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VwGH vom 17.12.2009, 2009/06/0211

VwGH vom 17.12.2009, 2009/06/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayer und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des HK in Graz, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH, in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 045283/2008-5, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer eines Hauses in Graz, an welchem Wohnungseigentum begründet ist; er ist "Wohnungseigentümer" von Räumlichkeiten, die an die X-GmbH vermietet sind.

In einem Amtsbericht über eine am erfolgte baubehördliche Überprüfung wurde festgestellt, dass diese Räumlichkeiten im Ausmaß von ca. 200 m2, welche als Büroräume bewilligt seien, als Fitnessstudio genutzt würden. Es seien sechs Power Plates aufgestellt worden. Der Beginn der konsenswidrigen Nutzung werde mit der 45. Kalenderwoche 2008 festgehalten.

In den Verwaltungsakten befindet sich eine Äußerung der X-GmbH an die Baubehörde, wonach die Räumlichkeiten von ihr als Mieterin zum Betrieb einer Einrichtung für Gesundheitsberatungen, Ernährungsberatungen, kosmetische Anwendungen, Entspannungs- und Massageübungen (Power Plate), Stressbewältigung (Alpha-Liege) sowie gesunde Lebensführung verwendet werden. Die gegenständlichen Flächen seien von jeher (auch von der Rechtsvorgängerin) gewerblich genutzt worden. Bauliche Veränderungen seien nicht vorgenommen worden. Es komme zu keinen außergewöhnlichen statischen Belastungen und auch Nachbarschaftsrechte würden nicht berührt. Der Kundenverkehr habe keine höhere Frequenz als zuvor und überhaupt als bei einer Büronutzung im engeren Sinn. Die Personalbesetzung beschränke sich auf drei Personen. In den Räumlichkeiten würden folgende Tätigkeiten entfaltet:

Beratungsgespräche, Anamnesen, Gesundheitsanalysen (Bioimpedanz-Analyse), Entspannungsübungen, Massagen, kosmetische Anwendungen auf dem Power Plate.

Eine Baubewilligungspflicht im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk. BauG sei nicht gegeben (gemeint: die dort genannten Kriterien lägen nicht vor).

Mit dem an den Beschwerdeführer gerichteten, erstinstanzlichen Bescheid des Stadtsenates vom wurde gemäß § 41 Abs. 4 Stmk. BauG die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung dieser Flächen "zu anderen Zwecken als die für Bürozwecke (genehmigte Nutzung), nämlich für Fitness- und Wellnesszwecke - Trainingsraum, mit sofortiger Wirkung" aufgetragen.

Zur Begründung heißt es, von der Baubehörde sei festgestellt worden, dass für die nunmehrige Nutzung der Räume keine baubehördliche Bewilligung vorliege. Es seien in den Räumen sechs Stück Fitnessgeräte mit einem Einzelgewicht von ca. 160 kg und einer zulässigen Zuladung von je 230 kg aufgestellt worden, dies könne von Einfluss auf die Statik sein. Die abstrakte Möglichkeit eines Einflusses auf die Statik sei nach § 19 Z. 2 Stmk. BauG ausreichend für eine Baubewilligungspflicht.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin brachte er insbesondere vor, die gegenständlichen Flächen seien von jeher gewerblich genutzt gewesen. Es komme durch die nunmehrige Nutzung zu keinen außergewöhnlichen statischen Belastungen, auch Nachbarschaftsrechte würden nicht berührt. Der Kundenverkehr weise keine höhere Frequenz als zuvor auf oder auch überhaupt als bei einer Büronutzung im engeren Sinn. Die Geräte seien sogenannte "Power Plates". Das seien keine herkömmlichen Fitnessgeräte, bei denen schwere Gewichte durch den Anwender in kinetische Energie versetzt würden. Ein Power Plate-Gerät habe ein Gewicht von 158 kg. Die Baubehörde werde nicht ernstlich annehmen, dass sich Personen mit einem Lebendgewicht von 230 kg auf diesen Geräten betätigten. Solcherart sei die statische Auflast durch diese Geräte auch nicht größer als bei schweren (befüllten) Möbeln (beispielsweise Tresoren) und dergleichen in Wohnungen oder Büros, wo auch niemand ernstlich die Bewilligungspflicht für das Aufstellen von schweren Möbeln oder für das Zusammentreffen von beispielsweise 15 Menschen mit je 80 kg - 100 kg Gewicht in einem Raum (etwa zu einer privaten Party) annehme. Bei einer solchen Party seien die statischen Belastungen ungleich größer als durch die hier untersagte Nutzung.

