VwGH vom 16.12.2010, 2009/07/0040

VwGH vom 16.12.2010, 2009/07/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des E M in R, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. LAS-L106/3-2009, betreffend Versagung der agrarbehördlichen Genehmigung für die Übertragung von Anteilen an einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: Urbarialgemeinde Rohrbach, vertreten durch den Obmann Richard H in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer als Verkäufer schloss mit Johann und Anneliese P. als Käufer einen Kaufvertrag vom über zwei an die EZ 1102 als Stammsitzliegenschaft gebundene Anteile an den im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehenden agrargemeinschaftlichen Grundstücken der EZ 4, jeweils Grundbuch R.

Die Urkundenverfasser (die öffentlichen Notare Dr. H. und Dr. S.) brachten gegenüber der mitbeteiligten Partei mit Schreiben vom "den gegenständlichen Rechtserwerb namens der Vertragsschließenden im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zur Anzeige".

Die mitbeteiligte Partei legte in einem undatierten Antwortschreiben dar, dass sie seit einigen Jahren bemüht sei, Anteile zurückzukaufen. Dazu liege auch ein Grundsatzbeschluss der Vollversammlung vor, weshalb die Absicht der mitbeteiligten Partei bestehe, den "zum Verkauf anstehenden Anteil" zu kaufen, zumal der Käufer, Johann P., bisher "weder Anteilseigner noch Landwirt im eigentlichen Sinne" sei.

Dazu gab Notar Dr. H. im Auftrag von Johann und Anneliese P. mit Schreiben vom eine Stellungnahme ab, in welcher er die Geltendmachung des Vorkaufsrechtes durch die mitbeteiligte Partei hinterfragte und um die Zustimmung zur Übertragung der Agraranteile ersuchte.

Mit Antwortschreiben der mitbeteiligten Partei vom wurde eine solche Zustimmung nicht erteilt.

Mit Eingabe vom an das Amt der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (AB) ersuchte Notar Dr. H. um die agrarbehördliche Genehmigung der Übertragung von zwei Agraranteilen auf Grund des vorliegenden Kaufvertrages.

Mit Bescheid der AB vom wurde der Antrag auf agrarbehördliche Genehmigung der Übertragung von zwei Agraranteilen an den Grundstücken der EZ 4, derzeit gebunden an EZ 1102, abgewiesen; dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die mitbeteiligte Partei von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht habe.

Dagegen erhoben Johann und Anneliese P. Berufung, die mit Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG sowie den §§ 56 Abs. 2 lit. a und b und 57 Abs. 1 des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970 idF LGBl. Nr. 61/2003 (FLG), als unbegründet abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhoben Johann und Anneliese P. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Dieser wies die Beschwerde mit Beschluss vom , Zl. 2008/07/0023-3, zurück. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass nur dem Eigentümer der Anteilsrechte bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 FLG das Recht der Bewilligung zur Absonderung zustehe. Dem Käufer von Anteilsrechten - somit Johann und Anneliese P. - komme hingegen kein entsprechendes subjektives Recht und daher keine Parteistellung zu. Es könne daher von den Beschwerdeführern auch gegen einen die Bewilligung der Absonderung verweigernden Bescheid nicht Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

In weiterer Folge brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde in seiner Eigenschaft als Verkäufer einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG ein.

Begründend führte er aus, dass die Eingabe vom an die AB im Namen sämtlicher Vertragsparteien gestellt worden sei. Die AB hätte es aber bislang unterlassen über den Antrag des Beschwerdeführers als Verkäufer zu entscheiden.

Über diesen Devolutionsantrag führte die belangte Behörde am eine mündliche Verhandlung durch.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde in Spruchpunkt 1. dem Devolutionsantrag statt und wies in Spruchpunkt 2. den Antrag des Beschwerdeführers als Verkäufer auf agrarbehördliche Genehmigung der Übertragung von zwei Agraranteilen an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken der EZ 4, derzeit gebunden an EZ 1102, ab.

