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VwGH vom 18.05.2010, 2009/06/0263

VwGH vom 18.05.2010, 2009/06/0263

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der Mag. B H, Rechtsanwältin in X, vertreten Hermann Kraft Dallago, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Oberer Stadtplatz 5a, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom , Zl. Vs 07-0898, betreffend Vergütung gemäß § 16 RAO (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der abweisliche Teil des angefochtenen Bescheides wird hinsichtlich eines Betrages von EUR 28.891,20 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Rechtsanwaltskammer Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin in Tirol. Sie wurde mit Bescheid der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom zur Verfahrenshilfevertreterin in einer Strafsache vor dem Schöffengericht bestellt. Die Hauptverhandlung fand vom 21. Jänner bis zum statt. Sie meldete für den Angeklagten die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an, am wurde ihr die schriftliche Urteilsausfertigung zugestellt. Mit Beschluss des Strafgerichtes vom wurde die Frist zur Ausführung der Beschwerdegründe auf Grund des schwierigen Sachverhaltes, der umfassenden Aktenunterlagen, des besonders langen Verfahrens und der damit verbundenen aufwändigen und langen Vorbereitungszeit gemäß § 285 Abs. 2 StPO um neun Wochen verlängert.

Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, verzeichnete die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom (bei der Behörde eingelangt am ) im Hinblick auf den Verfahrensabschluss in erster Instanz ihre bisherigen Leistungen seit . In weiterer Folge legte sie mit Schriftsatz vom ein vollständiges Kostenverzeichnis für den Zeitraum vom bis vor, mit einer Gesamtsumme von EUR 87.801,06 (abzüglich eines bereits gewährten Akontos von EUR 3.600,-- ergab sich ein Rest von EUR 84.201,06). Dieses Kostenverzeichnis enthält auch ihr Rechtsmittel, für die Rechtsmittelschrift werden unter Hinweis auf die neunwöchige Fristverlängerung EUR 51.758,75 angesprochen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer, Abteilung 1, vom wurde gemäß § 16 Abs. 4 RAO die Vergütung für die von der Beschwerdeführerin in dieser Strafsache "im Kalenderjahr 2008" erbrachten Leistungen mit einem Betrag von EUR 19.911,24 bestimmt und das Mehrbegehren in der Höhe von EUR 67.889,82 abgewiesen (Anmerkung: das ergibt zusammen den Betrag von EUR 87.801,06); weiters heißt es, auf die mit diesem Bescheid endgültig festgesetzte Vergütung sei bereits ein Vorschuss von EUR 3.600,-- gewährt und ausbezahlt worden.

Nach Rechtsausführungen und allgemeinen Überlegungen zur Bemessung der Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO folgt eine tabellarische Aufstellung zu den von der Behörde erster Instanz als berechtigt anerkannten Kosten. Eine Honorierung der gerichtlichen Vorbesprechung am und der ersten zehn Verhandlungen zwischen dem 21. Jänner und dem 25. Feber 2008 war nicht begehrt worden; für die Verhandlungen zwischen dem 26. Feber und dem wurde der begehrte Aufwand samt Einheitssatz mit einem Abschlag bei der Beratungszeit mit EUR 20.809,60 (statt begehrter EUR 21.428,80) zuerkannt. Für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird ein Ansatz von EUR 730,-- als gerechtfertigt anerkannt, dazu 20 % gemäß § 9 Abs. 2 AHK, dazu weiters 50 % ES (Einheitssatz) von EUR 438,00. In der weiteren Begründung heißt es, die Beschwerdeführerin habe bei der Position Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung einen Betrag von EUR 34.492,50 zuzüglich 50 % ES netto verzeichnet. Sie komme zu diesem Betrag offensichtlich unter Anwendung der im § 16 Abs. 4 RAO nunmehr vorgesehenen "Berechnungsformel" (im Original unter Anführungszeichen) bei Verlängerung der Rechtsmittelfrist. Dabei übersehe sie jedoch, dass diese "Berechnungsformel" lediglich zur Beurteilung der Frage heranzuziehen sei, ob die Grenze von 50 Verhandlungsstunden im Verfahren überschritten werde oder nicht, nicht aber für die Bemessung der eigentlichen Leistung, nämlich die Verfassung der Rechtsmittelschrift oder der Gegenschrift. Es sei demgemäß eine Kürzung vorgenommen worden. Im Gegensatz zum Antrag wurde weiters von der so ermittelten Netto-Gesamtsumme von EUR 22.123,60 im Sinne der von der Judikatur geforderten Annäherung an die Sätze der AHR (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0050) ein Abschlag von 25% vorgenommen.

