VwGH vom 28.03.2008, 2007/02/0147
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des A R in K, vertreten durch Dr. Siegfried Dillesberger, Dr. Helmut Atzl und Mag. Christian Dillersberger, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs- 2006/14/2984-3, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer - durch unveränderte Übernahme des Spruches des Straferkenntnisses - für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R. GmbH, die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der R. KG mit Sitz in R. sei, und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ nach § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass am um ca. 16.35 Uhr auf der Baustelle der R. KG bei der Talstation A.-bahn in M. während der Befüllung der Schalung einer ca. 6 m hohen Massivbetonwand diese mit dem Arbeitsgerüst auf die Ostseite gekippt sei, wobei näher genannte Arbeitnehmer der R. KG, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Arbeitsgerüst befunden hätten, bei einer Absturzhöhe von ca. 12 m zum Teil schwer verletzt worden seien, obwohl Schalungen und Lehrgerüste standfest so hergestellt hätten sein müssen, dass die auftretenden Belastungen und Beanspruchungen in allen Bauphasen sicher hätten aufgenommen und auf tragfähigen Boden oder sichere oder gesicherte Bauteile hätten übertragen werden können, sowie bei allen auftretenden Bauzuständen bei Beton , Stahlbeton- und Gewölbearbeiten die Standsicherheit hätte gewährleistet sein müssen.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 und 2 Bauarbeiterschutzverordnung (kurz: BauV) i. V.m. § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 3 ASchG begangen. Gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt u.a., es müsse der Umstand, dass der Beschuldigte nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft werde, bei der Umschreibung der Tat und bei der Bezeichnung der angewendeten Gesetzesbestimmung bei sonstiger Rechtswidrigkeit zum Ausdruck kommen. Der Spruch des Straferkenntnisses enthalte im Rahmen der Umschreibung der Tat lediglich den Hinweis, dass der Beschwerdeführer das zur Vertretung nach außen berufene Organ nach § 9 Abs. 1 VStG darstelle. Bei der Bezeichnung der angewendeten Gesetzesbestimmungen finde sich jedoch kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft werde.
Als angewendete Gesetzesbestimmungen würden lediglich § 82 Abs. 1 und 2 BauV i.V.m. § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 1 ASchG bezeichnet und nicht etwa § 82 Abs. 1 und 2 BauV i. V.m. § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 1 ASchG i.V.m. § 9 Abs. 1 VStG angeführt. Der Spruch des Straferkenntnisses enthalte daher nicht den notwendigen Inhalt nach § 44a VStG.
Nach der hg. Rechtsprechung muss der Umstand, dass der Beschuldigte nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft wird, bei der Umschreibung der Tat und bei der Bezeichnung der angewendeten Gesetzesbestimmung bei sonstiger Rechtswidrigkeit zum Ausdruck kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. Nr. 10.457/A).
Der gerügte Spruchmangel liegt nicht vor, weil im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck gebracht wird, dass der Beschwerdeführer nicht als unmittelbarer Täter, sondern als handelrechtlicher Geschäftsführer einer näher genannten GmbH und somit "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ" zur Verantwortung gezogen wird. Ferner ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass § 9 VStG keine verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG darstellt (vgl. das zu § 44a lit. b VStG (nunmehr § 44a Z. 2 leg. cit.) ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 13.110/A). Es bedurfte daher - unbeschadet der Erwähnung des § 9 Abs. 1 VStG in der Umschreibung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat im Spruch - auch keiner ausdrücklichen Anführung des § 9 Abs. 1 VStG bei der Darstellung der vom Beschwerdeführer übertretenen Normen.
Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, gerade weil es sich um unübliche und spezielle Arbeiten gehandelt habe, habe er zur Planung und Ausführung des Projektes Spezialisten hinzugezogen. Wie bereits im bisherigen Verfahren dargelegt, sei Projektverfasser, Planer und Bauleiter des gegenständlichen Vorhabens die S. GmbH gewesen und sei für statistische Fragen als Professionist die M. Ziviltechniker GmbH hinzugezogen worden. Es sei die Aufgabe des Statikers bzw. der M. GmbH gewesen, auf die mangelnde Statik und die mangelnde Standfestigkeit bzw. - sicherheit hinzuweisen. Einzig und allein aus diesem Grund sei nämlich die M. Ziviltechniker GmbH zu dem Bauprojekt hinzugezogen worden.
