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VwGH vom 05.09.2008, 2007/02/0314

VwGH vom 05.09.2008, 2007/02/0314

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des O M in S, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-281013/27/Kl/Ps, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der O. M. GmbH, Dachdeckerei-Spenglerei, mit Sitz und Geschäftsanschrift an einem näher genannten Ort folgende Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verantworten:

Bei der am durchgeführten Überprüfung der Baustelle T. GmbH in T. durch einen Arbeitsinspektor des Arbeitsinspektorates V. seien die Arbeitnehmer S. C., C. K., J. A. und I. K., beschäftigt bei der O. M. GmbH, bei der Montage von Anschlussblechen im Randbereich des Flachdaches in einer Höhe von ca. 10 m ohne jede Sicherung gegen Absturz angetroffen worden. Die Öffnungen im Flachdach für die spätere Belichtung der Halle seien gleichfalls nicht gegen Absturz gesichert gewesen.

Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer (möglichen) Absturzhöhe von mehr als 3,00 m müssten Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV vorhanden sein. Bei Absturzgefahr seien Absturzsicherungen (§ ( BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen. Absturzgefahr bestehe gemäß § 7 Abs. 2 BauV bei Öffnungen in Dächern unabhängig von der möglichen Absturzhöhe.

Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen des § 87 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 BauV i.d.g.F. i.V.m. § 130 Abs. 5 Z. 1 AschG begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe von EUR 250.-- je Arbeitnehmer (Ersatzfreiheitsstrafe von je 2 Tagen) verhängt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, den weiteren Beweisanträgen auf Einvernahme der weiteren Arbeitnehmer und "des bauleitenden Unternehmens" sei insofern nicht Folge zu geben gewesen, weil es an einem Aufenthaltsort und einer Zustelladresse einerseits ermangelt und andererseits eine Einvernahme bereits im Verfahren erster Instanz stattgefunden habe. Diese Aussagen hätten die nachvollziehbaren und schlüssigen Darlegungen des anzeigenden Kontrollorgans nicht widerlegen können. Dass das "bauleitende Unternehmen" zum Zeitpunkt der Kontrolle auf der Baustelle anwesend gewesen sei, werde nicht einmal behauptet und es könnten daher hinsichtlich des Antreffens der Arbeitnehmer keine Aussagen getroffen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde nehme als erwiesen an, dass am vier Arbeitnehmer der O. M. GmbH bei der Baustelle T. gearbeitet hätten und zwar im Randbereich des Daches. Dort hätten sie Anschlussbleche montiert, die von ihnen bereits aufgelegt worden seien und sie hätten einige solcher Bleche bereits montiert, andere aber seien noch nicht montiert gewesen. Es seien vom kontrollierenden Arbeitsinspektor alle vier Arbeitnehmer auf dem Dach angetroffen worden.

Zu diesen Feststellungen habe die belangte Behörde nur deshalb kommen können, weil sie die vom Beschwerdeführer beantragten Beweise nicht aufgenommen und überdies den Grundsatz der Unmittelbarkeit verletzt habe. Vor allem habe die belangte Behörde den in der Berufungsverhandlung gestellten Antrag auf (neuerliche) Ladung der Zeugen J. A., I. K. C. K. und R. B. zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Demnach sind Belastungs- und Entlastungszeugen in gleicher Weise zu hören, soweit dies für die Klarstellung des Sachverhaltes erforderlich ist. Wohl findet die Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit im Verwaltungsstrafverfahren ihre Grenze darin, dass von weiteren Erhebungen abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt so weit geklärt ist, dass die belangte Behörde auch dann zu einem anderen Ergebnis in der Hauptsache nicht gelangen könnte, wenn die namhaft gemachten Zeugen das bestätigen würden, was der Beschuldigte unter Beweis stellt. Nur unter dieser Voraussetzung darf ein beantragter Zeugenbeweis abgelehnt werden (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0125, m.w.N.).

