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VwGH vom 27.04.2011, 2009/06/0220

VwGH vom 27.04.2011, 2009/06/0220

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des R K in G, vertreten durch Dr. Eva-Maria Schmid-Strutzenberger, Rechtsanwältin in 3500 Krems, Heinemannstraße 6 A/8, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom , 2 Vk 17/09, 2 Vk 20/09, betreffend Angelegenheiten gemäß dem StVG (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid den Beschwerden des Beschwerdeführers (vom 9. März und ) wegen Entzuges einer Vergünstigung jeweils durch Nichtausfolgung von DVD's gemäß § 120, § 121 Abs. 1 StVG und § 20 Abs. 2, § 24 Abs. 3 Z. 3, § 60 Abs. 1 StVG nicht Folge.

Die belangte Behörde führte aus, der Beschwerdeführer verbüße - nunmehr in der Justizanstalt Stein - eine wegen vermögensdeliktischer strafbarer Handlungen verhängte achtjährige Freiheitsstrafe mit urteilsmäßigem Strafende . Der Beschwerdeführer moniere in beiden Eingaben, ihm seien insgesamt zwei, rechtmäßig bezogenen Magazinen und Zeitschriften, nämlich "TV-Movie" und "Computer Bild", beigelegt gewesene DVD's rechtswidrigerweise nicht ausgefolgt worden, wodurch er in seinen Rechten verletzt worden sei.

Den Beschwerden komme keine Berechtigung zu. Die Leitung der Justizanstalt Stein habe mit berichtet, dass bei Stichprobenuntersuchungen von PC's von Insassen eine Vielzahl von unerlaubten Programmen und Anwendungen gefunden worden sei, als deren Quelle - u.a. - die den Fachzeitschriften beigelegten CD's und DVD's hätten ermittelt werden können. Es würden u.a. DVD's als vorübergehende und vorläufige Maßnahme in der Justizanstalt Stein nicht ausgefolgt, um diese näher zu untersuchen und ihren Inhalt abzuklären.

Diese Vorgansweise sei den Insassen durch den Leiter der Justizanstalt mit einem Informationsschreiben vom erläutert und gleichzeitig mitgeteilt worden, dass die CD's/DVD's mit unbedenklichem Inhalt in der Depositenstelle ausgefolgt würden.

Die Nichtausfolgung im vorliegenden Fall sei somit nicht ein Entzug von Vergünstigungen, sondern eine vorläufige Sicherheitsmaßnahme. In der Justizanstalt, die in den Belangen der Sicherheit höchsten Anforderungen genügen müsse, kämen Fragen der Sicherheit und Ordnung oberste Priorität zu, sodass von einer Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten keine Rede sein könne.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das StrafvollzugsG (StVG.), BGBl. Nr. 144/1969, in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009 anzuwenden.

Die §§ 20, 24 und 60 StVG lauten:

"Zwecke des Strafvollzuges

§ 20. (1) Der Vollzug der Freiheitsstrafen soll den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des der Verurteilung zu Grunde liegenden Verhaltens aufzeigen.

(2) Zur Erreichung dieser Zwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen sind die Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Vorschriften von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen.

(3) Wird eine Untersuchungshaft nur deshalb nicht verhängt oder aufrechterhalten, weil sich der Beschuldigte in Strafhaft befindet, so haben die im Vollzug der Freiheitsstrafen gegenüber dem Vollzug der Untersuchungshaft vorgesehenen Lockerungen in der Abschließung des Strafgefangenen von der Außenwelt so lange und in dem Ausmaß zu entfallen, als es der Zweck der Untersuchungshaft im Einzelfall erfordert."

"Vergünstigungen

§ 24. (1) Einem Strafgefangenen, der erkennen lässt, dass er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt, sind auf sein Ansuchen geeignete Vergünstigungen zu gewähren.

(2) Als Vergünstigungen dürfen nur solche Abweichungen von der in diesem Bundesgesetz bestimmten allgemeinen Art des Strafvollzuges gestattet werden, die die Zwecke dieses Vollzuges (§ 20) nicht beeinträchtigen, insbesondere solche, die die Vorbereitung des Strafgefangenen auf ein straffreies Leben in Freiheit fördern.

(3) Über die Gewährung, Beschränkung und Entziehung von Vergünstigungen hat unbeschadet der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über das Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten und bei Beschwerden der Anstaltsleiter zu entscheiden. Andere als die im Folgenden besonders angeführten Vergünstigungen dürfen nur mit Genehmigung der Vollzugsdirektion gewährt werden:


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1.
Tragen eigener Oberbekleidung;
2.
Benutzung eigener Sportgeräte und -bekleidung;
3.
Benutzung eigener Fernseh- oder Radioapparate sowie sonstiger technischer Geräte;
4.
Musizieren auf eigenen Instrumenten;
5.
längere Beleuchtung des Haftraumes (§ 40 Abs. 3 letzter Satz).