Zu Spruchpunkt 2. führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nach Zitierung der bezughabenden Gesetzesvorschriften begründend aus, dass in dem undatierten Schreiben der mitbeteiligten Partei, welches in Beantwortung des Schreibens der öffentlichen Notare Dr. H. und Dr. S. vom ergangen sei, im Sinne des § 57 Abs. 1 FLG erklärt werden sollte, "das Anteilsrecht selbst erwerben zu wollen".

Die Bedeutung einer Willenserklärung richte sich grundsätzlich danach, wie sie unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv vom Erklärungsempfänger verstanden werden musste (objektiver Erklärungswert).

Dieser objektive Erklärungswert verliere jedoch seine Bedeutung, sobald sich die Parteien über den Inhalt der Sache bzw. der Willenserklärung einig seien. Es gelte dann ihr übereinstimmender wahrer Wille ("natürlicher Konsens"), gleichgültig ob die Ausdrucksweise diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergebe oder nicht.

Aus der Reaktion von Notar Dr. H. sei zu ersehen, dass die undatierte Erklärung der mitbeteiligten Partei, eingegangen im Notariat am , als Ausübung des Vorkaufsrechtes zu einem Kaufpreis von EUR 16.000,-- verstanden worden sei.

Dies ergebe sich nicht nur aus der ausführlichen Auseinandersetzung im Schreiben vom an die mitbeteiligte Partei - sowie im Schreiben vom an die AB - mit der Frage, ob mit der Zahlung eines Kaufpreises von EUR 16.000,-- nicht ein Grundsatzbeschluss der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei verletzt werde bzw. dies wirtschaftlich und finanziell verantwortbar sei. Vielmehr werde es im Schreiben vom auch als bemerkenswert erachtet, "dass das Vorkaufsrecht bei einem Kaufpreis von EUR 16.000,-- im gegenständlichen Fall in Anspruch genommen wird".

Somit habe die mitbeteiligte Partei eine fristgerechte und wirksame Erklärung im Sinne des § 57 Abs. 1 FLG abgegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 2 lit. b FLG ist die Übertragung von Anteilsrechten zu genehmigen, wenn der Erwerb des Anteilsrechtes durch einen Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke in der Sitzgemeinde der Agrargemeinschaft oder in der Gemeinde, in der im Eigentum der Agrargemeinschaft befindliche Grundstücke liegen, erfolgt, der auch seinen Hauptwohnsitz entweder in der Sitzgemeinde oder in der Gemeinde, in der im Eigentum der Agrargemeinschaft befindliche Grundstücke liegen, begründet hat und die Agrargemeinschaft von ihrem Vorkaufsrecht gemäß § 57 nicht Gebrauch macht.

Nach § 57 Abs. 1 FLG ist eine beabsichtigte Übertragung auf Grund § 56 Abs. 2 lit. a und lit. b FLG der Agrargemeinschaft schriftlich anzuzeigen. Erklärt die Agrargemeinschaft nicht innerhalb von sechs Wochen vom Tage der Anzeige der beabsichtigten Übertragung an gerechnet, das Anteilsrecht selbst erwerben zu wollen, kann die Übertragung durchgeführt werden. Die Anzeigepflicht besteht jedoch nicht, wenn die Übertragung an Personen erfolgen soll, die zur gesetzlichen Erbfolge nach dem Verfügenden berufen wären.

In der Eingabe vom an die AB, mit welcher Notar Dr. H. um die agrarbehördliche Genehmigung der Übertragung von zwei Agraranteilen auf Grund des vorliegenden Kaufvertrages ersuchte, wurde ausgeführt, dass die Käufer Johann und Anneliese P. alle Erfordernisse gemäß § 56 Abs. 2 lit. b FLG erfüllten.

