VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0248
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom , Zl. MA35-9/2905041-01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte mit dem am bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), zu werten nunmehr als Antrag gemäß § 43 Abs. 4 NAG. Dem Antrag legte er unter anderem Honoraraufstellungen zweier Zustellunternehmen für das Jahr 2010 sowie Honorarnoten für Zustelltätigkeiten für den Zeitraum Jänner bis Februar 2011 bei.
Im Zuge des Verwaltungsverfahrens legte der Beschwerdeführer zunächst einen "Gebietsbetreuungsvertrag", abgeschlossen mit der Firma W GmbH, sowie eine Honoraraufstellung dieses Unternehmens für den Zeitraum Jänner bis Oktober 2012 vor. In der Folge legte er Honorarnoten zunächst für den Zeitraum November 2012 bis Februar 2013 und anschließend für den Zeitraum Jänner bis Juni 2013 vor. In seiner (letzten) Stellungnahme vom verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er aus zwei Tätigkeiten ein Einkommen von insgesamt ca. EUR 950,-- netto monatlich erziele und der Beweis des gesicherten Lebensunterhaltes somit erbracht sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG ab.
Die belangte Behörde stellte zunächst fest, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom sei dieser Antrag abgewiesen worden, das Asylverfahren sei "mit rechtskräftig negativ beendet" worden.
Weiters wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2012 als Nachweis für eine ortsübliche Unterkunft einen Mietvertrag, abgeschlossen zwischen der Wohnungseigentümerin und dem Hauptmieter, sowie eine unbefristete, entgeltliche Wohnbestätigung zwischen ihm und dem Hauptmieter vorgelegt habe. Da nach dem Mietvertrag die Untervermietung nicht gestattet sei, könne - so die belangte Behörde - die vorgelegte Wohnbestätigung nicht als Nachweis für eine ortsübliche Unterkunft herangezogen werden.
Darüber hinaus verwies die belangte Behörde auf den vorgelegten Gebietsbetreuungsvertrag, in dem der Beschwerdeführer erklärt habe, im Besitz einer aufrechten Gewerbeberechtigung zu sein, "sofern diese zur Erfüllung dieses Vertrages notwendig" sei. Mit Unterlagenanforderung vom sei dem Beschwerdeführer aufgetragen worden, zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes unter anderem eine Gewerbeberechtigung bzw. eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Patenschaftserklärung vorzulegen. Nach dem Richtsatz gemäß § 293 ASVG müsse dem Beschwerdeführer ein Einkommen in der Höhe von EUR 837,63 zur Verfügung stehen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer den Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes nicht erbracht habe, sodass die allgemeine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht vorliege. Der Beschwerdeführer habe zwar auf Aufforderung Gutschriften bzw. Auszüge betreffend die Überweisung von Honorarnoten (zuletzt) für den Zeitraum Jänner bis Juli 2013 sowie Belege für die Bezahlung der Miete übermittelt. Da er für seine "Tätigkeit bei der M GesmbH keine dafür erforderliche Arbeitsmarktrechtliche Bewilligung" vorgelegt habe, hätten die von ihm vorgelegten Honorarnoten nicht als Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes herangezogen werden können. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichthof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, - wie vorliegend - nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.
Weiters ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am ) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 anzuwenden ist.
§ 11 NAG lautet auszugsweise wie folgt:
" Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) ...
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
...
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft
nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich
angesehen wird;
...
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen
Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
...
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
..."
Vorauszuschicken ist zunächst, dass die belangte Behörde zwar auf die - ihrer Auffassung nach - fehlende Eignung der vorgelegten Wohnbestätigung als Nachweis für eine ortsübliche Unterkunft hingewiesen hat. Weder dem Spruch des angefochtenen Bescheides, der als Rechtsgrundlage nur § 43 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG anführt, noch der Begründung lässt sich aber entnehmen, dass die belangte Behörde diesen Umstand iSd § 11 Abs. 2 Z 2 NAG als für die Abweisung des gegenständlichen Antrags tragend herangezogen hätte, weshalb auf diesen Aspekt in der Folge nicht weiter einzugehen war.
Der Beschwerdeführer verweist unter anderem darauf, dass er den gesicherten Lebensunterhalt durch Vorlage von Honorarnoten, die ein Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit über dem geforderten Richtsatz belegen würden, nachgewiesen habe. Auch habe er dargelegt, dass aufgrund des geringen von ihm zu leistenden Mietzinses sein Einkommen nicht geschmälert werde. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erfordere seine Tätigkeit als Zeitungszusteller keine arbeitsrechtliche Bewilligung.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf das Nichtvorliegen einer "arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung" für die "Tätigkeit bei der M GesmbH". Vorauszuschicken ist zunächst, dass nicht ersichtlich ist, wieso die belangte Behörde die Erforderlichkeit einer Bewilligung für die Tätigkeit bei gerade dieser Gesellschaft als gegeben ansieht, obwohl in der sonstigen Begründung des angefochtenen Bescheides (nur) von Honorarnoten und Gutschriften anderer Unternehmen die Rede ist. Weiters ist zur dargestellten Begründung Folgendes anzumerken: Sofern die belangte Behörde damit das Nichtvorliegen einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ansprechen sollte, ist ihr vorzuhalten, dass sie nicht dargelegt hat, weshalb der Beschwerdeführer für seine (wie von ihm vorgebracht und im angefochtenen Bescheid nicht in Abrede gestellt) selbständige Erwerbstätigkeit eine derartige Bewilligung benötigt. Sollte die belangte Behörde mit dem Verweis auf die "arbeitsmarktrechtliche Bewilligung" auf eine Gewerbeberechtigung abstellen, ist ihr ebenfalls anzulasten, dass sie nicht hinreichend dargelegt hat, wieso sie von der Notwendigkeit des Vorliegens einer solchen ausgegangen ist. Zwar verweist sie - insbesondere in ihrer Gegenschrift - auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten "Gebietsbetreuungsvertrag". Diesbezüglich ist ihr aber entgegenzuhalten, dass nach diesem (wie sich auch dem angefochtenen Bescheid entnehmen lässt) der Beschwerdeführer nur dann im Besitz einer Gewerbeberechtigung sein muss, "sofern diese zur Erfüllung dieses Vertrages notwendig ist"; Feststellungen, die eine derartige Notwendigkeit begründen könnten, fehlen im Bescheid aber. Darüber hinaus ist anzumerken, dass Ausführungen in der Gegenschrift Begründungsmängel nicht zu sanieren vermögen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0206).
Die belangte Behörde nimmt im angefochtenen Bescheid auch nur kursorisch auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Honorarnoten Bezug. Nähere Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Beschwerdeführers bleibt sie schuldig. Angesichts der für das Jahr 2013 vorgelegten und im Verwaltungsakt befindlichen Honorarnoten bzw. -aufstellungen kann aber im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers auf Grund seiner selbständigen Tätigkeit als gesichert anzusehen ist. Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eindeutige Feststellungen zur Höhe des vom Beschwerdeführer zu leistenden Mietzinses zu treffen, kann auch eine Schmälerung der Einkünfte durch die Mietbelastung nicht als gesichert angesehen werden.
Da nicht ausgeschlossen ist, dass die belangte Behörde bei einer mängelfreien Auseinandersetzung mit den dargelegten Umständen zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-88767