bis gewerblich selbständig erwerbstätig gewesen sei und im Zeitraum bis keine Beiträge nach dem BSVG, GSVG oder FSVG gezahlt habe. Der Beschwerdeführer habe seit seiner illegalen Einreise den Lebensunterhalt überwiegend über die öffentliche Hand bestritten und Sozialhilfe in Höhe von EUR 44.291,44 bezogen. Kenntnisse der deutschen Sprache lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keine Sorgepflichten und lebe nicht mit einer Österreicherin oder daueraufenthaltsberechtigten Fremden in Lebensgemeinschaft. Mit Urteil des Bezirksgerichtes S vom sei der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dem Beschwerdeführer sei eine Existenzsicherung im Heimatland möglich und zumutbar. Den 11-jährigen Aufenthalt in Österreich habe der Beschwerdeführer weder für eine schulische noch für eine berufliche Ausbildung genützt. Spätestens ab der bereits im Juli 2003 ergangenen erstinstanzlichen negativen Entscheidung über seinen Asylantrag habe der Beschwerdeführer nicht darauf vertrauen dürfen, ein dauerndes Aufenthaltsrecht für Österreich zu erlangen. Der Sozialhilfebezug und andere Unterstützungen karitativer Einrichtungen relativierten die finanzielle Absicherung und verminderten somit die Integration, deren Bestandteil eine Selbsterhaltungsfähigkeit sei.

Zusammenfassend ergebe sich aus dem Verwaltungsakt kein hoher Integrationsgrad des Beschwerdeführers.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am sind die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 maßgebend.

§ 43 Abs. 4 NAG lautet:

"(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegen eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 oder 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein, einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Die Beschwerde rügt zunächst eine Verletzung des Parteiengehörs mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer das in der Bescheidbegründung genannte Schreiben vom nicht erhalten habe. Dieses sei gemäß dem im Akt erliegenden Rückschein von Frau Christine (richtig: Christa) S übernommen worden, die sich daran nicht mehr erinnern könne.

Demgegenüber verweist die Behörde darauf, dass dieses Schreiben vom Beschwerdeführer persönlich übernommen worden sei.

Der vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensmangel ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. In einem Aktenvermerk ist festgehalten, dass das Aufforderungsschreiben vom Beschwerdeführer und von Frau Christa S übernommen worden sei und beide auf dem Rückschein unterschrieben hätten. Auf dem Rückschein sind tatsächlich zwei Unterschriften vorhanden. Dieser dargestellte Zustellvorgang wurde nun nicht dadurch unwirksam, dass nicht nur der Adressat, sondern auch eine weitere Person die Übernahme am (nach telefonischer Terminvereinbarung) durch Unterschrift bestätigt hat.

Davon ausgehend ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Zunächst ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom rechtskräftig ausgewiesen wurde, die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2010/22/0134, als unbegründet ab.

In einem im Akt erliegenden Schriftsatz vom ersuchte der Beschwerdeführer um Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 NAG - über den mit dem angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen wurde - und verwies dabei auf seinen mehr als 10-jährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, eine Berufstätigkeit als Zeitungszusteller, auf eine "fortgeschrittene" Integration in einer christlichen Gemeinschaft und auf eine im Asylverfahren nicht ausreichend geprüfte Verfolgungssituation im Heimatland. Insgesamt wögen die privaten Interessen des Beschwerdeführers stärker als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Mit diesem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer Honorarnoten über seine Tätigkeit als Zeitungszusteller vorgelegt.

Der Behörde ist nun zwar vorzuwerfen, dass sie die daraus ableitbare Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Sie hat aber ausdrücklich den ebenfalls vorgelegten Versicherungsdatenauszug vom in der Bescheidbegründung wiedergegeben, demzufolge der Beschwerdeführer nur bis als gewerblich selbständig Erwerbstätiger gemeldet gewesen sei und die letzten 5 Monate Versicherungsbeiträge nicht bezahlt habe. Dieser Feststellung tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass aus einer Tätigkeit als Zeitungszusteller keine maßgebliche Integration am Arbeitsmarkt abzuleiten ist, durfte die Behörde insgesamt eine entscheidungswesentliche berufliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich verneinen. Abgesehen von der Selbsterhaltungsfähigkeit liegt kein weiterer in § 43 Abs. 4 NAG genannter integrationsbegründender Umstand vor. So vermag der Beschwerdeführer weder auf eine schulische oder berufliche Ausbildung noch auf Kenntnisse der deutschen Sprache zu verweisen. Soweit nämlich in der Beschwerde auf eine bestandene Sprachprüfung auf dem Niveau A2 verwiesen wird, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Somit gelangte die Behörde zu Recht zum Ergebnis, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine maßgebliche Integration zu erreichen, die Voraussetzung für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels wäre.

Soweit der Beschwerdeführer auf die nun in Kraft stehende Bestimmung des § 56 AsylG 2005 verweist, in der die sogenannte Altfallregelung dahin geregelt wurde, dass der durchgängige Aufenthalt im Bundesgebiet nur fünf Jahre betragen muss, ist ihm zu entgegnen, dass auch nach dieser Bestimmung zusätzlich zu dieser Voraussetzung - wie derzeit - der Grad der Integration zu berücksichtigen ist.

Da im vorliegenden Verfahren weder ein Eingriff in Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK zu prüfen noch eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen ist, kommt dem Vorbringen keine Relevanz zu, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Ghana unmöglich oder unzumutbar sei und er sich die vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung nicht erschlichen habe.

Letztlich meint der Beschwerdeführer, die Behörde habe weitgehend auf eigenständige Ermittlungen verzichtet und dadurch Verfahrensvorschriften verletzt. Er legt dabei aber die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar und bringt nicht vor, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären, die zu einem für ihn günstigen Ergebnis der Sache hätten führen können.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am