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VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0328

VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0328

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des V, vertreten durch Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/53/11412/2011-19, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom war gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 29/2009 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden kurz: "Behörde") der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass gemäß § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 FPG verhängt wurden.

Nach auszugsweiser Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und des Berufungsvorbringens sowie Darstellung maßgeblicher Gesetzesbestimmungen führte die Behörde aus:

"Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt und Anforderung von Gerichtsurteilen. Daraus geht hervor, dass der (Beschwerdeführer), wie im bekämpften Bescheid ausgeführt, von 2004 bis 2011 in Österreich aufhältig war, wobei ein im Jahr 2004 eingeleitetes Asylverfahren letztlich im Jahr 2009 rechtskräftig abschlägig erledigt wurde. Zu den zahlreichen gerichtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen, vom (Beschwerdeführer) begangenen Vergehen und Übertretungen, ist auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass der (Beschwerdeführer), wie in seinen zahlreichen Straftaten belegt, teils zu primitivgewalttätigem Verhalten neigt und mit Brutalität und von Verrohung zeugenden Drohungen auch gegen Frauen bzw. gegen seinen Interessen im Wege stehenden Personen vorgeht. Der (Beschwerdeführer) war in den Jahren seines Aufenthaltes nicht in der Lage, sich über einen längeren Zeitraum rechtskonform zu verhalten und hat durch eine lange Serie an Straftaten und Verwaltungsübertretungen und zu seiner Person erforderlichen Betretungsverboten nachdrücklich dokumentiert, dass er von einer völlig gleichgültigen Einstellung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geprägt ist. Der (Beschwerdeführer) ist 2011 aus Österreich ausgereist und war beruflich im Bundesgebiet nicht integriert, der eingeholte Auszug der Daten des Hauptverbandes weist keinerlei Beschäftigungsverhältnisse in Österreich aus.

Aus der Sicht des Schutzes des Familienlebens ist festzuhalten, dass der (Beschwerdeführer) schon vor seiner Ausreise im Jahr 2011 von seiner ebenfalls in Wien ansässigen Frau und seinem Sohn getrennt lebte und daher allein durch die fremdenpolizeiliche Maßnahme selbst der Schutz familiärer Interessen nicht beeinträchtigt wird. Es ist geradezu bezeichnend, dass die im Berufungsvorbringen angeführte Verbesserung des Verhältnisses des (Beschwerdeführers) zu seiner Gattin gerade erst durch die Ausreise des (Beschwerdeführers) gefördert wurde.

Schließlich kann auch der im Berufungsvorbringen geltend gemachten positiven Prognose bezüglich des in Hinkunft zu erwartenden Verhaltens des (Beschwerdeführers) nicht gefolgt werden, was deutlich dadurch dokumentiert wird, dass der (Beschwerdeführer) in einem erst nach Einbringung der gegenständlichen Berufung erlassenen Urteil schuldig gesprochen wurde, einen Zeugen gefährlich bedroht zu haben mit der Absicht, diesen zu einer unrichtigen Zeugenaussage zu veranlassen. Daher kann auch von der im Berufungsvorbringen geltend gemachten Einsicht des (Beschwerdeführers) in die Verwerflichkeit seiner bisherigen Handlungen keine Rede sein. In einer Gesamtabwägung dieser Umstände erweist sich daher die erstbehördliche Entscheidung auch im Lichte der derzeit geltenden Fassung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 als rechtmäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Beschwerdefall das FPG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Juli 2013) geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 144/2013, zur Anwendung kommt.

Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, dass die Behörde nach einem fast vier Jahre dauernden Berufungsverfahren ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung oder Einräumung der Gelegenheit zu einer Stellungnahme entschieden habe. Dadurch habe er zu der Annahme der Behörde, dass seine Anwesenheit nach wie vor öffentliche Interessen gefährde, nicht Stellung nehmen können. Er habe aus diesem Grund auch kein Vorbringen zu seinem Privat- und Familienleben erstatten können, sei er doch inzwischen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet.

Dieses Vorbringen ist berechtigt.

Der gegenständliche Fall gleicht damit darin, dass es nach einem mehrjährigen Berufungsverfahren (hier von etwa drei Jahren und acht Monaten) vor der Erlassung des Bescheides betreffend ein Aufenthaltsverbot - oder wie hier einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot - im Hinblick auf diese seit der erstinstanzlichen Entscheidung vergangene Zeit geboten ist, die Entscheidungsgrundlage zu verbreitern, um die dem Gesetz entsprechende Beurteilung hinsichtlich einer vom Fremden (allenfalls: immer noch) ausgehenden maßgeblichen Gefahr einerseits und hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 61 FPG andererseits vornehmen zu können, jenem, der dem Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0183, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (vgl. ferner zur Erforderlichkeit einer nachvollziehbaren Bescheidbegründung das, einen Bescheid derselben Behörde betreffende Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0198, sowie im Hinblick auf die von der Behörde ohne Einräumung rechtlichen Gehörs verwertete weitere Verurteilung des Beschwerdeführers das diesen betreffende Erkenntnis vom , Zl. 2013/22/0061).

Der angefochtene Bescheid war somit schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-88964