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VwGH vom 18.02.2010, 2009/07/0011

VwGH vom 18.02.2010, 2009/07/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des SH in S, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 1/IV, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LAS-913/3-07, betreffend Absonderung eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom verkauften Elmar und Ursula P. als jeweilige Hälfteeigentümer der Stammsitzliegenschaft EZ 90028 Grundbuch St. die mit dieser Liegenschaft verbundenen und im Grundbuch ersichtlich gemachten "Mitgliedschaftsrechte" an der Agrargemeinschaft St. an den Beschwerdeführer. Gemäß diesem Kaufvertrag sollten "Mitgliedschaftsrechte" an der Agrargemeinschaft St. mit der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft EZ 524 Grundbuch St. als neuer Stammsitzliegenschaft verbunden werden.

Mit Eingabe vom stellten die Vertragsparteien dieses Kaufvertrages an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (AB) den Antrag, die Übertragung der "Mitgliedschaftsrechte" an der Agrargemeinschaft St. von der Liegenschaft EZ 90028 auf die Liegenschaft EZ 524 als nunmehrige Stammsitzliegenschaft gemäß § 38 Abs. 3 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996) zu genehmigen.

Mit Bescheid der AB vom wurde die Bewilligung für die Absonderung des mit der Stammsitzliegenschaft EZ 90028 verbundenen "Mitgliedschaftsrechtes" an der Agrargemeinschaft St. "nach Maßgabe des Kaufvertrages" vom "verweigert".

Begründend führte die AB aus, dass die im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaft EZ 524, bestehend aus Gst. Nr. 3448, ein Gesamtausmaß von 801 m2 habe und mit einem Wohnhaus bebaut sei. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers stelle "keinen landwirtschaftlichen (Kleinst )Betrieb" im Sinne des TFLG 1996 dar. Es gehöre zu den Erfordernissen eines landwirtschaftlichen Betriebes, dass ein Mindestausmaß von Grundflächen für die Haltung von eigenem Vieh und "auch eine Hofstelle bzw. Wirtschaftsgebäude" vorhanden seien. Auf dem bei der Liegenschaft EZ 524 vorhandenen Gutsbestand könne keine Großvieheinheit gehalten werden. Somit liege ein wesentlicher Widerspruch zu den zwingenden Bestimmungen des TFLG 1996 vor. Daran vermöge auch eine befürwortende Stellungnahme der Agrargemeinschaft St. nichts zu ändern. Da die angestrebte Übertragung eines Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes diene, sei die Bewilligung zu verweigern gewesen.

Gegen diesen Bescheid der AB erhoben die Vertragsparteien des Kaufvertrages vom Berufung an die belangte Behörde. Begründend wurde darin vorgebracht, dass die Stammsitzliegenschaft EZ 90028 neben den verfahrensgegenständlichen "Mitgliedschaftsrechten" an der Agrargemeinschaft St. über weitere "Mitgliedschaftsrechte" an Agrargemeinschaften verfüge. Daraus ergebe sich, dass das abgesonderte Anteilsrecht zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der Stammsitzliegenschaft EZ 90028 entbehrlich sei. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft St. abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintrete. Die Agrargemeinschaft St. habe mit Schreiben vom selbst mitgeteilt, dass sie den Verkauf an den Beschwerdeführer befürworte. Auch sei der Beschwerdeführer trotz öffentlicher Ankündigung des Kaufanbotes der einzige Kaufinteressent gewesen. Es sei nicht einzusehen, warum für den Erwerb des gegenständlichen Anteilsrechtes ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegen müsse. So könne ein Anteilsrecht durch ein Mitglied der Agrargemeinschaft auch ohne Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes erworben werden. Dies gelte auch für einen Erwerb durch die Gemeinde. Dies bedeute eine unsachliche Differenzierung. Bei verfassungskonformer Interpretation sei somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das gegenständliche Anteilsrecht erwerben könne.

