zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0332

VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0332

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/48/17058/2012-27, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 63 Abs. 1 und Abs. 3 iVm § 53 Abs. 2 Z 7 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach dem Akteninhalt seit in Österreich aufhalte. Ihm sei ein bis gültiger Aufenthaltstitel zum Zwecke eines Studiums erteilt worden; ein Verlängerungsantrag sei anhängig. Im Zuge dieses Verlängerungsverfahrens sei von der zuständigen Aufenthaltsbehörde festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer mehreren Beschäftigungen bei diversen Firmen nachgegangen sei und dadurch gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verstoßen habe. Der Beschwerdeführer habe sich damit verantwortet, dass ihm vom Arbeitsmarktservice (AMS) die Auskunft erteilt worden sei, dass nur der Arbeitgeber eine Beschäftigungsbewilligung beantragen könne. Wegen der vorgenommenen Anmeldungen zur Sozialversicherung sei er davon ausgegangen, dass seine Arbeitgeber dies gemacht hätten. Er sei nach Österreich gekommen, um an der Wirtschaftsuniversität zu studieren und habe sein letztes Dienstverhältnis auch umgehend beendet, als er erfahren habe, dass er nicht arbeiten dürfe. Die belangte Behörde stellte weiter fest, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft sei und nur eine Vormerkung wegen einer Verwaltungsübertretung aufweise. Er spreche ausgezeichnet deutsch. In Österreich habe er mit Ausnahme seines Bruders und seiner Ehefrau keine Angehörigen, während in Serbien noch ein Teil seiner Familie lebe.

Nach Wiedergabe der Sozialversicherungsdaten stellte die belangte Behörde nach beweiswürdigenden Erwägungen zur Verantwortung des Beschwerdeführers den Inhalt der Bestimmungen der §§ 53 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, Abs. 3 Z 1 und 2, sowie auszugsweise der §§ 61, 65b und 67 FPG dar und führte rechtlich aus, dass der Beschwerdeführer nach den Erhebungen auch der belangten Behörde zwischen und bei neun unterschiedlichen meldepflichtigen Stellen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, wobei eine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung für die Ausübung dieser Beschäftigungen nicht vorgelegen habe. Es lägen somit seit November 2010 im Wesentlichen durchgehende Erwerbszeiten des Beschwerdeführers vor, ohne dass dieser über eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG verfügt habe. Die Entfaltung einer unerlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit - so führte die belangte Behörde nach Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiter aus - stelle eine Tatsache dar, welche die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertige. Dies werde "bereits in den oben zitierten, hier anzuwendenden Normen ausdrücklich festgelegt". Bei einem Unterbleiben der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bestehe zweifellos die "Gefahr der Entfaltung weiterer einschlägiger Verstöße", zumal auch die Ehefrau des Beschwerdeführers zur Sicherung des gemeinsamen Unterhalts "keineswegs ausreichend beitragen können dürfte" und der Bruder "auch nicht nachhaltig den Unterhalt eines Ehepaares tragen können" werde.

Die belangte Behörde gelangte im Rahmen ihrer nach § 61 FPG gebotenen Interessenabwägung ferner zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbots und sie begründete abschließend die Dauer des Aufenthaltsverbots näher.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (August 2013) geltende Fassung, nämlich BGBl. I Nr. 68/2013.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kann gemäß § 63 Abs. 1 FPG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1), oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Bestimmte Tatsachen im Sinn dieser Bestimmung sind gemäß § 63 Abs. 2 FPG insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3 FPG.

§ 53 FPG lautet auszugsweise:

"Einreiseverbot

§ 53.

...

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

...

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

..."

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 63 Abs. 1 und Abs. 3 iVm § 53 Abs. 2 Z 7 FPG stützte, weil eine Formulierung der Berufungsbehörde, die zum Ausdruck bringt, dass der erstinstanzliche Bescheid von der Berufungsbehörde bestätigt wird, im allgemeinen als Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid spruchmäßig übereinstimmenden Bescheides anzusehen ist (siehe etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0082, mwN). Dessen ungeachtet stellte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht diese spruchmäßig bezogenen Bestimmungen des FPG dar, sondern § 53 Abs. 2 Z 1 FPG sowie § 67 FPG. Weshalb auf den Beschwerdeführer der auf unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige abstellende § 67 FPG anwendbar sein sollte, führte die belangte Behörde nicht aus; dies ist auch nicht zu erkennen.

Der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG ist jedoch nicht erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z 8 iVm Abs. 5 FPG idF vor dem FrÄG 2011 mehrfach ausgesprochen, dass der bloße Vorwurf, der Fremde sei einer Beschäftigung nachgegangen, obwohl ihm der dafür erforderliche Aufenthaltstitel nicht erteilt worden sei, diesen Aufenthaltsverbotstatbestand nicht erfüllt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 2013/18/0072, sowie vom , Zl. 2009/21/0376). Auch wenn der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG im Gegensatz zur Rechtslage vor dem FrÄG 2011 nicht mehr voraussetzt, dass der Fremde von bestimmten Organen der Abgabenbehörde, des Arbeitsmarktservice oder des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten wird, ist Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands auch nach dieser Bestimmung, dass der Fremde bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.

Feststellungen zu einer - auch dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmenden - Betretung des Beschwerdeführers bei einer konkreten Beschäftigung, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, traf die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht. Ebenso wenig traf sie im Übrigen Feststellungen zu den Beschäftigungen selbst.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auch der in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 1 FPG durch das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers nicht erfüllt wurde, weil der nach dem AuslBG unzulässig beschäftigte Ausländer verwaltungsrechtlich nach diesem Gesetz nicht strafbar ist (vgl. § 28 AuslBG). Dass eine andere in § 53 Abs. 2 Z 1 FPG aufgezählte Verwaltungsübertretung vorgelegen wäre, stellte die belangte Behörde nicht fest.

Der von der belangten Behörde bejahte Tatbestand für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots lässt sich somit aus den getroffenen Feststellungen nicht ableiten. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF, BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am