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VwGH vom 30.09.2014, 2013/22/0282

VwGH vom 30.09.2014, 2013/22/0282

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl sowie die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Georg Morent, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/48/13251/2011-14, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien verhängte über den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Die Behörde stützte diese aufenthaltsbeendende Maßnahme auf die strafrechtlichen Verurteilungen durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom wegen § 127, § 129 Z. 2 und § 130 zweiter Satz zweiter Fall und § 15 StGB sowie vom wegen § 15, § 269 Abs. 1 und § 127 StGB, auf Grund derer er einerseits zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten bzw. zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Tatsache seiner "Verurteilung" rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei zum Schutz des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, sohin zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten.

Über den Beschwerdeführer war am die Untersuchungshaft verhängt worden. Er wurde auf Grund einer Entschließung des Bundespräsidenten begnadigt und am aus der Strafhaft entlassen. Auf Grund des Schubhaftbescheides vom wurde der Beschwerdeführer in der Folge abgeschoben.

Am reiste der Beschwerdeführer wieder in Österreich ein. Am erfolgte neuerlich seine Abschiebung. Wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich in der Zeit vom 29. Juni bis wurde über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG eine Verwaltungsstrafe in Höhe von EUR 100,--

(2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Am heiratete er in Rumänien die rumänische Staatsangehörige D. L. C. Dieser Ehe entstammt der gemeinsame Sohn N. C., der am geboren wurde. Die Frau des Beschwerdeführers lebt - wie auch ihre Eltern - mit ihrem Sohn in Wien.

Der Beschwerdeführer stellte mit Eingabe vom bei der Bundespolizeidirektion Wien den Antrag auf Aufhebung des angeführten Aufenthaltsverbotes. Er begründete dies insbesondere damit, dass sich die Lebensverhältnisse für ihn insbesondere auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK entscheidend und tiefgreifend geändert hätten. Weiters sei er nunmehr EU-Bürger, er sei abgesehen von den beiden angeführten Vorstrafen in Österreich ansonsten zur Gänze unbescholten. Aus familiären Gründen hege er den großen Wunsch, zu seiner Familie nach Wien ziehen zu dürfen. Er erklärte auch, dass er den in Österreich begangenen Diebstahl mit den damit verbundenen Folgen zutiefst bereue.

Die Bundespolizeidirektion Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab und änderte von Amts wegen die Dauer des gegen den Beschwerdeführer unbefristet erlassenen Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die Änderung des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 gemäß "§ 67 Abs. 3 FPG iVm § 68 Abs. 2 AVG" auf zehn Jahre ab. Nach Ansicht der Behörde sei zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die Aufrechterhaltung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes nach wie vor geboten. Der Grund, der zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt habe, sei nicht weggefallen.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass dem Beschwerdeführer nicht nur die angeführten gerichtlichen Verurteilungen zur Last lägen, sondern es sei im Urteil vom auch ausgeführt worden, dass er die gegenständlichen Einbruchsdiebstähle verübt habe, um sich fortlaufende Einnahmen zu verschaffen. Da der Beschwerdeführer - wie dies seinen eigenen Angaben zu entnehmen sei - auch illegal nach Österreich einreise, aber unbestritten über keine beruflichen Bindungen zu Österreich verfüge, keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehe, sondern sich seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeit zu verdienen versuche (so sei es dem angeführten Urteil zu entnehmen), müsse befürchtet werden, dass er sich auch in Hinkunft verleitet sehe, sich durch Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, zumal er für ein minderjähriges Kind sorgepflichtig sei und auch derzeit nicht den Besitz von ausreichenden Barmitteln nachgewiesen habe. Das Aufenthaltsverbot "erscheint" daher nicht allein durch die strafrechtlichen Verurteilungen begründet, sondern das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stelle "im Hinblick auf seine Mittellosigkeit, auf die Bestreitung des Lebensunterhaltes bloß durch Gelegenheitsarbeit, so in Österreich, seine Neigung, sich durch Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz des Eigentums" gefährde. Der Beschwerdeführer sei am freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist, davor sei er zumindest seit 2003 immer wieder monatelang im Bundesgebiet gewesen. Er verfüge nach wie vor über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Er sei dann nach den eigenen Angaben am von Italien kommend nach Österreich eingereist, obwohl er in Kenntnis des bestehenden Aufenthaltsverbotes gewesen sei.

