VwGH vom 26.03.2015, 2013/22/0297

VwGH vom 26.03.2015, 2013/22/0297

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Beschwerde der A in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Mekis, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/60/14545/2011-4, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) der Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen Aserbaidschans, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, mit dem ihr Antrag auf Aufhebung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) abgewiesen wurde, keine Folge.

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, mit rechtskräftigem Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom sei gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dem Aufenthaltsverbot liege ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom zugrunde, wonach die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 1. Fall StGB, des Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 1. Fall StGB und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon zehn Monate bedingt, verurteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe gemäß dem Urteil am , am und am diverse Waren im Gesamtwert von EUR 1.451,05 aus verschiedenen "C A" Filialen gestohlen, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Des Weiteren habe sich die Beschwerdeführerin am anlässlich ihrer Anhaltung gegenüber den einschreitenden Exekutivbeamten mit einer E-Card, lautend auf H.A., einem amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt gewesen sei, ausgewiesen und in einem nicht mehr festzustellenden Zeitraum bis zum die E-Card mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese von der Berechtigten im Rechtsverkehr gebraucht werde. Zudem habe sich die Beschwerdeführerin bei ihrer Betretung am und am als H.A. ausgegeben und diese dadurch verdächtig gemacht, eine von Amts wegen zu verfolgende strafbare Handlung begangen zu haben, obwohl sie gewusst habe, dass die Verdächtigung falsch gewesen sei. Schließlich habe die Beschwerdeführerin dadurch, dass sie am die Niederschrift von der Polizei mit H.A. unterfertigte, eine falsche Urkunde hergestellt.

Nach rechtskräftiger Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom neuerlich wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dem Urteil liege zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin am bei der Firma "Zielpunkt" Kosmetikartikel im Gesamtwert von EUR 278,86 zu stehlen versucht habe und am gleichen Tag bei der Firma "C A" Kleidungsstücke im Gesamtwert von ca. EUR 260,-

gestohlen habe.

Weiters stellte die Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin seit mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei. Mit ihrer Mutter im Herkunftsland stünde die Beschwerdeführerin noch in Kontakt.

Die Beschwerdeführerin sei in Österreich bisher sechs Beschäftigungsverhältnissen, u.a. bei der Wiener Volkshochschulen GmbH in der (Gesamt)Dauer von mehr als zwei Jahren, nachgegangen.

Zur psychischen Situation der Beschwerdeführerin führte die Behörde basierend auf dem eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen, eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, vom aus, es fänden sich Hinweise auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die durch affektive Labilität, theatralische Präsentation sowie manipulative und autoaggressive Tendenzen gekennzeichnet sei und damit histrionische, emotional instabile und dissoziale Aspekte umfasse. Weiters läge vor dem Hintergrund einer schwierigen Lebenssituation und der drohenden Abschiebung in das Herkunftsland ein chronifizierter depressiver Verstimmungszustand, wobei allerdings depressive Verstimmungen als weiter zurückliegend angegeben würden, vor. Seit den Straftaten ließen sich keine Hinweise auf eingetretene Veränderungen der psychischen Konstellation der Beschwerdeführerin finden, aus denen für die Zukunft eine geringere Wahrscheinlichkeit oder gar Unmöglichkeit weiteren delinquenten Verhaltens abzuleiten sei. Die Suizidalität der Beschwerdeführerin lasse sich durch langfristige psychotherapeutische Maßnahmen aber auch durch geeignete medikamentöse Behandlung erheblich reduzieren. Eine Stabilisierung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin sei nur im Verlauf einer intensiven und länger dauernden Psychotherapie möglich. Nicht selten zeigten derartige Therapieversuche nur geringe Wirkungen. Eine genauere Vorhersage im Einzelfall sei kaum möglich. Festzustellen seien bei der Beschwerdeführerin unregelmäßige fachärztliche Betreuung sowie nur vereinzelte psychotherapeutische Gespräche bei Bedarf. Eine intensive Psychotherapie im Sinne der oben angeführten Indikation sei von der Beschwerdeführerin nicht durchgeführt worden.