Insoweit der Beschwerdeführer die unterlassene Einvernahme des Zeugen R. B. von der B. Stahlbau GmbH rügt, zeigt er keine Rechtswidrigkeit das angefochtenen Bescheides auf, zumal er übersieht, dass er diesen Zeugen zu einem nicht relevanten Beweisthema namhaft gemacht hat. Dieser Zeuge sollte nämlich zum Thema, dass die Anschlussbleche nicht von der O. M. GmbH montiert worden seien und daher der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen habe, einvernommen werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich im Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0238, u.a. ausgeführt hat, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 BauV, für welche Art von Bauarbeiten die BauV gilt (vgl. § 1 Abs. 1 leg. cit.). Werden daher "Arbeiten auf Dächern" verrichtet, so ist es unerheblich, um welche Art von Bauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 BauV es sich dabei "konkret" handelt. Im Lichte dieser Judikatur ist es daher unerheblich, ob die Arbeitnehmer der O. M. GmbH mit der Montage von Abschlussblechen oder mit anderen Arbeiten auf dem Dach der gegenständlichen Baustelle beschäftigt waren.

Nach der hg. Rechtsprechung darf aber der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG bei seiner Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Weiters ist es Pflicht der Behörde einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0335, m.w.N.), zumal die belangte Behörde auch nicht behauptet, dass die weiteren Zeugen J. A., I. K. und C. K. nicht zu einem "wesentlichen Thema" namhaft gemacht worden seien.

Die Zeugen J. A., I. K. und C. K. wurden zu einem relevanten Beweisthema, nämlich dass am zum Kontrollzeitpunkt keine vier Arbeitnehmer der O. M. GmbH auf dem Dach der gegenständlichen Baustelle anwesend waren, vom Beschwerdevertreter im Zuge der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde am namhaft gemacht. Laut Niederschrift dieser Verhandlung wurde von der Verhandlungsleiterin lediglich allgemein mitgeteilt, dass die Ladung des Zeuge J. A. nicht möglich gewesen sei, weil eine ladungsfähige Adresse nicht ausfindig gemacht werden habe können, ohne jedoch die Adresse, an die die Ladung vergeblich gesandt wurde, näher bekannt zu geben.

Dem Beschwerdeführers konnte aufgrund dieser Mitteilung der Verhandlungsleiterin nicht bekannt sein, dass die von ihm ausdrücklich gegenüber der belangten Behörde anlässlich des Beweisantrages für den Zeugen J. A. bekannt gegebene Adresse jene war, bei der es für die belangte Behörde Schwierigkeiten mit der Zustellung der Ladung dieses Zeugen für die mündlichen Verhandlung gab. Mangels entsprechender Aufforderung durch die Behörde ergab sich für den Beschwerdeführer auch keine Veranlassung, im Rahmen seiner grundsätzlich gegebenen Mitwirkungspflicht eine "ladungsfähige Adresse" dieses Zeugen ausfindig zu machen und der Behörde bekannt zu geben.

Bezüglich der beiden weiteren Zeugen I. K. und C. K. kann den vorgelegten Verwaltungsakten - entgegen den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht entnommen werden, dass es "an einem Aufenthaltsort und einer Zustelladresse" fehlen würde. Vielmehr ist aus dem den Verwaltungsakten zuliegenden Rückscheinen ersichtlich, dass dem Zeugen I. K. die Ladung zur mündlichen Verhandlung am persönlich und dem Zeugen C. K. am durch Hinterlegung bei einem näher genannten Postamt zugestellt werden konnte. Bezüglich des Zeugen I. K. wurde lediglich vom Beschwerdevertreter im Zuge der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sich dieser "in der Firma" krank gemeldet habe.

Da nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde nach Einvernahme der drei zuletzt genannten Zeugen zu dem vom Beschwerdeführer beantragten Beweisthema zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am