(4) Soweit ein Strafgefangener die ihm gewährten Vergünstigungen missbraucht oder sonst die Voraussetzungen, unter denen sie gewährt worden sind, nachträglich wieder wegfallen, sind die Vergünstigungen zu beschränken oder zu entziehen."

"Eigene Bücher und Zeitschriften

§ 60. (1) Die Strafgefangenen dürfen sich zum Zwecke ihrer Fortbildung oder Unterhaltung auf eigene Kosten Bücher beschaffen und eine Zeitung oder Zeitschrift halten, soweit davon keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder des erzieherischen Zwecks der Strafe zu befürchten ist. Für die Beschaffung von Büchern, die ihrer Fortbildung dienen, dürfen Strafgefangene auch Gelder verwenden, die ihnen sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen.

(2) Zeitungen und Zeitschriften sind ausschließlich durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen. Die Anstalt hat Einzelnummern oder Teile derselben, von denen eine Gefährdung der im Abs. 1 bezeichneten Art zu besorgen ist, zurückzuhalten oder in einer dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprechenden Weise unkenntlich zu machen. Zeitungen, die Strafgefangenen eingehändigt worden sind, sind ihnen wenigstens eine Woche hindurch zu belassen und sodann wieder abzunehmen; mit der Abnahme gehen sie in das Eigentum des Bundes über."

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass sich im Bescheid keine Begründung dafür finde, warum das Ansehen eines Spielfilmes, welcher dem ordnungsgemäß bezogenen Magazin "Computer Bild" angeschlossen gewesen sei, in jedem Fall als Beeinträchtigung der Zwecke des Strafvollzuges anzusehen und daher ausnahmslos zu verbieten sei. Darüber hinausgehend habe die belangte Behörde lediglich und nur über die Zulässigkeit der zur Überprüfung des DVD-Inhaltes notwendigen zeitlich beschränkten Nichtausfolgung abgesprochen, ohne im Einzelnen die konkreten DVD's zu benennen und sich mit dem Inhalt dieser DVD's allenfalls auseinander zu setzen. Der Bescheid enthalte keine überprüfbare und konkrete Begründung, warum im konkreten Einzelfall die Abnahme der DVD's gerechtfertigt gewesen sei.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Zunächst ist grundsätzlich festzustellen, dass die belangte Behörde keine gesetzliche Bestimmung angeführt hat, nach der die vorübergehende Nichtausfolgung von DVD's als vorläufige Sicherungsmaßnahme vorgesehen wäre.

Gemäß dem angeführten § 24 Abs. 1 StVG sind Vergünstigungen zu gewähren, wenn der Strafgefangene erkennen lässt, dass er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung dürfen nur solche Vergünstigungen gewährt werden, die die Zwecke des Strafvollzuges (§ 20 StVG; u.a. soll der Strafgefangene abgehalten werden, schädlichen Neigungen nachzugehen, bzw. die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten) nicht beeinträchtigen.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auch DVD's, die mit technischen Geräten gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 StVG benützt werden können, Gegenstand einer Vergünstigung gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 StVG ("3. Benutzung eigener Fernseh- oder Radioapparate sowie sonstiger technischer Geräte") sein können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0345). Eine DVD stellt ein natürliches Zubehör zu einem entsprechenden technischen Abspielgerät dar. Die verfahrensgegenständliche Nichtausfolgung einer DVD muss als eine Nichtgewährung einer Vergünstigung gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 StVG gedeutet werden. Der allgemein in der Justizanstalt gehegte Verdacht, dass u.a. aus DVD's unerlaubte Programme und Anwendungen auf PC-Programmen von Insassen übernommen würden, kann die verfahrensgegenständlichen Nichtausfolgung einer DVD an den Beschwerdeführer nicht rechtfertigen. Die belangte Behörde hätte vielmehr im Hinblick auf die konkret in Frage stehende DVD begründen müssen, dass die Zwecke des Strafvollzuges durch ihre Benutzung beeinträchtigt werde. Eine derartige Begründung enthält der angefochtene Bescheid nicht. Die belangte Behörde hat somit der sich aus § 60 AVG ergebenden Begründungspflicht nicht entsprochen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0091). Es ist daher für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht nachprüfbar, ob die verfahrensgegenständliche Nichtausfolgung der in Frage stehenden DVD in den angeführten Bestimmungen überhaupt Deckung findet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung, BGBl. I Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-88743