VwGH vom 29.03.2012, 2011/12/0156
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des HG in I, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Finanzen vom , Zl. BMF-111301/0157-II/5/2011, betreffend Witwerversorgungsgenuss, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Polizeibeamter des Aktivstandes. Er ist Witwer nach der am verstorbenen ehemaligen Bundesbeamtin UG.
Mit einem am genehmigten Bescheid der BVA wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer nach UG vom an ein Witwerversorgungsbezug von monatlich brutto EUR 687,81 (sowie eine Abfindung der Nebengebührenzulage zum Witwerversorgungsbezug von brutto EUR 384,30) gebühre. Der Bemessung dieses Witwerversorgungsbezuges legte die erstinstanzliche Pensionsbehörde einen Prozentsatz gemäß § 15 Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), von 25,600 zu Grunde, welcher sich wie folgt errechnete:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Berechnungsgrundlage des Beschwerdeführers 6.073,00 | |
- ------------------------------------------------ | x 100 = 148,759 |
Berechnungsgrundlage der UG 4.082,43 |
100 - 148,759 = -48
-48 x 0,3 = -14,400
40 + (-14,400) = 25,600
Der Ermittlung der Berechnungsgrundlage des Beschwerdeführers
legte die erstinstanzliche Pensionsbehörde die dem
Beschwerdeführer in den Jahren 2008 und 2009 zugeflossenen
lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkünfte von EUR 79,172,60 bzw. von
EUR 66.579,40 zu Grunde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er vorbrachte, er habe im November und Dezember 2007 Mehrdienstleistungen erbracht, welche ihm jedoch erst im Jänner und Februar 2008 durch Auszahlung der entsprechenden Nebengebühr abgegolten worden seien. Diese Einkommensbestandteile habe die erstinstanzliche Dienstbehörde zu Unrecht dem Gesamterwerbseinkommen der Kalenderjahre 2008 und 2009 hinzugefügt, weil es im Hinblick auf den Verweis auf § 91 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 (im Folgenden: ASVG), in § 15 Abs. 4 PG 1965 auf den Zeitraum ankomme, in welchem die Erwerbstätigkeit tatsächlich verrichtet worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde dieser Berufung "betreffend die Bemessung des Witwerversorgungsgenusses" nicht stattgegeben.
Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges sowie nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen Folgendes aus:
"In Ihrer Berufung bekämpfen Sie nunmehr ausschließlich die Ermittlung der Höhe Ihrer Berechnungsgrundlage, insbesondere jene aus dem Jahr 2008.
Wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat und wie den im Akt beiliegenden Lohnzetteln der Jahre 2008 und 2009 zu entnehmen ist, hatten Sie lohnsteuerpflichtige Bruttoeinkünfte (Kennzahl 210) im Jahr ein 2008, in Höhe EUR 79.172,60 und im Jahr 2009 in Höhe von EUR 66.579,40. Im Lohnsteuerbereich gilt grundsätzlich das steuerrechtliche 'Zu - und Abflussprinzip' wonach alle Beträge stets in jenem Jahr bewertet und versteuert werden, in welchem sie dem Steuerpflichtigen auch tatsächlich zugeflossen sind, unabhängig von der dazugehörigen zeitlichen Leistungserbringung - etwaige zeitlichen Abgrenzungen sind nicht vorgesehen. Die Behörde hat sich bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen ausschließlich an den vorliegenden, unstrittigen Unterlagen, in diesem Fall an Ihren Bezugs(Lohn)zetteln zu orientieren."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 15 Abs. 1 bis 4 Z. 1 PG 1965 in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 129/2006, wie er im Zeitpunkt bei Ableben der UG und auch noch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft stand, lautete (auszugsweise):
"Ausmaß des Witwen- und Witwerversorgungsgenusses
§ 15. (1) Das Ausmaß des Witwen- und Witwerversorgungsgenusses ergibt sich aus einem Prozentsatz des Ruhegenusses, der dem Beamten oder der Beamtin gebührte oder im Falle seines oder ihres Todes im Dienststand gebührt hätte, wenn er oder sie an seinem oder ihrem Todestag in den Ruhestand versetzt worden wäre. Ein gänzliches oder teilweises Ruhen des Ruhegenusses ist dabei außer Acht zu lassen.
(2) Zur Ermittlung des Prozentsatzes wird vorerst der Anteil der Berechnungsgrundlage des überlebenden Ehegatten oder der überlebenden Ehegattin in Prozent an der Berechnungsgrundlage des verstorbenen Beamten oder der verstorbenen Beamtin errechnet. Bei einem Anteil von 100% beträgt der Prozentsatz 40. Er erhöht oder vermindert sich für jeden vollen Prozentpunkt des Anteils, der 100 unterschreitet oder übersteigt, um 0,3. Er ist jedoch nach oben hin mit 60 und nach unten hin mit Null begrenzt.
(3) Berechnungsgrundlage des überlebenden oder verstorbenen Ehegatten oder der überlebenden oder verstorbenen Ehegattin ist jeweils das Einkommen nach Abs. 4 in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Todestag des Beamten oder der Beamtin, geteilt durch 24. ...
(4) Als Einkommen nach Abs. 3 gelten:
1. das Erwerbseinkommen gemäß § 91 Abs. 1 ASVG,
..."
§ 91 Abs. 1 ASVG lautet (auszugsweise; die wiedergegebenen Teile idF BGBl. Nr. 411/1996):
"Berücksichtigung von Erwerbseinkommen bei Leistungen
§ 91. (1) Als Erwerbseinkommen gilt, sofern in diesem
Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, bei einer
1. unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser
Tätigkeit gebührende Entgelt;
2. selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den
Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Tätigkeit. …"
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der Hinweis der belangten Behörde auf das einkommensteuerrechtliche "Zu- bzw. Abflussprinzip" verfange vorliegendenfalls nicht, zumal die in § 15 Abs. 4 PG 1965 verwiesene Bestimmung des § 91 Abs. 1 Z. 1 ASVG ausdrücklich auf das aus einer bestimmten Tätigkeit gebührende Entgelt verweise. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Der in Rede stehende Verweis auf das "gebührende" Entgelt legt schon von seinem Wortlaut her nahe, dass auch bei der für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage des Beschwerdeführers im Verständnis des § 15 Abs. 3 PG 1965 vorzunehmenden Zuordnung seines Erwerbseinkommens zu den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Ableben der UG nicht der Zeitpunkt des Zuflusses der Nebengebühren, sondern vielmehr jener ihrer Gebührlichkeit maßgeblich ist.
Diese Rechtsauffassung deckt sich im Übrigen mit der herrschenden sozialversicherungsrechtlichen Judikatur zu § 91 Abs. 1 Z. 1 ASVG (vgl. in diesem Zusammenhang die bei Sonntag , ASVG2 (2011), Rz 6 zu § 91 ASVG wiedergegebene Rechtsprechung, wonach Folgeprovisionen aus früher abgeschlossenen Versicherungsverträgen nicht als Erwerbseinkommen für den Zeitraum des Zuflusses gelten, sondern der Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblich ist). Auch im Zusammenhang mit Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gemäß § 91 Abs. 1 Z. 2 ASVG wird - ungeachtet des Umstandes, dass in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Einkünfte im Sinne des EStG maßgeblich sind - vertreten, dass für die Zuordnung von Erwerbseinkommen zu einem bestimmten Zeitraum im Pensionsrecht im Gegensatz zu dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip nicht maßgeblich ist, wann jemandem das Geld zugeflossen ist, sondern wann die Leistung erbracht worden ist (vgl. Sonntag , a.a.O, Rz 9 und 10).
Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am