VwGH 14.12.2007, 2007/02/0273
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der erste Halbsatz des § 130 Abs 1 Z 19 ASchG 1994 normiert als Verwaltungsübertretung (die zu bestrafen ist) nur die Verletzung der Verpflichtungen betreffend die "Gestaltung" von Arbeitsvorgängen. Eine Sanktion wegen der Verletzung von solchen Verpflichtungen in Hinsicht auf die "Durchführung" von Arbeitsvorgängen - wie dem Bf vorgeworfen - findet sich sohin in § 130 Abs 1 Z 19 ASchG 1994 (im Übrigen ebenso wie in Hinsicht auf die "Vorbereitung") nicht. Dass unter "Gestaltung" insoweit nicht etwa auch die "Durchführung" von Arbeitsvorgängen gemeint sein kann, ergibt sich schon daraus, dass dem Gesetzgeber überflüssige bzw. inhaltsleere Aussagen - wie hier die Verwendung der Worte "vorbereitet" und "durchgeführt" neben dem Wort "gestaltet" in § 60 Abs 1 ASchG 1994 - im Zweifel nicht zu unterstellen sind (Hinweis E , 98/02/0292). Die dem Bf vorgeworfene Tat der Verletzung der Verpflichtung betreffend die Art der "Durchführung" eines Arbeitsvorganges bildet daher nach der von der belBeh herangezogenen Vorschrift des § 130 Abs 1 Z 19 ASchG 1994 keine Verwaltungsübertretung. |
Normen | |
RS 2 | Das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens (vgl. hiezu VfSlg 13785/1994). Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 MRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (Hinweis E , 2000/03/0066, mwH). Diesen Anforderungen wird § 108 Abs. 2 KFG 1967 nicht gerecht (ausführliche Begründung im E). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 99/03/0144 E RS 1
(hier ohne den letzten Satz) |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/02/0274 E
2007/02/0272 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Dipl. Ing. HS in N, vertreten durch Dr. Erhard Hackl, Dr. Karl Hatak und Mag. Markus Weixlbaumer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hofgasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen- 280930/17/Kl/Pe, betreffend Übertretung des ASchG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der V.-GesmbH mit Sitz in L. zu vertreten: Am habe diese GesmbH als Arbeitgeber in einer örtlich umschriebenen Arbeitsstätte nicht dafür gesorgt, dass folgender Arbeitsvorgang so "durchgeführt" worden sei, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht worden sei.
Nach näherer Beschreibung dieses "Arbeitsvorganges" wurde im Spruch (gemäß § 44a Z. 1 VStG) schließlich näher ausgeführt, in welcher Art und Weise der Arbeitsvorgang "durchzuführen" gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß "den §§ 130 Abs. 1 Z. 19, 60 Abs. 1" ASchG begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, die ihm vorgeworfene Tat sei nicht dem § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG zu subsumieren. Er ist damit im Recht:
§ 60 Abs. 1 ASchG lautet:
"Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass Arbeitsvorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird."
Gemäß § 130 Abs. 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer
"19. die Verpflichtungen betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen verletzt".
Der im Beschwerdefall wesentliche erste Halbsatz des § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG normiert daher als Verwaltungsübertretung (die zu bestrafen ist) nur die Verletzung der Verpflichtungen betreffend die "Gestaltung" von Arbeitsvorgängen. Eine Sanktion wegen der Verletzung von solchen Verpflichtungen in Hinsicht auf die "Durchführung" von Arbeitsvorgängen - wie dem Beschwerdeführer vorgeworfen - findet sich sohin in § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG (im Übrigen ebenso wie in Hinsicht auf die "Vorbereitung") nicht.
Dass unter "Gestaltung" insoweit nicht etwa auch die "Durchführung" von Arbeitsvorgängen gemeint sein kann, ergibt sich schon daraus, dass dem Gesetzgeber überflüssige bzw. inhaltsleere Aussagen - wie hier die Verwendung der Worte "vorbereitet" und "durchgeführt" neben dem Wort "gestaltet" in § 60 Abs. 1 ASchG - im Zweifel nicht zu unterstellen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0292).
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen in ständiger Rechtsprechung ausführt, verlangt das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens. Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des Art. 7 EMRK im Zusammenhalt mit § 1 Abs. 1 VStG der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2004/02/0284, 0285).
Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat der Verletzung der Verpflichtung betreffend die Art der "Durchführung" eines Arbeitsvorganges bildet daher nach der von der belangten Behörde herangezogenen Vorschrift des § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG keine Verwaltungsübertretung.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | ASchG 1994 §130 Abs1 Z19; ASchG 1994 §60 Abs1; B-VG Art18 Abs1; MRK Art7; VStG §1 Abs1; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
Sammlungsnummer | VwSlg 17345 A/2007 |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Diverses VwRallg3/5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2007:2007020273.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAE-88774