Die Beschwerdeführerin erhob hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von EUR 45.382,28 Vorstellung und vertrat darin die Auffassung, sie habe die Kosten für die Verfassung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gemäß dem Gesetzeswortlaut zu Recht in der angesprochenen Höhe verzeichnet. (Der Abzug bei den Beratungen wurde ebenso anerkannt wie der Abschlag von 25%.) Sollte aber die gesetzliche Fiktion der Verhandlungsstunden lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze zum Tragen kommen, wie die Behörde meine, so wären folgerichtig diese fingierten Verhandlungsstunden auch tatsächlich zur Ermittlung der Sondervergütungsgrenze zu verbrauchen. Im Beschwerdefall hieße dies, da 90 fingierte Verhandlungsstunden anzusetzen seien und diese Stunden allein bereits die Sondervergütungsgrenze (von 50 Stunden) überschritten, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf Entlohnung sämtlicher darüber hinaus verrichteter "tatsächlichen" (im Original unter Anführungszeichen) Verhandlungsstunden haben müsse. Dies betreffe die gerichtliche Vorbesprechung vom sowie die Hauptverhandlungen vom 21. Jänner bis zum , wie sie bereits am bekannt gegeben worden seien, woraus sich ein Betrag von EUR 38.522,40 (samt den von der Erstinstanz anerkannten EUR 22.123,60 netto) ergebe (wurde näher aufgeschlüsselt). Auch unter dieser Annahme wären somit unter Berücksichtigung des 25 %igen Abschlages EUR 28.891,20 zu wenig zugesprochen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich bestätigt, sowie dabei ausgesprochen, dass das (vorstellungsverfangene) Mehrbegehren in der Höhe von EUR 45.382,28 abgewiesen werde, woraus sich angesichts des Umstandes, dass der erstinstanzliche Bescheid im Umfang der weiteren Abweisung von EUR 22.507,54 unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei, eine Abweisung von insgesamt EUR 67.889,82 ergebe. In der Begründung wird zunächst die Begründung des Bescheides erster Instanz wiederholt (bis Seite 14 des angefochtenen Bescheides). Sodann wird der Standpunkt der Beschwerdeführerin betreffend die Honorierung der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wiedergegeben, im Anschluss daran heißt es, die belangte Behörde vertrete im Einklang mit der erstinstanzlichen Behörde die Auffassung, dass die Regelung des § 16 Abs. 4 RAO zur Beurteilung der Frage, ob die Grenze von 50 Verhandlungsstunden überschritten sei, heranzuziehen sei. Davon zu unterscheiden sei die Festsetzung der Höhe der Leistung, nämlich das Verfassen der Rechtsmittelschrift oder der Gegenschrift, welche nach den Ansätzen der AHK zu erfolgen habe. Im Übrigen werde auf die ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen, welcher die belangte Behörde vollinhaltlich beitrete (anzumerken ist, dass im angefochtenen Bescheid auf das Vorstellungsvorbringen, wonach allenfalls die Leistungen vom bis zu honorieren wären, nicht eingegangen wird).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekräftigt ihren Standpunkt, ihr Honoraranspruch bezüglich der Nichtigkeitsbeschwerde sei auf der Basis von 90 Verhandlungsstunden zu berechnen, mit dem Hinweis auf den ihrer Auffassung nach eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 4 RAO. Der Gesetzestext führe zunächst aus, dass der Rechtsanwalt für alle jährlich über 10 Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden hinausgehenden Leistungen Anspruch auf eine angemessene Vergütung habe und präzisiere unmittelbar darauf, dass bei "überlangen Verfahren" gemäß § 285 Abs. 2 StPO die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche der Verlängerung einer Teilnahme an 10 Verhandlungsstunden gleichzuhalten sei. Bei diesem Wortlaut ist der Behörde der Interpretationsspielraum entzogen und die Suche, ob der Gesetzgeber bei Festlegung dieser Norm vielleicht etwas anderes gemeint haben könnte, erübrige sich. Der Beschwerdeführerin stünden daher die tarifmäßigen Rechtsanwaltskosten für die Teilnahme an 10 Verhandlungsstunden pro verlängerter Woche zu.

