VwGH vom 14.11.2012, 2011/12/0093
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Zens und die Hofrätin Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Dr. G S in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom , Zl. BMJ-6000656/0001-III 1/2010, betreffend Feststellung, dass die Befolgung einer Weisung zu den Dienstpflichten gehört, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist Beamter im Bereich des Bundesministeriums für Justiz, seine effektive Verwendung erfolgt (als Bewährungshelfer) beim Verein Neustart.
Am wurde dem Beschwerdeführer der Dienstauftrag erteilt, einen 36. Betreuungsfall zu übernehmen. Gegen diese Weisung remonstrierte der Beschwerdeführer, woraufhin die Weisung schriftlich wiederholt wurde.
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Feststellung, ob die Befolgung der ihm am schriftlich erteilten Dienstanweisung, als hauptamtlicher Bewährungshelfer mehr als 35 Klienten zu betreuen, zu seinen dienstlichen Pflichten gehöre.
Mit Bescheid der Vollzugsdirektion als Dienstbehörde erster Instanz vom wurde festgestellt, dass "die vom Abteilungsleiter erteilte Weisung zur Überschreitung der in § 17 Abs. 3 des Bewährungshilfegesetzes (BewHG) festgelegten Fallobergrenze vom aus dienstlichen Gründen rechtmäßig" sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er neuerlich die Feststellung begehrte, dass die erteilte Weisung nicht zu seinen Dienstpflichten gehöre.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom stellte die belangte Behörde im Instanzenzug fest, dass die Befolgung der dem Beschwerdeführer am schriftlich erteilten Dienstanweisung, als hauptamtlicher Bewährungshelfer mehr als 35 Klienten zu betreuen, zu seinen dienstlichen Pflichten gehöre.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen des BewHG begründete die belangte Behörde ihren Bescheid zusammengefasst damit, dass es sich ungeachtet der Textierung des § 17 Abs. 3 BewHG bei dieser Bestimmung nur um Organfunktionsrecht handle und demnach nur um eine organisatorische Vorschrift, aus der jedoch für den einzelnen Bediensteten kein subjektiver Rechtsanspruch abzuleiten sei, zumal seine durch das BDG 1979 determinierten Dienstpflichten unberührt blieben. Wenn demzufolge mangels verletzter subjektiver Rechte schon ein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weisung nicht bestehe, so gelte dies umso mehr für die Beantwortung der Frage, ob die Befolgung dieser Weisung zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführer gehöre, nachdem dies nur dann nicht der Fall wäre, wenn einer der in Art. 20 Abs. 1 dritter Satz B-VG genannten Tatbestände vorliege, wenn die Weisung nach erfolgter Remonstration nicht schriftlich wiederholt worden wäre oder wenn ihre Erteilung gegen das Willkürverbot verstoßen hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der vorliegende Fall gleicht im Zusammenhang mit den entscheidungswesentlichen Gesetzesbestimmungen und der Frage, ob die Befolgung einer Weisung wie der gegenständlichen zu den Dienstpflichten eines Beamten gehört, dem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , 2011/12/0104 zugrunde lag, weshalb gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die dortigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird.
Auch im dortigen Fall beschäftigte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Rechtmäßigkeit und der Befolgungspflicht der an einen hauptamtlich tätigen Bewährungshelfer gerichteten Weisung, einen 36. Betreuungsfall zu übernehmen. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Ansicht, dass eine solche Weisung die Rechtssphäre des Beschwerdeführers schon deshalb betreffe, weil sie ihm anordne, eine an ihn gerichtete verwaltungsgesetzliche Verbotsnorm, nämlich § 17 Abs. 3 BewHG (arg.: "Ein hauptamtlich tätiger Bewährungshelfer darf nicht ...") zu übertreten. Dies gelte auch dann, wenn - was aber dahinstehen könne - § 17 Abs. 3 BewHG lediglich ein Schutzgesetz zugunsten der Schützlinge darstellte und nicht auf die Einräumung subjektiver Rechte im Verständnis des Beamtendienstrechtes abzielte.
Der Verwaltungsgerichtshof vertrat weiters die Ansicht, dass eine Weisung des von der belangten Behörde festgestellten (mit der gegenständlichen Weisung übereinstimmenden) Inhaltes mit objektiver Willkür im Verständnis der im Vorerkenntnis näher zitierten Rechtsprechung behaftet sei, weil eine Auslegung des § 17 Abs. 3 BewHG dahingehend, dass ein hauptamtlich tätiger Bewährungshelfer auch mehr als 35 Schützlinge betreuen dürfe, dem völlig klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut widerspreche. Denkunmöglich sei gleichfalls, dass sich Gegenteiliges für die Führung der Bewährungshilfe durch eine private Vereinigung aus § 24 Abs. 3 BewHG ergebe, ermächtige diese Gesetzesbestimmung die private Vereinigung doch ausschließlich zur Wahl der "zweckmäßigsten Gestaltung" im "durch die gesetzlichen Bestimmungen und die für die Erfüllung zur Verfügung stehenden Personen und Mittel gezogenen Rahmen."
Aus diesen, bereits im zitierten Vorerkenntnis näher dargestellten Gründen erweist sich auch die im vorliegenden Fall in Rede stehende Weisung als willkürlich. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach die Befolgung dieser Weisung zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers zählt, verletzt daher seine Rechte.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
ZAAAE-88707