Diese Geräte, die keine Geräusche von sich gäben, kein höheres Gewicht hätten als schwereres Wohnmobiliar und deren Bodenplatte selbst keinen höheren Schwingungen ausgesetzt sei als eine begangene Geschoßdecke, könnten genauso gut in herkömmlichen Wohnungen aufgestellt werden, und niemand käme auf die Idee, dass dies eine baurechtliche Bewilligungspflicht auslösen sollte.

Es bestehe kein Fitness- und Trainingsraum, sondern nur ein Wellnessraum, der genauso gut in einem Wohnungsverband liegen könnte. Davon könne sich die Behörde durch einen Ortsaugenschein überzeugen (beantragt wurde unter anderem die Beweisaufnahme durch einen Ortsaugenschein).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung heißt es, ein Power Plate-Gerät diene nach der Beschreibung im Internet (Website der Betreiberin des Studios, der X-GmbH) einem "Vibrationstraining", das heiße, mit Hilfe einer vibrierenden Platte würden Schwingungen erzeugt, die auf den Körper bzw. die Muskulatur übertragen würden, was zur körperlichen Ertüchtigung führen solle. Aus der im Akt erliegenden technischen Spezifikation dieser Geräte gehe hervor, dass ein Gerät dieser Art, wie es vorgefunden worden sei, ein Eigengewicht von 158 kg aufweise, wobei eine maximale Aufladung von 272 kg zulässig sei. Das Gerät messe 87 cm x 107 cm x 157 cm. Das Frequenzspektrum der erzeugten Vibrationen werde mit 25 bis 50 Hertz angegeben.

Nach Hinweis auf gesetzliche Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, eine Bewilligungspflicht im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk. BauG sei schon gegeben, wenn die Nutzungsänderung die öffentlichen Interessen der Festigkeit und Sicherheit einer baulichen Anlage (darunter fielen Fragen der Statik eines Gebäudes) auch nur berührt werden könnten, die Frage ihrer möglichen Beeinträchtigung sei erst im Baubewilligungsverfahren zu prüfen. Die Frage der Bewilligungspflicht dürfe nicht mit der Frage der Bewilligungsfähigkeit verwechselt werden.