Der Beschwerdeführer selbst verfüge als handelsrechtlicher Geschäftsführer über keine entsprechenden Kenntnisse im statischen Bereich und es hätte auch seine persönliche Anwesenheit vor Ort, oder die Anwesenheit anderer oder mehrerer Poliere, nichts am Zustandekommen des tragischen Unfalls geändert. Der Beschuldigte habe die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet gewesen sei, beachtet und es seien für spezielle technische Fragen externe Spezialisten hinzugezogen worden. Der Beschwerdeführer sei weder vom Bauleiter noch vom Statiker auf Besonderheiten des Bauvorhabens bzw. eine mangelnde Standfestigkeit/-sicherheit hingewiesen worden.
Aufgrund der Komplexität des Bauvorhabens habe eine erhöhte Verpflichtung des Statikers bestanden, auf die statischen Besonderheiten hinzuweisen. Er hätte den Beschwerdeführer bzw. dessen Mitarbeiter entsprechend aufklären und anleiten müssen. Mangels Aufklärung durch den Statiker in Bezug auf die ungenügende bzw. fehlende Tragreserve habe der Beschwerdeführer darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass die Tragreserve der Stahlbetondecke ausreiche.
Die belangte Behörde wolle ihm ein Organisationsverschulden und eine fehlende Kommunikation mit dem Statiker anlasten. Es sei insbesondere auf die vorgelegte eidesstättige Erklärung des für die Baustelle verantwortlichen G. S. hinzuweisen, welche von der belangten Behörde gänzlich unbeachtet geblieben sei.
Gemäß § 82 Abs. 1 BauV müssen Schalungen und Lehrgerüste standfest und so hergestellt sein, dass die auftretenden Belastungen und Beanspruchungen in allen Bauphasen sicher aufgenommen und direkt auf tragfähigen Boden oder auf sichere oder gesicherte Bauteile übertragen werden können.
Nach § 82 Abs. 2 BauV muss bei allen auftretenden Bauzuständen bei Beton-, Stahlbeton- und Gewölbearbeiten die Standsicherheit gewährleistet sein. Erforderlichenfalls ist von einer fachkundigen Person ein Standsicherheitsnachweis zu erstellen. Die Reihenfolge der Arbeitsvorgänge hat entsprechend diesen Berechnungen zu erfolgen.
Der Beschwerdeführer vermag mit seinen Ausführungen das ihm von der belangten Behörde zur Last gelegte Verschulden nicht zu widerlegen, zumal er selbst einräumt, dass "es sich um unübliche und spezielle Arbeiten" gehandelt habe. Da einerseits § 82 Abs. 1 BauV eine sichere Aufnahme der auftretenden Belastungen und Beanspruchungen der Schalungen und Lehrgerüste "in allen Bauphasen" gebietet und andererseits nach § 82 Abs. 2 BauV die Standsicherheit "bei allen auftretenden Bauzuständen" bei Beton-, Stahlbeton- und Gewölbearbeiten "gewährleistet" sein muss, war es nicht ausreichend, dass sich der Beschwerdeführer darauf verließ, dass im Zuge einer mündlichen Besprechung auf der Baustelle Fragen der statischen Sicherheit bei der Errichtung der gegenständlichen Massivbetonwand von seinen Mitarbeitern mit dem Statiker mündlich besprochen wurden. Dies zeigt sich nicht zuletzt daraus, dass die im angefochtenen Bescheid erwähnte allgemeine Aussage des Statikers, die Decke sei "bei Erreichen der Betonfestigkeit B225 mit einer Notunterstellung" zu sichern, eben gerade nicht erkennen lässt, dass damit etwa eine eingehende Beurteilung der sicheren Aufnahme der auftretenden Belastungen und Beanspruchungen der Schalungen und Lehrgerüste "in allen Bauphasen" erfolgte und die Standsicherheit der Decke, auf die die gegenständliche Massivbetonwand aufgesetzt wurde, "bei allen auftretenden Bauzuständen" einer umfassenden statischen Beurteilung unterzogen wurde.