§ 16 Abs. 3 und 4 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868, lautet (diese Bestimmungen idF BGBl. I Nr. 111/2007, in Kraft getreten mit ):

§. 16. "(3) Für die Leistungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, dass sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs. 4 besteht.

(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf Antrag des Rechtsanwalts ist bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs. 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten. Der Antrag auf Vergütung ist vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschusszahlungen nach § 47 Abs. 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuss, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 303 der Beilagen XXIII. GP, heißt es zur vorgeschlagenen (und sodann beschlossenen) Änderung des § 16 Abs. 4 RAO:

Zu Z 22 (§ 16 RAO) "... Mit der vorgeschlagenen Erweiterung des § 16 Abs. 4 RAO soll den praktischen Erfahrungen im Zusammenhang mit der verordnungsmäßigen Festsetzung der sog. 'Sonderpauschalvergütung', also der Abgeltung von Verfahrenshilfeleistungen in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren, Rechnung getragen werden. Nach § 16 Abs. 4 erster Satz RAO setzt der Anspruch des zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalts auf Sondervergütung insbesondere voraus, dass der Rechtsanwalt im betreffenden Verfahren innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird. Übersteigen die im konkreten Verfahren pro Jahr erbrachten Verfahrenshilfeleistungen diesen Umfang nicht, so besteht kein Anspruch (wobei freilich auch solche Verfahrenshilfeleistungen vom Rechtsanwalt letztlich nicht unentgeltlich zu erbringen sind, sondern von der Republik Österreich im Rahmen der allgemeinen Pauschalvergütung nach § 47 Abs. 1 RAO abgegolten werden). Zur Ermittlung der maßgeblichen Grenze von zehn Verhandlungstagen bzw. von fünfzig Verhandlungsstunden ist nach dem Gesetzeswortlaut dabei nur auf die tatsächliche Verhandlungstätigkeit vor Gericht abzustellen; wird diese nicht überschritten, ist nach der Intention des Gesetzgebers aber etwa auch nicht der - kaum überprüfbare - zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, der mit der Abfassung von Schriftsätzen verbunden ist. Dies scheint freilich dort nicht sachgerecht, wo das Gesetz selbst auf die besondere Komplexität und den besonderen Umfang einer Rechtssache Bedacht nimmt und anerkennt, dass mit der üblicherweise für die Erstellung einer Rechtsmittelschrift zur Verfügung stehenden Zeit nicht das Auslangen gefunden werden kann. Eine solche Verlängerung der Rechtsmittelfrist durch das Gericht sieht - im Gefolge der E des AZ G 151/99 - derzeit ausdrücklich § 285 Abs. 2 StPO vor, dies für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (und der Gegenausführung dazu). Hinsichtlich der Rechtsmittel in solchen 'Monsterverfahren', in denen der ganz besondere Aufwand, der mit der Erstellung des Rechtsmittels verbunden ist, durch die Entscheidung des Gerichts auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist letztlich objektiviert ist, scheint es auch angemessen, auf diesen im Rahmen der Sondervergütung nach § 16 Abs. 4 RAO besonders Bedacht zu nehmen. Der Vorschlag sieht daher vor, dass auf Antrag des die Gewährung einer Sondervergütung verlangenden Rechtsanwalts bei solchen Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung des § 285 Abs. 2 StPO (was sowohl hinsichtlich anderer Rechtsmittel als auch anderer Verfahrensarten möglich scheint) eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, jede volle Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, einer Tätigkeit des Rechtsanwalts im Ausmaß von zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten ist. Klarzustellen ist gleichzeitig, dass diese Fiktion lediglich bei der Ermittlung der 'Sondervergütungsgrenze' von 50 Verhandlungsstunden zum Tragen kommt; bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwalts für das Rechtsmittel ist sie dagegen nicht in gleicher Weise heranzuziehen.