Hinzu komme - so wird in der Berufung weiter ausgeführt -, dass der Beschwerdeführer seit 20 Jahren den Hof seiner Eltern bewirtschafte. "Früher oder später" würde der Beschwerdeführer diesen Hof übertragen erhalten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dienten die verfahrensgegenständlichen Anteilsrechte einem landwirtschaftlichen Betrieb. Auch habe die Agrargemeinschaft St. mit dem bereits erwähnten Schreiben vom mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer "land- und forstwirtschaftlich immer seinen Pflichten beispielhaft nachgekommen" sei.

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Mitteilung, ob das "kaufgegenständliche Mitgliedschaftsrecht" nicht mit dem vom Beschwerdeführer bewirtschafteten elterlichen Hof, der ihm "früher oder später" übertragen würde, verbunden werden könnte. Gegen die Übertragung des "Mitgliedschaftsrechtes" auf diese Liegenschaft bestünden keine Bedenken.

Dazu erfolgte keine Stellungnahme durch den Beschwerdeführer.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Elmar P., der Ursula P. und des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Nach Zitierung der Bezug habenden Vorschriften des TFLG 1996 führte die belangte Behörde begründend aus, dass die Liegenschaft EZ 524 aus dem Gst. Nr. 3448 mit einem Ausmaß von 801 m2 bestünde. An dieser im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft sei kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft St. verbunden. Der Beschwerdeführer sei auch nicht als Eigentümer einer anderen Stammsitzliegenschaft oder als Inhaber eines persönlichen (walzenden) Anteilsrechtes Mitglied der Agrargemeinschaft St. Dies ergebe sich aus dem Grundbuchstand und dem Regulierungsplan für die Agrargemeinschaft St. Somit sei auf den verfahrensgegenständlichen Anteilserwerb die Ausnahmebestimmung des § 38 Abs. 4 lit. c Z 1 TFLG 1996 nicht anzuwenden.

Mangels Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes könnte die erforderliche Absonderungsbewilligung nur erteilt werden, wenn die Übertragung des Anteilsrechtes auf die Liegenschaft EZ 524 der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes auf dieser Liegenschaft diene. Dies setze das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Betriebes voraus. Die Feststellung in der Begründung des Bescheides der AB, wonach das Gst. Nr. 3448 in EZ 524 mit einem Wohnhaus bebaut sei und die Liegenschaft des Beschwerdeführers "keinen landwirtschaftlichen (Kleinst )Betrieb" darstelle, werde in der Berufung nicht bekämpft. Auch bedürfe es keiner näheren Erörterung, dass auf einer Baufläche von 801 m2 ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht geführt werden könne.

Auch der Beschwerdeführer bewirtschafte zwar - so führt die belangte Behörde begründend weiter aus - einen landwirtschaftlichen Betrieb in St., zu dessen landwirtschaftlichen Betriebsflächen gehöre aber nicht das Gst. Nr. 3448 in EZ 524. Für die Liegenschaft EZ 524 sei somit die Voraussetzung des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Betriebes zu verneinen, sodass der kaufgegenständliche Anteilserwerb auch nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes diene. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung für die Erteilung einer Absonderungsbewilligung erweise sich die von der AB in ihrem Bescheid vom vertretene Rechtsansicht als zutreffend. Die vorliegende Berufung sei daher unbegründet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte mit Beschluss vom , B 130/08- 10, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Beschwerde, insofern sie die Verfassungswidrigkeit des § 38 Abs. 4 lit. c TFLG 1996 behaupte, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe: Die Voraussetzung des § 38 Abs. 4 lit. c TFLG 1996, wonach der Erwerb eines Anteilsrechtes der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dienen müsse, sei vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Bestand einer funktionierenden Agrargemeinschaft im öffentlichen Interesse liege und durch die Absonderung von Anteilsrechten gefährdet werden könne, und mit Blick auf den offenkundigen Zweck dieser Bestimmung (nämlich sicher zu stellen, dass die Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft der Landwirtschaft erhalten blieben und die Rechte im Falle ihrer Absonderung wieder mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden würden) nicht unsachlich.