Darüber hinaus haben sich die Mitarbeiter - wie der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde ausführt - auf die Tragfähigkeit der für das Kippen der gesamten Vorrichtung mitverantwortlichen Decke "verlassen", ohne die Frage einer ausreichenden Tragfähigkeit dieser Decke einer näheren Prüfung zu unterziehen.
Auch der vom Beschwerdeführer genannten eidesstättigen Erklärung des Mitarbeiters G. S. kann nicht entnommen werden, dass eine umfassende Erörterung sämtlicher Aspekte der statischen Sicherheit "in allen Bauphasen" mit dem Statiker erfolgt wäre. Vielmehr beschränkt sich diese Erklärung auf die Darlegung der Aufgaben dieses Mitarbeiters bei dem vom Beschwerdeführer geleiteten Unternehmen und es wird allgemein die arbeitnehmerschutzrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers für den gegenständlichen Vorfall in Abrede gestellt. Die gerügte unterbliebene Beachtung dieser Erklärung durch die belangte Behörde zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Es ist daher dem Beschwerdeführer nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden traf.
In der Beschwerde wird ferner vorgebracht, aufgrund der Größe des Unternehmens könne "das Sorgetragen i.S.d. § 9 erster Satz VStG" nicht ausschließlich durch den Beschwerdeführer persönlich erfolgen. Er müsse sich zur Betreuung der einzelnen Baustellen seiner Bauleiter und Vorarbeiter bzw. Poliere bedienen. Die R. KG beschäftige aktuell insgesamt 12 Bauleiter und 17 Vorarbeiter bzw. Poliere, welche allesamt über eine entsprechende Ausbildung, Erfahrung und Kompetenz verfügten. Der Beschwerdeführer wähle die von ihm beauftragten Personen mit größter Sorgfalt aus und überwache und kontrolliere deren Tätigkeit mit größter Genauigkeit. Der Beschwerdeführer führe regelmäßig gemeinsame Begehungen und Baustellenbesprechungen mit den zuständigen Bauleitern bzw. Polieren durch, dies alles zumindest einmal wöchentlich. Der Beschwerdeführer entsende seine Vorarbeiter und Poliere regelmäßig zu Schulungen und lege auf deren gute Ausbildung wert. Die Bauleiter verfügten durchwegs über eine entsprechende schulische Ausbildung und es handle sich bei diesen um HTL-Absolventen bzw. um Absolventen gleichwertiger Bildungseinrichtungen. Seit der langjährigen Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Baubranche habe sich bisher kein vergleichbarer Unfall ereignet, dies trotz der Größe des Unternehmens und der Vielzahl der durchgeführten Bauvorhaben. Daher seien bisher keine Sanktion gegen einen Mitarbeiter notwendig gewesen.
Der Beschwerdeführer weise seine Bauleiter, Vorarbeiter und Poliere immer wieder und nachdrücklich darauf hin, sämtliche gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, und es wüssten sämtliche Mitarbeiter des Beschuldigten, dass etwaige Verstöße als Sanktion eine Kündigung oder gar Entlassung zur Folge hätten.
Unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG ist es im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes "wirksames Kontrollsystem" nicht ausreichend, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0109) bzw. Vorarbeiter und Poliere (zu Baupolieren vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0259) mit der Überwachung der Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind, bzw. vom Beschwerdeführer mindestens wöchentliche Kontrollen (zu stichprobenweisen Kontrollen vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0324) durchgeführt werden; ferner sind auch die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) und Schulungen nicht ausreichend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/02/0034). Der Beschwerdeführer vermag daher mit seinen Ausführungen auch nicht das Vorliegen eines "wirksamen Kontrollsystems" darzulegen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am