Nach der derzeitigen Rechtslage ist das Antragsrecht des Rechtsanwalts auf Gewährung einer Sondervergütung für Verfahrenshilfeleistungen in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren nicht befristet. Eine verspätete, vereinzelt Jahre später erfolgende Antragstellung bei der Rechtsanwaltskammer bereitet aber unter anderem deshalb Probleme, als die bescheidmäßige Festsetzung der dem einzelnen Rechtsanwalt nach § 16 Abs. 4 RAO gebührenden Sondervergütung durch die Rechtsanwaltskammer mit der nach § 47 Abs. 5 RAO durch Verordnung des Bundesministers für Justiz festzusetzenden 'Sonderpauschalvergütung' korrespondiert, die sich jeweils auf ein Kalenderjahr bezieht (vgl. zuletzt die Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die gesonderte Festsetzung der Pauschalvergütung des Bundes für die von Rechtsanwälten in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren erbrachten Leistungen für das Jahr 2005, BGBl. II Nr. 133/2007). Um hier den Rechtsanwaltskammern und in der Folge dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag eine geordnete Antragstellung zu ermöglichen, sieht der Entwurf vor, dass ein Antrag auf Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen hat. Eine entsprechend rechtzeitige Beantragung ist dem antragstellenden Rechtsanwalt auch zumutbar, ist dieser doch auch gegenüber seinen Mandanten gehalten, einigermaßen 'zeitnah' zu den von ihm erbrachten Leistungen abzurechnen (vgl. damit im Zusammenhang § 52 Abs. 1 der RL-BA 1977, wonach dem Rechtsanwalt empfohlen ist, mit dem Mandanten eine Vereinbarung abzuschließen, die ihn unter anderem zur Zwischenabrechnung in angemessenen Abständen, mindestens einmal jährlich, berechtigt)."

Schon die frühere Fassung des § 16 Abs. 4 RAO (BGBl. I Nr. 71/1999) enthielt den auf die Verhandlungsdauer abstellenden Schwellenwert, ab dem der Verfahrenshelfer Anspruch auf eine angemessene Vergütung erheben kann. Dieser Schwellenwert blieb durch die nunmehr anzuwendende Neufassung unverändert; neu hinzu kam die Bedachtnahme auf jenen Aufwand, der typischerweise dann entsteht, wenn das Gericht im Rahmen des § 285 Abs. 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt. Nach dieser Bestimmung hat nämlich das Gericht die in § 285 Abs. 1 StPO genannte 4-Wochen-Frist im Falle extremen Umfanges des Verfahrens um den Zeitraum zu verlängern, der insbesondere im Hinblick auf eine ganz außergewöhnliche Dauer der Hauptverhandlung, einen solchen Umfang des Hauptverhandlungsprotokolls, des übrigen Akteninhalts und der Urteilsausfertigung erforderlich ist, um eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung zu gewährleisten.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, auf das Ansinnen der Beschwerdeführerin einzugehen, dem Rechtsanwender wäre es bei einer kürzlich erfolgten Novellierung eines Gesetzes verwehrt, auf die Motive Bedacht zu nehmen, die den Gesetzgeber zu dieser Novelle veranlassten. Danach sollte die nunmehr EMRKkonform erfolgte Verlängerung der Rechtsmittelfrist ebenso bei der Bemessung der Sondervergütung nach § 16 Abs. 4 RAO eine Rolle spielen wie der schon im ersten Satz dieser Bestimmung genannte Verhandlungsaufwand. Schon die alte Fassung bestimmte eine Sondervergütung für "Leistungen"; Voraussetzung war (und ist), dass mehr als 10 Verhandlungstage oder mehr als 50 Verhandlungsstunden innerhalb eines Jahres erbracht wurden. Der nunmehr im zweiten Satz dieser Bestimmung eingeführte weitere Tatbestand knüpft an diese Anrechnungsregel an, wenn jede Woche der Verlängerung der Rechtsmittelfrist der Teilnahme an 10 Verhandlungsstunden gleichzuhalten ist. Der Schwellenwert für die Sondervergütung kann somit nicht nur durch absolvierte Verhandlungstage, sondern auch durch die Verlängerungswochen der Rechtsmittelfrist erreicht werden.

