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VwGH vom 30.09.2014, 2013/22/0280

VwGH vom 30.09.2014, 2013/22/0280

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der L, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, Palais Schlick, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/3/12449/2011, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom bestätigte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) ein gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, auf die Dauer von zehn Jahren befristet erlassenes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011.

Begründend führte die Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem am von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten Besuchervisum, gültig bis zum , nach Österreich eingereist. Am habe sie den österreichischen Staatsbürger V.J. geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" eingebracht. Dieser Antrag sei letztlich mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen worden. Die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde sei mit Erkenntnis vom , 2008/22/0425, ebenfalls abgewiesen worden.

V.J. sei am vom Bezirksgericht H aufgrund der mit der Beschwerdeführerin geschlossenen Ehe wegen des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen nach § 117 Abs. 1 FPG zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde aus, dass auf die Beschwerdeführerin als Familienangehörige eines Österreichers - die Ehe sei laut Schreiben vom Standesamt Wien O vom noch aufrecht - gemäß § 65b FPG die Bestimmungen des § 67 FPG anwendbar seien. Das von der Beschwerdeführerin bestrittene Vorliegen einer Scheinehe habe bereits eine Vorfrage im Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels sowie im strafgerichtlichen Verfahren wegen des Vergehens nach § 117 Abs. 1 FPG gebildet.

Die Behörde sei an die, in Übereinstimmung mit der Aktenlage und den darin enthaltenen Ermittlungsergebnissen getroffenen, rechtskräftigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und des Strafgerichtes gebunden. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung auch nicht dargetan, welcher davon abweichende Sachverhalt vorgelegen hätte. Es sei daher als erwiesen anzusehen, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger nur deshalb geschlossen habe, um sich dadurch einen Aufenthaltstitel und einen Befreiungsschein zu verschaffen, eine Anwartschaft für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen und um ohne weiteres Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu haben. Weiters sei es als erwiesen anzusehen, dass sie sich in dem Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels beziehungsweise eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen habe, obwohl eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft, sohin ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, nie geführt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe vorsätzlich und planmäßig versucht, sich durch die Scheinehe fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen und ihr nicht zustehende Begünstigungen am österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen. Sie habe auch nicht davor zurückgeschreckt, einen österreichischen Staatsbürger zur Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung zu verleiten. Ihr diesbezügliches Vorbringen, das genannte Straferkenntnis sei gegen den österreichischen Staatsbürger und nicht gegen sie ergangen und habe daher mit ihrem Verfahren nichts zu tun, lasse vielmehr eine der österreichischen Rechtsordnung gegenüber besonders ablehnende Haltung erkennen.

Hinsichtlich der nach § 61 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das rechtswidrige Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Als für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, die gemäß § 63 Abs. 2 FPG auch für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer von Bedeutung seien, kämen das konkret gesetzte Fehlverhalten und die daraus resultierende Gefährdung der öffentlichen Interessen sowie die privaten und familiären Interessen im Sinne des § 66 FPG in Betracht. Wer, wie die Beschwerdeführerin, versuche, sich durch Eingehen einer Scheinehe ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erschleichen, lasse seine Geringschätzung für maßgebliche zum Rechtsgüterschutz aufgestellte Vorschriften erkennen. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin sowie der aus der anzunehmenden Mittellosigkeit bestehenden resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung könne unter Bedachtnahme auf ihre private Situation ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Februar 2012 sind die Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden.

Die Beschwerde wendet sich u.a. gegen die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe. Gemäß § 53 Abs. 2 FPG, auf den § 63 Abs. 2 FPG verweist, sei ein solches mit einer Dauer von höchstens fünf Jahren beschränkt. Damit ist die Beschwerde im Recht.

Angesichts dessen, dass es nach § 53 Abs. 2 FPG für die Zulässigkeit der Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von bis zu fünf Jahren hinreichend ist zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft, hingegen nach § 67 Abs. 1 FPG - der gemäß § 65b leg. cit. auf Familienangehörige von Österreichern anzuwenden ist - die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nur zulässig ist, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des betroffenen Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, würde es zu einem dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Wertungswiderspruch und zu verfassungsrechtlichen Bedenken führen, wenn in den Fällen des § 67 Abs. 1 FPG ein auf das Fehlverhalten durch Eingehen einer Aufenthaltsehe gestütztes Aufenthaltsverbot mit einer Dauer von mehr als fünf Jahren befristet erlassen werden dürfte. Sohin ist davon auszugehen, dass bei der Prüfung nach § 67 Abs. 2 iVm Abs. 4 FPG darauf Bedacht zu nehmen ist, dass in den in § 53 Abs. 2 FPG genannten Fällen auch ein Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 FPG jedenfalls mit keiner höheren Dauer als fünf Jahre befristet werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/18/0032).

Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am