Zur psychiatrischen-psychologischen Gesundheitsversorgung in Aserbaidschan - so die Behörde in ihrer Bescheidbegründung weiter -

sei festzuhalten, dass auch in Aserbaidschan eine Krankenbehandlung in Anspruch genommen werden könne. So gebe es in Baku psychiatrische Krankenhäuser. Psychisch kranke Personen, die in einer psychiatrischen Klinik registriert seien, hätten kostenlosen Zugang zu Psychopharmaka.

In ihrer Beweiswürdigung führte die Behörde aus, der Amtssachverständige verfüge über die erforderliche Qualifikation und ausreichende Erfahrung zur Durchführung des ihm erteilten Gutachtenauftrages. Befund und Gutachten basierten auf medizinischen Untersuchungsmethoden. Die in den Feststellungen angeführte psychiatrische Beurteilung der Beschwerdeführerin ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Gutachten des Amtssachverständigen. Die in seinem Gutachten festgestellten dissozialen Aspekte der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin und die Schlussfolgerung, dass sich keine Hinweise finden ließen, aus denen für die Zukunft eine geringere Wahrscheinlichkeit oder gar Unmöglichkeit weiteren delinquenten Verhaltens der Beschwerdeführerin abzuleiten wären, habe der Amtssachverständige bei der Erörterung des Gutachtens in der durchgeführten mündlichen Verhandlung nachvollziehbar begründen können. Der Amtssachverständige habe seine Methodik dargelegt und darstellen können, dass im Rahmen seiner Exploration bei der Beschwerdeführerin manipulatives Verhalten und Egozentrik feststellbar gewesen seien. Von der Beschwerdeführerin vorgegebene Gedächtnislücken würden nicht bestehen.

Weiters hielt die Behörde fest, dass der Amtssachverständige der Feststellung von Dr. B in ihrer nervenärztlichen Stellungnahme vom , nämlich dass ein delinquentes Fehlverhalten der Beschwerdeführerin in Zukunft ausgeschlossen werden könne, widersprochen habe. Er habe darauf hingewiesen, dass grundsätzlich nicht die Möglichkeit bestehe, ein Verhalten mit derartiger Sicherheit zu prognostizieren. Zudem habe Dr. B im Jahr 2010 noch dissoziale Persönlichkeitszüge diagnostiziert. Dissoziale Persönlichkeitszüge seien per definitionem länger andauernd. Mit seinen Ausführungen habe der Gutachter auf fachlicher Ebene die von Dr. B getroffene Feststellung entkräftet. Auf Grund der nur eingeschränkten Therapie und dem im Gutachten des Amtssachverständigen dargestellten intensiveren Therapieerfordernisses sei auch aus diesem Grund nachvollziehbar, dass die dissozialen Aspekte der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin fortbeständen. Dem in diesen Punkten dem Amtssachverständigen widersprechenden Privatgutachten werde deswegen nicht gefolgt.

Im Ergebnis könne festgehalten werden, dass die Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens nicht erforderlich gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin trotz ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsangehörigen nicht als begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG anzusehen sei, da ihr Ehegatte sein Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe. Gemäß § 65b FPG gelte für Familienangehörige ua. die Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG. Demnach müsse das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Die Beschwerdeführerin habe sich entgegen dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot über lange Zeit hinweg unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und habe dadurch gegen ein geordnetes Fremdenwesen verstoßen. Erschwerend komme hinzu, dass die Beschwerdeführerin das über sie verhängte Aufenthaltsverbot nicht davon abhalten habe können, nicht einmal zwei Jahre nach ihrer strafgerichtlichen Verurteilung erneut straffällig zu werden. Die Erheblichkeit der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefahr zeige sich konkret darin, dass sie sich das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls unter Begehung einer Wiederholungstat zu Schulden kommen habe lassen. Dabei sei die instabile Persönlichkeit mit dissozialen Aspekten der Beschwerdeführerin zu beachten. Wie auch der Amtssachverständige ausgesprochen habe, sei auf Grund der begangenen Delikte und der Persönlichkeitsstruktur der Beschwerdeführerin von einem erhöhten Risiko für Delikte gegenüber der Bevölkerung auszugehen. Entgegen den Ausführungen in der Berufung sei keine nachhaltige Besserung der psychischen Verfassung der Beschwerdeführerin zu konstatieren.

Seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011) sei auf Grund der von der Beschwerdeführerin begangenen Straftaten gemäß § 67 Abs. 2 FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur für die Dauer von zehn Jahren zulässig. Die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen für die Festlegung der Dauer eines Aufenthaltsverbotes hätten im vorliegenden Fall keine Auswirkungen, weil in Anbetracht der von der Beschwerdeführerin begangenen Straftaten und der bei ihr unverändert vorliegenden dissozialen Persönlichkeitszüge jedenfalls ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von "nicht unterhalb von sechs Jahren festzulegen gewesen" wäre.

Die relativ lange Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet könne nicht zu ihren Gunsten ausschlagen, da ihr Aufenthalt zu einem nicht geringen Teil unrechtmäßig gewesen sei. Zudem sei die festgestellte berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin ohne erforderliche Arbeitsgenehmigung erfolgt, da drittstaatsangehörige Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers nur Zutritt zum Arbeitsmarkt hätten, wenn sie über einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfügten. Durch die Eheschließung am sei zwar eine familiäre Bindung geschaffen worden, die allerdings im Grad ihrer Schutzwürdigkeit dadurch relativiert werde, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits ein Aufenthaltsverbot für die Beschwerdeführerin bestanden habe und sie folglich zu keiner Zeit davon ausgehen habe können, in Österreich ein Familienleben zu führen. Zudem könnten Kontakte zum Ehegatten, wenn auch mit nennenswerter Einschränkung, im Ausland aufrechterhalten werden. Zum Herkunftsland bestünde auch noch über die Mutter der Beschwerdeführerin, mit der sie Kontakt habe, ein Bezug.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 566/2013-4, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren nach Aufforderung ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jänner 2013 sind die Bestimmungen des FPG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden.

§ 2, § 61, § 65b (samt Überschrift) und § 67 und § 69 FPG lauteten auszugsweise:

"§ 2. ...

(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

...

11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

12. Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind."

"§ 61. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9.
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
..."
"Familienangehörige von nicht unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern

§ 65b. Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12) unterliegen der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3."

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

..."

"§ 69. ...

(2) Eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot sind auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom , 2012/22/0112, mwH).

Die Beschwerdeführerin ist seit Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers, sodass für sie gemäß § 65b FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige gelten.

Der Gerichtshof hegt keine Bedenken gegen die Ansicht der Behörde, dass gemäß § 65b iVm § 67 FPG von der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, dass ihre begonnene Krankheitsbehandlung und Therapie, ihre Ehe und die Einsicht, sich ändern zu müssen und ein rechtschaffenes Leben zu führen, eine neue einheitliche Lebensphase bildeten und die Behörde ein - externes - medizinisches Gutachten zur Frage des zukünftigen delinquenten Verhaltens der Beschwerdeführerin einzuholen gehabt hätte.

Unabhängig davon, dass sich aus dem von der Behörde eingeholten Amtsgutachten keine Hinweise auf eine Veränderung der psychischen Konstellation der Beschwerdeführerin im Hinblick auf eine (von der Beschwerdeführerin behauptete) geringere Wahrscheinlichkeit weiteren delinquenten Verhaltens ergeben, wäre selbst ein durch ein Gutachten festgestellter Gesinnungswandel, der nicht seine Entsprechung in einem - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhalten gefunden hat, für den Wegfall der Gefährdungsprognose nicht ausreichend (siehe das hg. Erkenntnis vom , 2011/23/0674, mwN). Vor dem Hintergrund, dass sich die Beschwerdeführerin weder von der Verbüßung einer ersten Strafhaft noch von der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes davon abhalten ließ, erneut einschlägig straffällig zu werden, ist es im Ergebnis aber nicht zu beanstanden, dass der Zeitraum seit Entlassung aus der Strafhaft am bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides noch als zu kurz gewertet wurde, um verlässlich auf einen Wegfall oder eine relevante Minderung der von ihr ausgehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit schließen zu können. Bei dem von der Beschwerdeführerin gesetzten Fehlverhalten handelt es sich im Hinblick auf die wiederholte, sich über mehrere Jahre erstreckende Straffälligkeit, die auch in der gewerbsmäßigen Begehungsweise zum Ausdruck kam, nicht um bloß geringfügige Delikte.