Wie die Honorierung erfolgt, ist weder in § 16 Abs. 4 erster Satz RAO noch im Fall des zweiten Satzes geregelt. Dies schon deshalb nicht, weil der erste Satz ganz allgemein "Leistungen" zum Gegenstand der Sondervergütung macht. Wenn im zweiten Satz die Erstellung der Rechtsmittelschrift der Teilnahme an Verhandlungsstunden gleichgestellt wird, bedeutet dies lediglich, dass auch in diesem Fall eine angemessene Vergütung eintreten soll, aber nicht, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle die Höhe des Honorars für die Verfassung von Rechtsmittelschriften regeln wollte.

Dass, davon ausgehend, die Vergütung für die Ausführung der Rechtsmittelschrift unrichtig bemessen worden wäre, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, selbst dann, wenn man sich mit den Materialien zur Neufassung des § 16 RAO auseinander setzte, würde sich zeigen, dass die angefochtene Abweisung nicht gerechtfertigt sei. Die Wendung in der Regierungsvorlage: "Klarzustellen ist gleichzeitig, dass diese Fiktion lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze von 50 Verhandlungsstunden zum Tragen kommt; bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwalts für das Rechtsmittel ist sie dagegen nicht in gleicher Weise heranzuziehen" könne nicht dahingehend interpretiert werden, dass dem Rechtsanwalt nur die nach § 9 Abs. 1 und 2 AHK festgesetzte Entlohnung zustehen würde. Vielmehr wurde zum Ausdruck gebracht, dass es einen Unterschied mache, ob die Rechtsmittelfrist um eine Woche, oder, wie gegenständlich, um neun Wochen verlängert werde. Wenn die Fiktion zusätzlicher Verhandlungsstunden bei der Entlohnung des Rechtsanwaltes "nicht in gleicher Weise" heranzuziehen sei, sei der Umkehrschluss gerechtfertigt, dass sie sehr wohl in irgendeiner Weise, wenn auch nicht in gleicher Weise, heranzuziehen sei. Im angefochtenen Bescheid werde dies jedoch nicht berücksichtigt; es würde keinen Unterschied für die Beschwerdeführerin machen, ob das Gericht eine Verlängerung von nur einer Woche oder von neun Wochen gewährt hätte. Die fingierten 90 Verhandlungsstunden blieben somit ohne Auswirkung. Selbst wenn man davon ausginge, dass die gesetzliche Fiktion der zusätzlichen Verhandlungsstunden lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze zum Tragen käme, wären folgerichtig diese fingierten Verhandlungsstunden auch tatsächlich zuerst zur Ermittlung der Sondervergütungsgrenze zu verbrauchen. Dies hieße im gegenständlichen Fall, in welchem das Gesetz 90 fingierte Verhandlungsstunden zubillige und diese Stunden allein bereits die Sondervergütungsgrenze überschritten, dass der Antragstellerin zumindest ein Anspruch auf Entlohnung sämtlicher darüber hinaus verrichteter tatsächlicher Verhandlungsstunden zuzubilligen sei. Davon erfasst wären somit die Leistungen zwischen dem und dem im Umfang von insgesamt EUR 38.522,40, weshalb unter Bedachtnahme auf den 25 %igen Abschlag jedenfalls um EUR 28.891,20 zu wenig zugesprochen worden wären.

