VwGH vom 10.12.2013, 2013/22/0351
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des O, vertreten durch die Kocher Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 162.642/4- III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am in das Bundesgebiet eingereist sei und am einen Asylantrag gestellt habe. Dieser Antrag sei letztinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom iVm einer Ausweisung rechtskräftig abgewiesen worden.
Am habe der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 NAG beantragt. Dieser Antrag sei letztinstanzlich abgewiesen worden. Den nunmehrigen Antrag vom habe der Beschwerdeführer mit der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit seiner Ehefrau, einer österreichischen Staatsangehörigen, begründet. Diese habe er am geheiratet.
Der Beschwerdeführer habe einen Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG auf Zulassung einer Inlandsantragstellung gestellt.
Die erstinstanzliche Behörde sei zum Ergebnis gekommen, dass im Fall des Beschwerdeführers die Auslandsantragstellung nicht unzumutbar sei, und habe in weiterer Folge den Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er und seine Ehefrau seit längerem einen Kinderwunsch hegten und auf natürlichem Weg eine Schwangerschaft bisher nicht möglich gewesen wäre, weshalb sich die Ehefrau derzeit in ärztlicher Behandlung zur Vorbereitung einer In-Vitro-Fertilisation befände. Die Anwesenheit des Beschwerdeführers wäre daher "unumgänglich."
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen folgerte die belangte Behörde, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen höher zu werten seien als das private Interesse des Beschwerdeführers an der Zulassung der Inlandsantragstellung. Das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei. Die Ehe sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der Beschwerdeführer bereits nach Ausweisung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Durch den illegalen Aufenthalt missachte der Beschwerdeführer grob die fremdenrechtlichen Bestimmungen. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch den Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer gehe keiner Beschäftigung nach; sein Lebensunterhalt werde ausschließlich durch finanzielle Zuwendungen der Ehefrau bestritten. Nach Interessenabwägung sei seine Ausreise aus dem Bundesgebiet zumutbar. Er habe die Trennung von seiner Ehefrau im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Zuwanderungswesens in Kauf zu nehmen.
In weiterer Folge verneinte die belangte Behörde das Vorliegen eines De-facto-Zwanges der österreichischen Ehefrau des Beschwerdeführers im Sinn des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom in der Rechtssache C- 256/11 "Dereci u.a.", demzufolge die Ehefrau des Beschwerdeführers gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, wenn dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel erteilt wird. Eine Beeinträchtigung des Kernbestandes der Unionsbürgerrechte könne daher vorliegend nicht erkannt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Eingangs ist anzumerken, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2013 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013 anzuwenden sind.
§ 21 NAG lautet auszugsweise:
"Verfahren bei Erstanträgen
§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:
1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
2. Fremde bis längstens sechs Monate nach Ende ihrer rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet, wenn sie für diese Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach diesem Bundesgesetz benötigt haben;
3. Fremde bis längstens sechs Monate nach Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, oder der Staatsangehörigkeit der Schweiz oder eines EWR-Staates;
4. Kinder im Fall des § 23 Abs. 4 binnen sechs Monaten nach der Geburt;
5. Fremde, die an sich zur visumfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten visumfreien Aufenthalts;
6. Fremde, die eine Aufenthaltsbewilligung als Forscher (§ 67) beantragen, und deren Familienangehörige;
7. Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte' gemäß § 41 Abs. 1 beantragen, während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einem Visum gemäß § 24a FPG und
8. Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte' gemäß § 41 Abs. 2 Z 3 beantragen, während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einer Bestätigung gemäß § 64 Abs. 4.
(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.
(4) ...
..."
Bei ihrer aufgrund des Zusatzantrages nach § 21 Abs. 3 NAG auf Zulassung der Inlandsantragstellung vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer zwar mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, die Ehe jedoch erst im Jahr 2011 nach rechtskräftiger Ausweisung des Beschwerdeführers geschlossen wurde. Auch wenn der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet - bereits seit Jänner 2009 in einer Beziehung mit seiner nunmehrigen Ehefrau lebte, weist das familiäre Interesse nicht ein solches Gewicht auf, dass das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften demgegenüber in den Hintergrund zu treten hätte, zumal der Beschwerdeführer am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert ist.
In der Beschwerde wird der belangten Behörde vorgeworfen, diese sei auf das Vorbringen, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers in ärztlicher Behandlung zur Vorbereitung einer beabsichtigten In-Vitro-Fertilisation befinde, mit keinem Wort eingegangen. Auch wenn die Begründung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich knapp gehalten wurde, ist ihr zweifelsfrei zu entnehmen, dass der belangten Behörde der "intensive Kinderwunsch" des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau bekannt war, dass dies aber nicht zur Stattgebung des Antrags führen könne, weil dem Beschwerdeführer sein unsicherer Aufenthaltsstatus bereits bewusst gewesen sei.
Davon ausgehend schlägt das Argument des Beschwerdeführers nicht durch, hat doch in solchen Situationen im Fall eines unrechtmäßigen Aufenthaltes jeder nachziehende Familienangehöriger mit Schwierigkeiten bei der Begründung bzw. Aufrechterhaltung des Familienlebens und demgemäß auch bei der Verwirklichung des Kinderwunsches zu rechnen.
Der Gerichtshof kann somit nicht finden, dass das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung unrichtig sei.
Letztlich meint die Beschwerde, dass § 21 Abs. 1 NAG verfassungswidrig sei und ein Normprüfungsverfahren gemäß Art. 140 B-VG einzuleiten wäre. Sie begründet dies damit, dass mittlerweile zahlenmäßig gesehen bedeutende Personengruppen vom Grundsatz der Auslandsantragstellung des § 21 Abs. 1 NAG ausgenommen seien und dazu die in § 21 Abs. 2 NAG normierten Ausnahmefälle kämen. Der Beschwerdeführer sei all jenen Personen gegenüber schlechter gestellt, weil seine Ehefrau österreichische Staatsbürgerin, nicht aber Staatsbürgerin eines anderen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz sei. Weiters seien Staatsangehörige der Türkei mittlerweile als Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers ebenfalls zur Inlandsantragstellung berechtigt.
Dem ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G 244/09 u.a., VfSlg. Nr. 18.968, ausgesprochen hat, dass es dem Gesetzgeber nach dem Recht der Europäischen Union freistehe, an das Gemeinschaftsrecht anknüpfende Sachverhalte anders zu regeln als solche ohne Bezug zum Gemeinschaftsrecht. Ausschlaggebendes Kriterium für diese Differenzierung sei die Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhaltes, es komme jedoch nicht auf die Staatsbürgerschaft an. Dies diene der Sicherung und Förderung der Ausübung der Freizügigkeit und anderer Rechte nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften durch österreichische Staatsbürger. In Fällen ohne Bezug zum Gemeinschaftsrecht komme den einzelnen Mitgliedstaaten ein weiterer Gestaltungsspielraum in der Frage zu, wem ein Aufenthaltsrecht einzuräumen sei.
Der Beschwerdeführer ist somit in keinem verfassungsgesetzlich geschützten Recht dadurch verletzt, dass er, weil seine österreichische Ehefrau ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, dem Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG unterliegt (vgl. zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses der Auslandsantragstellung für Erstanträge das Erkenntnis des u.a.). Soweit der Beschwerdeführer die Situation türkischer Staatsangehöriger anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass bei diesen ein unionsrechtlicher Anknüpfungspunkt durch Assoziierungsverträge besteht. In welcher Weise sich eine Diskriminierung aus § 21 Abs. 2 NAG ergeben soll, ist nicht erkennbar und wird auch in der Beschwerde nicht näher ausgeführt.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am