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VwGH vom 12.05.2022, Ra 2021/13/0155

VwGH vom 12.05.2022, Ra 2021/13/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Baden Mödling in 2340 Mödling, DI Wilhelm Haßlingerstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102160/2021, betreffend Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO (mitbeteiligte Partei: Dr. H J in M, vertreten durch die Writzmann & Partner Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 2500 Baden bei Wien, Wassergasse 22-26/1 Top 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Nach den - in der Revision nicht bestrittenen - Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts war der Mitbeteiligte im Jahr 2005 an der (inzwischen gelöschten) W KG beteiligt. Die W KG war wiederum als atypisch stiller Gesellschafter an der S AG & atypisch stille Gesellschafter beteiligt. Als Ergebnis einer Außenprüfung bei der S AG & atypisch stille Gesellschafter erging an diese im Juli 2013 ein Feststellungsbescheid 2005, der bei der W KG am zu einer Abänderung des Feststellungsbescheides 2005 gemäß § 295 Abs. 1 BAO führte. Auf Basis dieses Feststellungsbescheides der W KG wurde wiederum der Einkommensteuerbescheid des Mitbeteiligten für das Jahr 2005 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert (vorläufige Festsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO am ; endgültige - unveränderte - Festsetzung mit Bescheid vom ).

2Mit Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte, den Einkommensteuerbescheid 2005 vom nach § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben. Er machte geltend, mit Entscheidung vom habe das Bundesfinanzgericht bestätigt, dass jener Gewinnfeststellungsbescheid der S AG & stille Gesellschafter, der mittelbar dem Einkommensteuerbescheid des Mitbeteiligten zugrunde liege, keine Bescheidqualität erlangt habe. Zudem sei ein Antrag auf Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO für den Feststellungsbescheid 2005 der W KG vom gestellt worden, da dieser auf einem nichtigen Grundlagenbescheid beruhe.

3Mit weiterer Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom bzw.  („Folgebescheid“) sowie des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2005 gemäß § 295 Abs. 4 BAO. Ergänzend führte der Mitbeteiligte aus, das Bundesfinanzgericht habe mit Entscheidung vom den Feststellungsbescheid 2005 des Finanzamts vom betreffend die W KG gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben; dieser dürfe somit keine Rechtswirkungen mehr entfalten.

4Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom bzw.  („Folgebescheid“) sowie des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2005 ab. In der Begründung führte das Finanzamt aus, mit Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom sei der Grundlagenbescheid 2005 vom 13. (richtig: 7.) November 2013 betreffend die W KG gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben worden. Weder der Einkommensteuerbescheid vom noch jener vom seien auf einen Nichtbescheid zurückzuführen, da es sich beim Feststellungsbescheid 2005 vom um einen wirksam ergangenen Grundlagenbescheid gehandelt habe, der erst aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom aufgehoben worden sei. Eine nachträgliche Aufhebung eines wirksam ergangenen Grundlagenbescheides erfülle nicht den Tatbestand des § 295 Abs. 4 BAO. Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom sei nicht als Folgebescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO, sondern als neuer Sachbescheid gemäß § 200 BAO ergangen.

5Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

6Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

7Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

8Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid auf. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom sei die von der S AG & atypisch stille Gesellschafter gegen den Feststellungsbescheid 2005 erhobene Berufung (Beschwerde) mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die angefochtene Erledigung als Nichtbescheid zu qualifizieren sei. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom sei die am erfolgte Abänderung des Feststellungsbescheides 2005 betreffend die W KG gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben worden.

10Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom bzw. vom stütze sich - wenn auch mittelbar über den gegenüber der W KG erlassenen, mit datierten Feststellungsbescheid 2005 - auf den gegenüber der S AG & atypisch stille Gesellschafter erlassenen Nichtbescheid. Die Abweisung des Antrages vom erweise sich demnach als rechtswidrig, weswegen der angefochtene Bescheid vom aufzuheben gewesen sei. „Der Vollständigkeit halber“ werde vom Bundesfinanzgericht angemerkt, dass durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides der Antrag vom wiederum unerledigt sei und die Abgabenbehörde - unter Prüfung der Voraussetzungen des § 295 Abs. 4 BAO - in Entsprechung des § 295 Abs. 5 BAO über diesen zu befinden habe.

11Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, zu der Rechtsfrage, ob § 295 Abs. 4 BAO (idF BGBl. I Nr. 3/2021) die Aufhebung eines Bescheides auch dann ermögliche, wenn dieser Bescheid nicht auf eine Feststellungserledigung gestützt worden sei, hinsichtlich derer eine Bescheidbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen worden sei, liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Ergänzend brachte das Finanzamt - zum Verfahrensgeschehen - vor, sowohl betreffend die W KG als auch die S AG & atypisch stille Gesellschafter seien neuerlich Feststellungsbescheide (mit unverändertem Inhalt) ergangen; gegen beide Bescheide sei Beschwerde erhoben worden.