Entscheidend ist für die Lösung dieser Rechtsfrage, ob der neu eingeführte Schwellenwert lediglich dann Anwendung finden soll, wenn der Schwellenwert des ersten Satzes nicht erreicht wurde, oder ob beide Voraussetzungen der Sondervergütung kumulativ Anwendung finden.

Schon der bloße Gesetzeswortlaut spricht für eine Kumulierung, weil eine einschränkende Formulierung in dem Sinn, dass Satz 2 dann greift, wenn die Voraussetzung nach Satz 1 nicht vorliegt, nicht gewählt wurde. Vielmehr wird durch die Einleitungsworte: "Auf Antrag des Rechtsanwaltes ist ..." ein völlig neuer Tatbestand geschaffen; die Verknüpfung mit dem ersten Satz ergibt sich erst durch den Imperativ: "ist gleichzuhalten".

Dieser weitere Tatbestand wurde auf Grund der Novellierung des § 285 StPO als erforderlich angesehen. Voraussetzung der längeren Rechtsmittelfrist nach § 285 Abs. 2 StPO ist ein "extremer Umfang" des Strafverfahrens, bei Bemessung der Frist ist unter anderem auf eine "ganz außergewöhnliche Dauer der Hauptverhandlung" abzustellen, wobei die weiteren Bemessungskomponenten (Umfang des Protokolls, des Akteninhaltes und der Urteilsausfertigung) regelmäßig mit der außergewöhnlichen Dauer der Hauptverhandlung korrespondieren.

Wenn die Erläuterungen konsequenterweise von "Monsterverfahren" sprechen, so kann für den Regelfall angenommen werden, dass der Schwellenwert des ersten Satzes ohnehin schon überschritten wurde. Gefordert wird eine Bedachtnahme auf den "ganz besonderen Aufwand", der mit der Erstellung eines Rechtsmittels in solchen Verfahren verbunden ist; die Erläuterungen erachten es als auch angemessen, auf diesen besonderen Aufwand Bedacht zu nehmen.

Hingegen würde die Auffassung der belangten Behörde im Regelfall zu einer Unanwendbarkeit des in Satz 2 formulierten Schwellenwertes führen; dass der Gesetzgeber nur besondere Fälle (die Gegenschrift nennt die Urteilsausfertigung nach einem Jahr; denkbar wäre auch der Verfahrenshelfer, der ausschließlich zur Verfassung der Nichtigkeitsbeschwerde bestellt wird) erfassen wollte, kann weder dem Wortlaut noch den Motiven entnommen werden.

Die Anrechnungsregel im § 16 Abs. 4 zweiter Satz RAO "ist ... gleichzuhalten" bedeutet nichts anderes als eine entsprechende Berücksichtigung bei der Ermittlung der Zahl der Verhandlungstage bzw. -stunden, an denen der Verfahrenshelfer quasi "unentgeltlich" tätig sein muss. Dies bedeutet im Beschwerdefall, dass sämtliche, also auch die zwischen dem und dem erbrachten Leistungen zu honorieren sind, weil durch die nach § 16 Abs. 4 zweiter Satz anrechenbaren 90 Verhandlungsstunden der im ersten Satz dieser Bestimmung formulierte Schwellenwert bereits überschritten wurde.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Honoraranspruch für diesen Zeitraum in der Beschwerde dargestellt; sie behauptet, dass sie dies bereits am getan habe, was den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann. Jedenfalls in der Vorstellung hat die Beschwerdeführerin in Ausführung dieses Eventualbegehrens eine diesbezügliche Aufschlüsselung vorgenommen, worauf die belangte Behörde, ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung, nicht eingegangen ist.

Somit belastete die belangte Behörde dadurch, dass sie § 16 Abs. 4 2. Satz RAO gänzlich unangewendet ließ, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der abweisliche Teil des angefochtenen Bescheides war daher im Umfang des hilfsweise angesprochenen Betrages von 28.891,20 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am