VwGH vom 25.05.2007, 2007/02/0051
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des W B in O, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in 2700 Wr. Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (Außenstelle Wr. Neustadt) vom , Zl. Senat-BN-06- 1127, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 53 Abs. 2 AMVO als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als nach § 9 Abs. 2 VStG verantwortlich beauftragtes Organ einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten, dass diese Gesellschaft am an einem näher angeführten Ort 1. als Arbeitgeber nicht für die Einhaltung der durchzuführenden Schutzmaßnahmen gesorgt habe, da gemäß § 53 Abs. 2 Arbeitsmittelverordnung (in der Folge: AMVO) bei Gefahr, dass mitfahrende ArbeitnehmerInnen bei einem Überrollen oder Kippen zwischen den Teilen des Arbeitsmittels und dem Boden gequetscht werden können, zusätzlich zu den Schutzeinrichtungen des Abs. 1 ein Rückhaltesystem einzubauen sei, und bei dem gegenständlich näher bezeichneten selbstfahrenden Arbeitsmitteln kein solches System eingebaut worden sei (obwohl ein Sitzgurt mitgeliefert worden sei); 2. dass die Aktiengesellschaft als Arbeitgeber die Koordinationspflichten verletzt habe, da Arbeitgeber verpflichtet seien, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen und auf Grundlage dieser Ermittlung und Beurteilung Maßnahmen zur Gefahrenverhütung festzulegen, das gegenständliche Fahrzeug ohne Sicherheitsgurt ausgestattet worden sei, obwohl im Gesundheitsschutzdokument ein Sicherheitsgurt vorgeschrieben worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1. § 53 Abs. 2 AMVO in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Z. 6 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (in der Folge: ASchG) und zu
2. § 4 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Z. 10 ASchG verletzt, weshalb über ihn Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Überdies wurde der Beschwerdeführer zu einem Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 2 VStG in der Höhe von EUR 500,-- verhalten.
Mit ihrem Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge, als die verhängten Geldstrafen auf jeweils EUR 1.000,-- (unter Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafen) herabgesetzt wurden. Überdies wurden die anteiligen Kosten des Verfahrens erster Instanz mit EUR 200,-- bestimmt.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 53 AMVO regelt seiner Überschrift nach die Beschaffenheit von selbstfahrenden Arbeitsmitteln. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung sind bei selbstfahrenden Arbeitsmitteln mit mitfahrenden ArbeitnehmerInnen unter tatsächlichen Einsatzbedingungen die Risiken aus einem Überrollen oder Kippen des Arbeitsmittels durch im Folgenden näher angeführte Maßnahmen zu begrenzen. § 53 Abs. 2 AMVO ordnet an, dass dann, wenn die Gefahr, dass mitfahrende ArbeitnehmerInnen bei einem Überrollen oder Kippen zwischen den Teilen des Arbeitsmittels und dem Boden gequetscht werden, zusätzlich zu den Schutzeinrichtungen des Abs. 1 ein Rückhaltesystem einzubauen ist. Schutzeinrichtungen nach Abs. 1 sind nicht erforderlich, sofern das Arbeitsmittel während der Benutzung stabilisiert wird oder wenn ein Überrollen oder Kippen des Arbeitsmittels auf Grund der Bauart unmöglich ist.
Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass für den Gerätepark und damit auch für das gegenständliche Fahrzeug ein Sicherheitsbeauftragter "zuständig" und damit verantwortlich war, ist zunächst - mit der belangten Behörde in der Gegenschrift - zu erwidern, dass, abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer seine Verantwortlichkeit im Verwaltungsverfahren nie bestritten hat auch in der Beschwerde nicht vorgebracht wird, dass eine allenfalls vorliegende Bestellung des "Sicherheitsbeauftragten" zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften gemäß § 23 Abs. 1 ArbIG dem zuständigen Arbeitsinspektorat angezeigt worden wäre (zur diesbezüglichen Rechtslage vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0168). Auch in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom blieb das Vorbringen des Vertreters des anzeigenden Arbeitsinspektorates, wonach Helmut K. wie jede Sicherheitsfachkraft für die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen zuständig gewesen, aber nicht zum verantwortlich Beauftragten bestellt worden sei, unwidersprochen. Da die belangte Behörde nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens zu Recht - und vom Beschwerdeführer auch unwidersprochen - im Übrigen davon ausgegangen ist, dass auch der Zeuge B. in dem hier in Betracht kommenden Bereich nicht zum verantwortlich Beauftragten bestellt wurde, ist eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht erkennbar.