Dem behaupteten Verfahrensmangel fehlt es somit an der Relevanz.

Mit dem Vorbringen, wonach die Behörde keinerlei Erhebungen zur Intensität des Ehelebens, ihrer Integration, zu ihrem sozialen Leben in Österreich, dem beruflichen Umfeld und ihrem Engagement getroffen habe, gelingt es der gemäß der Aktenlage im September 2004 nach Österreich eingereisten Beschwerdeführerin nicht, eine maßgebliche Verstärkung ihrer persönlichen Interessen an einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes darzulegen, zumal - worauf auch die Behörde zutreffend hingewiesen hat - ihr Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

Schließlich wäre auch als fremdenrechtlich relevant zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin trotz des gegen sie erlassenen, in Rechtskraft erwachsenen Aufenthaltsverbotes das Bundesgebiet zunächst nicht verlassen, sondern - nach ihrer Straffälligkeit - versucht hat, ihren Aufenthalt noch durch den (offenbar) unbegründeten Asylantrag vom , der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom als unbegründet abgewiesen wurde, zu verlängern.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass die Behörde keine Feststellungen zu den Lebensverhältnissen der Beschwerdeführerin und ihres Ehepartners sowie zur Zumutbarkeit der Führung eines Familienlebens außerhalb Österreichs getroffen habe, ist ihr entgegen zu halten, dass im Hinblick auf das weiter bestehende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes Einschränkungen im Zusammenhang mit den familiären und privaten Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich hinzunehmen sind und der diesbezüglich geltend gemachte Verfahrensmangel nicht relevant ist.

Weiters leben die Mutter und die Schwester der Beschwerdeführerin in Aserbaidschan, wobei das erstmalig in der Beschwerde vorgebrachte hohe Alter ihrer (mittellosen) Mutter und die psychische Erkrankung ihrer Schwester für die Beurteilung der Behörde, dass die Beschwerdeführerin über familiäre Bindungen in ihrem Heimatstaat verfügt, nicht relevant sind.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat - aufbauend auf dem Urteil vom , C-34/09, Ruiz Zambrano , - im Urteil vom , C-256/11, Dereci u.a., ausgesprochen, dass Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes (Rn 66 des zitierten Urteils). Es betrifft Sachverhalte, in denen - obwohl das das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen betreffende aus der RL 2004/38/EG abgeleitete Recht nicht anwendbar ist - einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Staatsbürgers eines Mitgliedstaates ist, ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden darf, weil sonst die Unionsbürgerschaft der letztgenannten Person ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde (Rn 67 des zitierten Urteils).

Daraus ist für die Beschwerdeführerin aber nichts zu gewinnen, spricht doch vorliegend kein Umstand für eine oben beschriebene Ausnahmesituation.

Zum Beschwerdevorbringen, wonach sich die Behörde nicht damit auseinandergesetzt habe, ob die Behandlung der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin in Aserbaidschan möglich sei, ist zunächst auszuführen, dass dies bereits Gegenstand des Asylverfahrens war und eine Änderung bzw. Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes oder der Versorgungslage in ihrem Heimatstaat nicht vorgebracht wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar schon mehrfach ausgesprochen, bei der Abwägung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme komme auch dem Umstand Bedeutung zu, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird. Wenn für den Fremden keine Aussicht besteht, sich in seinem Heimatstaat oder in einem anderen Land - sollte ein solches als Zielort überhaupt in Betracht kommen - außerhalb Österreichs der für ihn notwendigen Behandlung unterziehen zu können, kann das - abhängig von den dann zu erwartenden Folgen - eine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen an einem (unter Umständen auch nur vorübergehenden) Verbleib in Österreich darstellen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2011/23/0529, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang aber ebenfalls ausgesprochen, dass es dem Fremden obliege, substanziiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse im Sinne des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2010/21/0310, mwN).

Diesem Erfordernis hat die Beschwerdeführerin aber nicht entsprochen. Es liegt somit weder ein relevanter Ermittlungsmangel noch ein Feststellungsmangel vor, sodass es nicht rechtswidrig war, der vorgebrachten Erkrankung der Beschwerdeführerin bei der Interessenabwägung kein wesentliches Gewicht beizumessen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der

VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am