Auch die belangte Behörde stützt sich in ihrem angefochtenen Bescheid, mit dem die agrarbehördliche Genehmigung versagt wurde, erkennbar auf § 56 Abs. 2 lit. b FLG, meint sie doch, die mitbeteiligte Partei habe rechtzeitig von ihrem Vorkaufsrecht nach § 57 FLG Gebrauch gemacht. Vor Abfassung ihres undatierten Antwortschreibens auf die Anzeige vom habe die mitbeteiligte Partei am eine Verwaltungsausschusssitzung durchgeführt, in welcher beschlossen worden sei, die Anteile vom Beschwerdeführer zum Kaufpreis von EUR 16.000,-- zu erwerben.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei somit davon auszugehen, dass das undatierte Antwortschreiben an Notar Dr. H. der Umsetzung dieses Beschlusses dienen sollte. Im Sinne des § 57 Abs. 1 FLG werde somit erklärt, "das Anteilsrecht selbst erwerben zu wollen".

Das undatierte Antwortschreiben der mitbeteiligten Partei ging im Notariat der Urkundsverfasser am ein. Angesichts der Anzeige des Erwerbsvorganges mit Schreiben der Urkundsverfasser vom erging dieses undatierte Antwortschreiben somit innerhalb der Frist von sechs Wochen (§ 57 Abs. 1 FLG).

In dem undatierten Schreiben verweist die mitbeteiligte Partei auf einen Grundsatzbeschluss ihrer Vollversammlung. Demnach sei sie seit einigen Jahren bemüht Anteile "zurückzukaufen", um ihren Anteilseignern auch in Zukunft nachhaltig "eine jährlich gleichbleibende Nutzungsmenge" zu sichern. Die mitbeteiligte Partei sei auf Grund der günstigen Ertragslage insbesondere aus der Verwertung des Jagdrechtes imstande, solche Investitionen, die nachhaltig den Wert der Anteile im Interesse der Anteilseigner erhöhten, zu tätigen. Sie "würde daher auch im gegenständlichen Fall den zum Verkauf anstehenden Anteil kaufen".

Aus diesem vom Obmann und dessen Stellvertreter gefertigten Schreiben lässt sich keine auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes gerichtete Willenserklärung entnehmen. Unter Verwendung des Konjunktiv tut die mitbeteiligte Partei nämlich lediglich ihre mögliche Kaufabsicht kund und verweist in diesem Zusammenhang auf einen Grundsatzbeschluss ihrer Vollversammlung.

§ 1075 Satz 1 ABGB verlangt für die Ausübung des Vorkaufsrechtes eine "wirkliche Einlösung". Eine solche erfordert nicht nur die fristgerechte Erklärung des Berechtigten, das Vorkaufsrecht auszuüben, sondern zumindest auch ein fristgerechtes, konkretes und reales Zahlungsangebot (vgl. dazu das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 4 Ob 14/08 z, mwN). Die im Konjunktiv formulierte Kaufabsicht wird diesen Anforderungen nicht gerecht (vgl. Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , Kurzkommentar zum ABGB, 2007, Rdn 1 zu § 1075 ABGB).

Die belangte Behörde vermeint aus der "Reaktion" von Dr. H. in der Stellungnahme vom auf die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechtes schließen zu können, da dort das undatierte Schreiben der mitbeteiligten Partei "als Ausübung des Vorkaufsrechtes zu einem Kaufpreis von EUR 16.000,-- verstanden" worden sei.

Dem kann allein schon aus folgendem Grund nicht gefolgt werden: Das Schreiben vom wurde "im Auftrag der Ehegatten" Johann und Anneliese P. - somit der Käufer - abgefasst. Nur dem Eigentümer der Anteilsrechte steht bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 FLG das Recht der Bewilligung zur Absonderung zu. Dem Käufer - somit Johann und Anneliese P. - von Anteilsrechten kommt hingegen kein entsprechendes subjektives Recht und daher keine Parteistellung zu (vgl. dazu den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/07/0023, mwN). Im Auftrag von Johann und Anneliese P. konnte daher im vorliegenden Verfahren rechtswirksam überhaupt keine Stellungnahme abgegeben werden.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am