VwGH vom 22.01.2014, 2013/22/0278
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 157.632/9-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer armenischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die (minderjährige) Beschwerdeführerin am gemeinsam mit ihrer Mutter illegal eingereist sei. Die Asylanträge seien in Verbindung mit einer Ausweisung letztinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen worden. Folgeanträge seien mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom gleichfalls abgewiesen worden.
Am habe die Mutter der Beschwerdeführerin für diese den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gestellt, der seit als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG zu werten sei.
Der Lebensgefährte der Mutter der Beschwerdeführerin sei am illegal eingereist und habe ebenfalls erfolglos Asylanträge gestellt. Letztlich habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom die Ausweisung verfügt.
Auch im nunmehrigen Berufungsverfahren sei - wovon die erstinstanzliche Behörde zutreffend ausgegangen sei - eine Neubewertung von Art. 8 EMRK vorzunehmen gewesen.
Die Mutter habe angegeben, dass auch ihre volljährige Schwester, der Lebensgefährte und dessen Mutter in Österreich lebten. Die Abweisung des beantragten Aufenthaltstitels stelle einen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin und auch in jenes der genannten Familienmitglieder dar. Bedingt durch die Tatsache, dass alle im Familienverband lebenden Angehörigen über keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügten und ausgewiesen worden seien, werde durch die Nichtgewährung von Aufenthaltstiteln nicht in ein Familienleben eingegriffen. Der ca. siebeneinhalbjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich beruhe auf einer unerlaubten Einreise, was als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessenabwägung einzubeziehen sei. Der nur vorläufig berechtigte Aufenthalt sei lediglich auf letztlich unbegründete Asylanträge zurückzuführen. Die Beschwerdeführerin sei neun und ihre Schwester sei zwei Jahre alt. Diesbezüglich sei wegen des geringen Alters von einer hohen Anpassungsfähigkeit auszugehen. Dem österreichischen Staat könne nicht vorgeworfen werden, der Beschwerdeführerin den Schulbesuch in Österreich ermöglicht zu haben. Die Gründe für die Flucht aus Armenien seien bereits im Zuge des Asylverfahrens geprüft worden.
Das Vorbringen zu einer Integration der Beschwerdeführerin in Österreich sei nicht geeignet, das Gewicht der persönlichen Interessen an einer Niederlassung im Bundesgebiet im überwiegenden Ausmaß zu stärken. Die vorliegenden integrationsbegründenden Umstände erreichten noch keinen solchen Grad, dass von einem Gebot zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels auszugehen wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn gerichtete Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 7/2013-12, mit weiterem Beschluss vom gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind in einem Fall wie dem vorliegenden die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Weiters sind angesichts der Erlassung des angefochtenen Bescheides im November 2012 die Bestimmungen des NAG idF der Novelle BGBl. I Nr. 50/2012 maßgeblich.
Der von der Beschwerdeführerin beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 41a Abs. 9 NAG erfordert u.a., dass dessen Erteilung gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK stößt auf keine Bedenken.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich unbestritten auch die Mutter und die Schwester der im Jahr 2003 geborenen Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und ausgewiesen wurden. Somit liegt kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/22/0143 bis 0146).
Grundsätzlich ist im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen, ob es dem Drittstaatsangehörigen zumutbar ist, dem Obsorgeberechtigten in das Herkunftsland oder an einen anderen Ort zu folgen, um dort die familiären Beziehungen weiterzuführen (vgl. Oswald , Das Bleiberecht (2012), 215 ff, und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom , "Antwi u.a. gegen Norwegen", Nr. 26.940/10, Rz 87 ff).
Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Mutter im Jahr 2005, somit im Alter von ca. zwei Jahren, nach Österreich gekommen und besucht hier die Volksschule. (Im ergänzenden Schriftsatz vom ist allein davon die Rede, dass sie mittlerweile das Gymnasium in S besuche und in ihrer neuen Klasse bereits gut habe Fuß fassen können.)
Nach dem oben Gesagten ist zu prüfen, ob es der Beschwerdeführerin zuzumuten ist, das Bundesgebiet gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester zu verlassen und in den Herkunftsstaat zu ziehen. Es sind vorliegend keine Umstände ersichtlich, die dem entgegenstehen würden. Der Verfassungsgerichtshof hat unter Hinweis auf Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausgesprochen, dass für Kinder im Alter von sieben und elf Jahren grundsätzlich eine Anpassungsfähigkeit anzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 19.357). Dieser Ansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis vom hinsichtlich eines acht Jahre alten Kindes an.
Es ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin, die mit ihrer Familie Österreich verlassen muss, sich mit ihrer Familie im Herkunftsstaat eingliedern und dort den Schulbesuch fortsetzen kann, zumal nicht vorgebracht wurde und auch keine Hinweise darauf bestehen, dass sie die Muttersprache nicht beherrscht.
Daher erweist sich das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles als rechtmäßig.
Da somit bereits der Inhalt der ergänzten Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-88836