In seiner über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des § 38 Abs. 3 und 4 TFLG 1996, LGBl. Nr. 74 idF LGBl. Nr. 55/2001, betreffend die Absonderung von Anteilsrechten, lauten wie folgt:

"(3) Die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft darf von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.

(4) Die Bewilligung nach Abs. 3 ist zu verweigern, wenn

a) das Anteilsrecht zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der bisherigen Stammsitzliegenschaft nicht entbehrlich ist;

b) durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt;

c) der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, es sei denn

1. der Erwerb erfolgt durch die Agrargemeinschaft, durch eines ihrer Mitglieder oder durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes oder

2. Gegenstand des Erwerbes ist ein auf einem im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstück bestehendes Teilwaldrecht, das mit einer in der selben Gemeinde gelegenen, im Eigentum des Erwerbers stehenden Liegenschaft verbunden wird und hinsichtlich dessen die künftige Bewirtschaftung durch den Erwerber selbst gewährleistet ist."

Zutreffend führte die belangte Behörde in ihrem angefochtenen Bescheid aus, dass die erforderliche Absonderungsbewilligung mangels Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes nach § 38 Abs. 4 lit. c Z 1 und 2 TFLG 1996 nur erteilt werden kann, wenn keiner der im § 38 Abs. 4 lit. a bis c angeführten Versagungsgründe vorliegt (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/07/0022).

Die im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaft EZ 524 weist lediglich eine Fläche von 801 m2 auf und ist mit einem Wohnhaus bebaut. Damit liegt auf Erwerberseite kein landwirtschaftlicher Betrieb vor, dessen Leistungsfähigkeit durch den Erwerb eines Anteilsrechtes verbessert werden könnte (vgl. dazu auch Lang , Tiroler Agrarrecht II, 1991, S. 172). Mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 38 Abs. 4 lit. c TFLG 1996 erfolgte die Verweigerung der Absonderungsbewilligung somit zu Recht. Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Die Beschwerde wendet sich gegen die oben wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zu § 38 Abs. 4 lit. c TFLG 1996 in seinem Beschluss vom . Diese Argumentation widerspreche "jedenfalls zwingendem Gemeinschaftsrecht". Kraft Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes sei die Regelung über die Kapitalverkehrsfreiheit zu beachten. Die Ausgestaltung des Verfahrens im § 38 Abs. 4 TFLG 1996 in Form "einer vorherigen Genehmigung" sei als Marktzutrittssperre anzusehen. Es diene ausschließlich dazu, "Nicht-Bauern von Agrargemeinschaften auszusperren". Auch sei es aus sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes sein sollte. Er verfüge über die fachlichen Fähigkeiten und bewirtschafte seit 20 Jahren den Hof seiner Eltern. Damit stehe außer Streit, dass er seinen Pflichten als Agrargemeinschaftsmitglied in ausreichendem Maße nachkommen werde.

Der Beschwerdeführer beantragt auch, hinsichtlich der Bestimmungen des § 38 Abs. 3 und 4 TFLG 1996 ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten. Zudem regt er die Einholung einer Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Frage an, ob die Bestimmungen des § 38 Abs. 3 und 4 TFLG 1996 mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar seien.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung erneut die Bestimmung des § 38 Abs. 4 lit. c TFLG 1996 - wie bereits vor dem Verfassungsgerichtshof - als unsachlich ansieht, genügt es auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom zu verweisen, denen sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt. Allein schon deswegen besteht für den Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens.

Im Hinblick auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0070, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist weder die in der Beschwerde angesprochene Gemeinschaftsrechtswidrigkeit gegeben noch vermag in Bezug auf diese Fragen eine Vorlagepflicht an den EuGH erkannt werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-88916