Das die Bewilligungspflicht auslösende Moment der auftragsgegenständlichen Nutzungsänderung liege im Einfluss dieser Änderung auf die Statik der Gebäudes. Dies werde vom Beschwerdeführer zu Unrecht bestritten. Schon im Allgemeinen komme der Nutzung einer Fläche zu Fitnesszwecken eine andere Qualität zu als zu Bürozwecken. Aus der Ö-NORM B 1991-1-1 (betreffend den statischen Aufbau eines Gebäudes) werde zwischen verschiedenen Nutzungskategorien unterschieden: So hätten Büroflächen die Nutzungskategorie B, Flächen mit möglichen körperlichen Aktivitäten von Personen seien der Nutzungskategorie C4 zugeordnet. Diese Kategorie sei vergleichbar mit jener Nutzung, die hier gegenständlich sei, auch wenn der Beschwerdeführer behaupte, es liege kein Fitness- und Trainingsraum, sondern nur ein Wellnessraum vor; auf der Website der X-GmbH werde ausdrücklich von "Fitnessgeräten" und "Vibrationstraining" gesprochen. Nach dieser Ö-NORM seien der Kategorie C4 wesentlich höhere charakteristische Nutzlastwerte auf Decken zugeordnet als der Kategorie B. Diese typisierten Werte stellten wiederum die Grundlage für die Bemessung der Deckenkonstruktion dar. Gleichermaßen verhalte es sich mit den charakteristischen Werten der horizontalen Streckenlasten an Zwischenwänden. Im Beschwerdefall komme noch dazu, dass das Aufstellen dieser sechs Geräte mit den zuvor angegebenen Gewichten, die im Betriebsfall auch Schwingungen erzeugten, welche auch auf das Bauwerk übertragen werden könnten, von Einfluss auf die Statik sein könne. Es leuchte auch einem bautechnischen Laien ein, dass ein Unterschied bestehe, ob auf die Deckenkonstruktion eine eher flächige Auflastung wie bei einer üblichen Büromöblierung (beispielsweise Schreibtische, Kästen und dergleichen) einwirke oder ob die Auflastung punktförmig und konzentriert durch relativ hohe Gewichte, die noch dazu Schwingungen erzeugten, erfolge. Schon diese Umstände bestätigten die Annahme, dass die vorgenommene Nutzungsänderung von Einfluss auf die Statik des Gebäudes sein könnte. Ob ein negativer Einfluss bestehe, wäre in einem Baubewilligungsverfahren zu klären.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat repliziert und Lichtbilder des Betriebes vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 88/2008, anzuwenden.

§ 19 Stmk. BauG nennt die baubewilligungspflichtigen Vorhaben; Z. 2 lautet:

"2. Nutzungsänderungen, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Hygiene, die Sicherheit von baulichen Anlagen oder deren Teilen von Einfluß sein können oder die Nachbarrechte berühren oder wenn Bestimmungen des jeweils geltenden Raumordnungsgesetzes, des Flächenwidmungsplanes, des Bebauungsplanes oder der Bebauungsrichtlinien berührt werden können;"

Gemäß § 39 Abs. 2 Stmk. BauG hat der Eigentümer eine bewilligungswidrige Nutzung zu unterlassen. Er trägt die Verantwortung, dass auch andere Verfügungsberechtigte keine bewilligungswidrige Nutzung ausüben.

Nach § 41 Abs. 4 leg. cit. hat, soweit hier erheblich, die Behörde die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Aufstellen (und der Betrieb zu erwerbsmäßigen Zwecken) dieser Geräte die Baubewilligungspflicht der vorgenommenen Nutzungsänderung auslöst. Dazu vertritt der Beschwerdeführer weiterhin die Auffassung, die Vibrationen der Platte übertrügen sich nicht auf die Bodenplatte, und das Gewicht eines solchen Gerätes bewege sich im Bereich schwerer Einrichtungsgegenstände oder auch von Personengruppen, und hat zur Dokumentation seines Standpunktes Lichtbilder vorgelegt.

Auch wenn man, wie behauptet, davon ausgeht, dass diese Geräte keine Vibrationen auf die Bodenplatte und damit auch nicht auf den Fußboden übertragen, ist aber zu bedenken, dass, wenn auch allenfalls ein solches Gerät (samt dem benützenden Menschen) aus dem Blickwinkel der gewichtsmäßigen Belastung des Fußbodens statisch unbedenklich erschiene, das bei einer räumlichen Konzentration der Geräte nicht mehr der Fall sein muss. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbildern ist ersichtlich, dass in einem Raum jedenfalls vier dieser Geräte nah beisammen aufgestellt sind. Bei einem Einzelgewicht eines Gerätes von 158 kg ergibt sich einschließlich des Gewichtes eines benützenden Menschen von (angenommen) rund 80 kg ein Gesamtgewicht von 238 kg, für die vier Geräte nebeneinander somit ein Gesamtgewicht von 952 kg, also von rund einer Tonne. Bei einer solchen Bodenbelastung in einem räumlich relativ kleinen Bereich kann nicht gesagt werden, dass dies keinen Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes (im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk. BauG) haben könnte.

Damit erweist sich diese Annahme der belangten Behörde jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am