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VwGH 25.02.2010, 2009/06/0234

VwGH 25.02.2010, 2009/06/0234

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauO Tir 2001 §23 Abs1;
BauO Tir 2001 §23 Abs2;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauO Tir 2001 §6;
BauRallg;
PlanunterlagenV Tir 1998;
RS 1
Dem Nachbarn kommt kein Recht zu, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig der Rechtslage entsprechend der Baubehörde vorgelegt werden. Der Nachbar hat aber ein Recht auf die Vorlage jener Planunterlagen, die ihm jene Informationen vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof braucht (Hinweis E vom , Zl. 96/06/0273)(Nähere Ausführungen dazu, ob die dem Beschwerdeführer vorgelegten Planunterlagen zur Verfolgung seines Nachbarrechtes auf Einhaltung der Wandhöhe bzw. der Abstandsbestimmungen gemäß § 6 Tir BauO 2001 ausreichend waren, im E.)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2002/06/0174 E RS 1 (hier: ohne den letzten Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Mag. Egon Lechner, Rechtsanwalt in 6232 Münster, Entgasse 320, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-8-1/540-1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Y, 2. B in Y), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Beschwerdeverfahren betrifft ein Bauvorhaben des Zweitmitbeteiligten im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin eines Grundstückes, das vom Bauplatz durch eine Straße getrennt ist.

Mit dem am eingebrachten Baugesuch vom kam der Erstmitbeteiligte um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für eine Aufstockung und für einen Dachausbau sowie für weitere Baumaßnahmen bei einem auf dem Bauplatz bestehenden Gebäude ein.

Der Bürgermeister beraumte mit Erledigung vom eine Bauverhandlung an, zu der unter anderem die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 VwGG geladen wurde (die Ladung/Kundmachung enthält auch den Hinweis wann und wo in die Projektunterlagen Einsicht genommen werden kann). Sie erschien bei der Bauverhandlung in Begleitung eines Vertreters und brachte vor:

"Die vorliegenden Planunterlagen entsprechen nicht der TBO und der Planunterlagenverordnung. Zusätzlich basieren diese auf Grundlage eines nicht genehmigten Bebauungsplanes. Die Einhaltung der subjektiv-öffentlichen Nachbarschaftsrechte von (Beschwerdeführerin) kann daher nicht beurteilt werden. Deshalb muss der Erteilung einer Baugenehmigung grundsätzlich widersprochen werden."

In der Folge erteilte der Bürgermeister mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen und wies die Einwendungen der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück, weil ihr in diesen Belangen kein Nachbarrecht zustehe. Das Bauvorhaben entspreche den Festlegungen des rechtsgültigen Flächenwidmungsplanes und den Anforderungen des Immissionsschutzes gegenüber den Nachbarn. Der Bauplatz sei als Wohngebiet gewidmet, die geplanten Baumaßnahmen seien jedenfalls im Bauland mit der Widmungskategorie "Wohngebiet" zulässig. Den Bestimmungen des Brandschutzes sei Rechnung getragen worden. Auch die Festlegungen des gültigen Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Bauweise und der Bauhöhe würden eingehalten, ebenso entspreche das Bauvorhaben den Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2001.

Die Beschwerdeführerin erhob eine umfangreiche Berufung, in der sie in 29 Punkten Stellung gegen das Vorhaben bezog und auch mit näheren Ausführungen die Rechtswidrigkeit des tatsächlichen Bestandes behauptete.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen, weil das (wörtlich wiedergegebene) Vorbringen in der Bauverhandlung keine Einwendung im Rechtssinne darstelle. Das Wesen einer Einwendung sei die Behauptung einer konkreten Rechtswidrigkeit, welche Nachbarrechte im Sinne des § 25 TBO 2001 beeinträchtige. Nach der Judikatur dürften zwar keine besonders strengen formellen Anforderungen an das Erheben von Einwendungen gestellt werden, es müsse jedoch eine konkrete Verletzung von Nachbarrechten, wie beispielsweise zumindest eine Behauptung der Verletzung von Abstandsvorschriften oder von Brandschutzvorschriften erkannt werden können. Dies sei hier nicht der Fall. Mangels rechtzeitiger Erhebung rechtlich relevanter Einwendungen sei daher der Verlust der Parteistellung eingetreten, weshalb die Berufung unzulässig sei.

Die nun anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammengefasst kam auch die belangte Behörde zur Beurteilung, dass die Beschwerdeführerin keine tauglichen Einwendungen erhoben habe.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 962/09-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Begründung dieses Beschlusses verwies der Verfassungsgerichtshof unter anderem darauf, der allgemeine und ergänzende Bebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sei in einem Verfahren, indem die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung einer Berufung mangels Parteistellung zu beurteilen sei, nicht präjudiziell.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten (ergänzten) Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 73/2007 anzuwenden.

§ 25 Abs. 2, 3 und 4 TBO 2001 lautet:

"(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

b)

der Bestimmungen über den Brandschutz;

c)

der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

d)

der Abstandsbestimmungen des § 6;

e)

im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen."

Die Beschwerdeführerin wurde zur Bauverhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG geladen und hat in der Bauverhandlung unbestritten (nur) das in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene Vorbringen erstattet. Maßgebliche Frage ist, ob sie dadurch die Parteistellung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG beibehalten hat oder nicht. Zutreffend wurde im Verwaltungsverfahren erkannt, dass die Parteistellung nur durch das Erheben tauglicher Einwendungen beibehalten wird. Richtig wurde hervorgehoben, dass ein Vorbringen, das als Einwendung im Rechtssinn qualifiziert werden soll, erkennen lassen muss, welche Rechtsverletzung, nämlich die Verletzung welchen Nachbarrechtes, behauptet wird (siehe beispielsweise die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, in E 1 ff zu § 42 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin der Bauverhandlung ist darauf hinzuweisen, dass der Nachbar nur Anspruch darauf hat, dass die Planunterlagen so ausreichend sind, dass sie ihm jene Informationen geben, die er zur Verfolgung seiner Rechte benötigt; es kommt ihm kein Recht darauf zu, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig der Rechtslage entsprechend der Baubehörde vorgelegt werden (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/06/0164, und vom , Zl. 2002/06/0174, mwN). In den Planunterlagen ist dargestellt, was demgemäß Gegenstand des Vorhabens sein soll. Weshalb diese Planunterlagen unzureichend sein sollen, um Nachbarrechte im zuvor umschriebenen Sinn geltend zu machen, ist vorweg nicht erkennbar; die Beschwerdeführerin wäre vielmehr verhalten gewesen, spätestens bis zum Ende der Bauverhandlung ihr ganz allgemein gehaltenes Vorbringen zu konkretisieren, was sie aber unterlassen hat. Die Beurteilung der Berufungsbehörde, dass die Beschwerdeführerin demnach keine tauglichen Einwendungen im Rechtssinn erhoben hatte, erweist sich als zutreffend. Damit hatte sie im Sinne des § 42 AVG ihre Parteistellung verloren, weshalb ihre Berufung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen wurde. Es war daher auch nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ihre Vorstellung als unbegründet abgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass auf das Vorbringen zur Sache einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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Normen
BauO Tir 2001 §23 Abs1;
BauO Tir 2001 §23 Abs2;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauO Tir 2001 §6;
BauRallg;
PlanunterlagenV Tir 1998;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche
Rechte, Baupläne BauRallg5/1/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2009060234.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAE-88781