Wenn die Beschwerde noch ausführt, die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zum Unfallszeitpunkt der nach § 9 Abs. 2 VStG verantwortlich Beauftragte der AG gewesen sei, reiche nicht aus, weil es auf einen "angemessenen Zeitraum davor" ankäme, so genügt der Hinweis, dass sich aus dem Gesetz ein Abstellen auf einen "angemessenen Zeitraum" vor dem Tatzeitpunkt nicht ergibt.
Die Beschwerde verweist weiter darauf, dass für den Einsatz des hier gegenständlichen Arbeitsmittels strikte Fahrverbotszonen vorgeschrieben gewesen seien, in diesen hätte das Fahrzeug (Arbeitsmittel) wegen der bestehenden Sturzgefahr nicht benützt werden dürfen. Dabei übersieht die Beschwerde, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung gerade ein entsprechendes Kontrollsystem im Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften (und Dienstanweisungen) Platz zu greifen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/02/0210). Soweit die Beschwerde aber in diesem Zusammenhang auf die "tatsächlichen Einsatzbedingungen" des § 53 Abs. 1 AMVO hinweist, ist daraus für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, ergab sich doch unbestritten aus dem Gesundheitsschutzdokument vom im Rahmen der Ermittlung der (tatsächlich) bestehenden Gefahren die Forderung nach dem Einbau des werkseitig beigestellten Sicherheitsgurtes. Weiterer Erhebungen in diesem Zusammenhang, insbesondere auch über den Hergang des Unfalls, der Anlass für die gegenständliche Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat bot, bedurfte es aus den dargelegten rechtlichen Erwägungen somit nicht.
Wenn die Beschwerde schließlich noch bemängelt, aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides ergebe sich nicht, dass "der gegen die tatbestandsmäßige Schuld erhobenen Berufung keine Folge gegeben" werde, trifft dies nicht zu: Die belangte Behörde hat der Berufung (nur) "insoweit" Folge gegeben, als die verhängten Strafen herabgesetzt wurden. Damit ist aber klargestellt, dass ansonsten der erstinstanzliche Spruch bestätigt wurde.
Dass aber - dies zur Klarstellung - im Beschwerdefall eine Bestrafung nach § 130 Abs. 1 Z. 6 und nicht nach § 130 Abs. 1 Z. 16 ASchG erfolgte, verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten, weil die jeweils heranzuziehenden Strafsätze gleich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/02/0037).
Die Beschwerde erweist sich somit hinsichtlich der Tatanlastung nach § 53 Abs. 2 AMVO als unbegründet.
Hinsichtlich des Tatvorwurfes nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 ASchG ist ihr jedoch Erfolg beschieden:
Dem Beschwerdeführer wurde nach dem diesbezüglichen Spruch zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, dass der Arbeitgeber seine "Koordinationspflichten" verletzt habe.
Die diesbezügliche Vorschrift über die "Koordination" findet sich allerdings nicht im § 4 ("Ermittlung und Beurteilung der Gefahren, Festlegung von Maßnahmen") sondern im § 8 (vgl. dessen Überschrift) ASchG. Dass es sich bei dem spruchgemäßen Vorwurf der Verletzung der "Koordinationspflichten" nicht etwa um ein bloßes "Vergreifen im Ausdruck" handelt, ergibt sich daraus, dass insoweit die Strafbestimmung des § 130 Abs. 1 Z. 10 ASchG angewendet wurde, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Arbeitgeber (Z. 10) "die Koordinationspflichten verletzt". Der dem Beschwerdeführer gemachte Vorwurf, weshalb die Koordinationspflichten verletzt worden seien ("da Arbeitgeber verpflichtet sind, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen und auf Grundlage dieser Ermittlung und Beurteilung Maßnahmen zur Gefahrenverhütung festzulegen, das gegenständliche Fahrzeug ohne Sicherheitsgurt ausgestattet wurde, obwohl im Gesundheitsschutzdokument ein Sicherheitsgurt vorgeschrieben worden war") hat aber mit den Pflichten, die sich aus § 8 ASchG ergeben, nichts zu tun. Ob somit ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 und 3 ASchG vorgeworfen hätte werden können, kann dahinstehen.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Tatvorwurfes nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 ASchG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung hatte mangels eines diesbezüglichen Antrages der als obsiegend anzusehenden Partei zu unterbleiben.
Wien, am