Von einem tatsächlichen Bestehen des Familienlebens und der Schutzwürdigkeit des Privatlebens sei hier nicht auszugehen, weil der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin und dem minderjährigen Sohn immer nur kurze Phasen in einer gemeinsamen Wohnung wohne und dies auch nur in Rumänien. Damit sei "ein der Grad der Integration in Österreich" (gemeint offenbar ein besonderer Grad der Integration) nicht zu finden. Nach den Angaben im Urteil habe er überdies seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet nur durch Gelegenheitsarbeit oder Kriminalität bestritten und es bestehe somit keine rechtmäßige berufliche Integration. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit liege im Hinblick auf die genannten gerichtlichen Verurteilungen nicht vor, weiters falle dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechtes, nach der Aktenlage nämlich nach § 67 i.V.m.

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG zur Last (im Hinblick auf die angeführte neuerliche Einreise in Österreich im Jahr 2009).

Bei der Abwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass die Maßnahme für die öffentliche Ruhe und Ordnung, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen und die Rechte und Freiheiten anderer notwendig sei, "weil der Beschwerdeführer auch derzeit noch mittellos ist, seinen Lebensunterhalt nur durch Gelegenheitsarbeit bestreitet bzw. im Inland bestreiten kann und die Neigung aufweist, sich durch Einbruchdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Ausreichendes Vermögen oder eine sichere Arbeit, so im Bundesgebiet, welche einen anderen Schluss zulassen würden, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet oder gar glaubhaft gemacht. So auch nicht durch den Unterhalt der Ehegattin."

Bei Abwägung der Gefahr, die vom Beschwerdeführer für die genannten öffentlichen Interessen ausgehe, mit den Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers ergebe sich, dass diese Auswirkungen weniger schwer wögen als die genannten öffentlichen Interessen, zumal seine Ehefrau ebenfalls rumänische Staatsbürgerin sei und die Familienzusammenführung auch in Rumänien erfolgen könne (auch mit seinem minderjährigen Sohn). In Rumänien könnte er auch leichter nachhaltig einer Arbeit nachgehen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und einen Antrag auf Ersatz des Vorlageaufwandes gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides (im März 2012) die Bestimmungen des FPG idF BGBl. I Nr. 112/2011 maßgebend.

Gemäß § 69 Abs. 2 FPG ist u.a. ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Anders verhält es sich aber bei Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes nach Änderung der Rechtslage. Eine solche kann nämlich den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/18/0267). Im Hinblick auf den Umstand, dass Rumänien 2007 der Europäischen Union beigetreten ist und der Beschwerdeführer rumänischer Staatsangehöriger ist, war für die Frage der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG von maßgeblicher Bedeutung. Danach muss auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sein. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Auch vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer wendet sich zu Recht gegen die diesbezügliche Begründung im angefochtenen Bescheid, nach der seine Mittellosigkeit, seine Bestreitung des Lebensunterhaltes bloß durch Gelegenheitsarbeit, seine Neigung sich durch Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine solche tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz des Eigentums gefährde. Grundlage für die Annahmen der belangten Behörde, er würde seinen Lebensunterhalt, falls er in Österreich wäre, bloß durch Gelegenheitsarbeit bestreiten und er wiese die Neigung auf, sich durch Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, war das strafgerichtliche Urteil vom , das sich auf die im Jahr 2006 (im März bzw. April) begangenen Straftaten bezieht. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sind seither fast sechs Jahre vergangen, in denen sich der Beschwerdeführer wohl verhalten hat. Allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer "derzeit" über keine ausreichenden Barmittel für seinen Unterhalt verfügt, kann nicht geschlossen werden, dass er nach einem Wohlverhalten von nunmehr fast sechs Jahren im Falle der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in Österreich wiederum Eigentumsdelikte begehen würde. In der mündlichen Verhandlung vor der Behörde gab der Beschwerdevertreter an, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers selbständig erwerbstätig sei. Dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz des Eigentums gefährde, wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid somit nicht nachvollziehbar begründet und es liegen dazu auch keine entsprechenden Sachverhaltsermittlungen und Feststellungen der Behörde vor. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2009 neuerlich illegal nach Österreich eingereist ist, worauf er kurz darauf wieder abgeschoben wurde, und die in diesem Zusammenhang erlassene Verwaltungsstrafe können die Annahme einer solchen Gefahr nicht begründen.

Schon aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am