12Nach Einleitung des Vorverfahrens hat sich die mitbeteiligte Partei nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beteiligt.

13Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14Die Revision ist aus dem vom Finanzamt aufgezeigten Grund zulässig, sie ist auch begründet.

15§ 295 BAO (idF BGBl. I Nr. 3/2021) lautet auszugsweise:

„(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

[...]

(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt

– eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder

– eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird.

(5) Die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 4 steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden bzw. zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.“

16In den Erläuterungen zum Initiativantrag (1109/A 27. GP 32) wurde insbesondere ausgeführt:

„Mit der Änderung wird für die Partei die Möglichkeit geschaffen, einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides zu stellen, der sich auf den Nichtbescheid gestützt hat. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage betrifft die Aufhebung damit nicht nur Änderungsbescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO sondern alle Bescheide, die auf den Nichtbescheid gestützt sind. Die Aufhebung ist nur zulässig, wenn der Antrag innerhalb von einem Jahr ab Rechtskraft der Zurückweisung gestellt wird. Mit dieser Antragsbefristung wird den Ausführungen des VfGH, wonach das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde erlangt, Rechnung getragen.

Zur Vermeidung von unsachlichen Ergebnissen ist vorgesehen, dass der Übernahme der im (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) getroffenen Feststellungen die Verjährung nicht entgegensteht, wenn der neue Abgabenfestsetzungsbescheid innerhalb von einem Jahr ab Aufhebung ergeht. Wird gegen den (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) fristgerecht Beschwerde erhoben, soll durch die Anwendung des § 209a Abs. 2 erster Satz BAO - zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes - trotz Verjährungseintritt eine allfällige Anpassung des abgeleiteten Festsetzungsbescheides an den im Beschwerdeverfahren abgeänderten Feststellungsbescheid möglich sein.“

17Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht - außer in den Fällen des § 278 BAO - immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts ist dabei durch die Sache des Verfahrens begrenzt (vgl. z.B. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 10).

18Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (vgl. z.B. , mwN).

19Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt die Anträge des Mitbeteiligten aber nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen (meritorisch behandelt). Wenn auch nach § 295 Abs. 5 BAO die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen der Abgabenbehörde zusteht, ist es im Zuge des Beschwerdeverfahrens über eine meritorische Erledigung Aufgabe des Verwaltungsgerichts, sodann in der Sache selbst zu entscheiden. Ist das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass der Aufhebungsantrag - entgegen dem bei ihm angefochtenen Bescheid des Finanzamts - berechtigt ist, so ist der Bescheid des Finanzamts abzuändern und auszusprechen, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde (hier also der Einkommensteuerbescheid 2005), aufgehoben werde. Ein allfällig neuer Einkommensteuerbescheid wäre sodann vom Finanzamt zu erlassen (vgl. - insoweit zur Wiederaufnahme - Ritz/Koran, BAO7, § 307 Tz 6; § 295 Abs. 5 BAO entspricht - nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, 2007 BlgNR 24. GP 21 - der für die Wiederaufnahme des Verfahrens geltenden Zuständigkeitsbestimmung).

20In einem derartigen Fall (wie hier vorliegend) kann sich das Verwaltungsgericht somit nicht darauf beschränken, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den Verfahrensparteien lediglich „der Vollständigkeit halber“ mitzuteilen, dass die Anträge wiederum unerledigt seien. Im Übrigen wird im angefochtenen Erkenntnis auch nicht dargetan, dass allenfalls die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung iSd § 278 Abs. 1 BAO vorlägen (vgl. dazu z.B. , mwN).

21Schon aus diesem Grund erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig.

22Der Antrag des Mitbeteiligten vom bezog sich ausschließlich auf den Einkommensteuerbescheid vom . Dieser Bescheid war jedoch zum Zeitpunkt dieses Antrags durch den endgültigen Bescheid vom , der an die Stelle des vorläufigen getreten war (vgl. § 251 BAO), verdrängt. Ein Aufhebungsantrag kann sich aber - an sich - nur auf den zu diesem Zeitpunkt wirksamen Bescheid beziehen. Erst durch die Aufhebung des zeitlich letzten Bescheides würde der frühere Bescheid wiederaufleben; auch dessen Aufhebung kann (allenfalls gleichzeitig) beantragt werden (vgl. Schwaiger, SWK 2015, 786 ff [790: „Bescheidkaskaden“]; Ritz, AFS 2021, 1 ff).

23Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der zeitlich zuletzt wirksame Einkommensteuerbescheid (vom ) aufzuheben ist. Dessen Aufhebung wurde erst mit Eingabe vom beantragt. Insoweit ist somit § 295 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 anzuwenden, ohne dass zu prüfen wäre, ob bei früherer Antragstellung allenfalls andere Fristen betreffend die Antragstellung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu etwa Ritz, aaO).

24Nach § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 76/2011 waren „auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1)“ auf Antrag der Partei aufzuheben. Nach der nunmehrigen Fassung (BGBl. I Nr. 3/2021) dieser Bestimmung sind „auf das Dokument gestützte Bescheide“ aufzuheben. Nach den Erläuterungen zum Initiativantrag sollte damit erreicht werden, dass nicht nur Änderungsbescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO, sondern alle Bescheide, die auf den Nichtbescheid gestützt sind, aufgehoben werden können. Als derartige Bescheide kommen - neben Änderungsbescheiden - insbesondere Erstbescheide, Beschwerdevorentscheidungen, gemäß § 299 Abs. 2 BAO erlassene Bescheide oder Sachentscheidungen iSd § 307 Abs. 1 BAO in Betracht (vgl. Ritz, AFS 2021, 1 ff).

25Nach § 295 Abs. 1 BAO sind Bescheide, die von einem Feststellungsbescheid abzuleiten sind, in näher genannten Fällen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen. Der demnach zu ersetzende Bescheid kann ein Abgabenbescheid sein (vgl. etwa ), es kann sich aber auch um einen weiteren Feststellungsbescheid handeln, der von einem anderen Feststellungsbescheid abzuleiten ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, § 295, 2856). Ein derartiger Fall kann insbesondere bei einer „Unterbeteiligung“ (vgl. dazu Zorn, RdW 2021/634, 786 ff; Kauba in Doralt et al, EStG21, § 23 Tz 236 ff) oder - wie hier - bei einer „mehrstöckigen Personengesellschaft“ (vgl. dazu Knechtl, SWK 2021, 487 ff [491]; Kauba, aaO Tz 221) vorliegen. In gleicher Weise ist auch betreffend § 295 Abs. 4 BAO anzunehmen, dass es sich bei dem „auf das Dokument gestützten“ Bescheid auch um einen Feststellungsbescheid handeln kann (ebenso z.B. Ritz/Koran, aaO, § 295 Tz 21b).

26Ein Abgabenbescheid, der auf einem Nichtbescheid aufbaut, ist nicht schon deswegen ebenfalls unwirksam, sondern rechtswidrig (vgl. ). Gleiches gilt auch für einen Feststellungsbescheid, der auf einen unwirksamen anderen Feststellungsbescheid gestützt wird.

27Im vorliegenden Fall erwies sich der an die S AG & atypisch stille Gesellschafter gerichtete Feststellungsbescheid 2005 als unwirksam. Der darauf gestützte Feststellungsbescheid 2005 der W KG war hingegen nicht unwirksam; eine Unwirksamkeit dieses Bescheides würde im Übrigen insbesondere auch seiner Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO entgegenstehen (und diese erübrigen).

28Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom des Mitbeteiligten stützte sich auf den Feststellungsbescheid 2005 der W KG; mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2005 des Mitbeteiligten (unverändert) endgültig festgesetzt.

29Damit stützten sich die Einkommensteuerbescheide 2005, deren Aufhebung vom Mitbeteiligten beantragt wurde, nicht unmittelbar auf jenes Dokument, zu dem eine Bescheidbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen worden war. Dass eine - wie hier vorliegend - bloß mittelbare „Stützung“ ebenfalls eine Aufhebung ermöglichen solle, kann nicht angenommen werden.

30Der Umstand, dass das Dokument betreffend die S AG & atypisch stille Gesellschafter unwirksam war, hat zunächst keine Auswirkungen auf den Einkommensteuerbescheid des Mitbeteiligten, der sich auf den wirksamen Feststellungsbescheid betreffend die W KG stützte (von diesem abgeleitet war). Erst die Aufhebung des Feststellungsbescheides betreffend die W KG konnte Auswirkungen auf den Einkommensteuerbescheid des Mitbeteiligten haben. Diese Aufhebung bedarf aber eines – rechtzeitigen - Antrags einer Partei im „abgeleiteten“ Verfahren (hier der W KG). Ein derartiger Antrag kann allenfalls auch unterbleiben. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch eine bloß mittelbare Ableitung von einem Nicht-Bescheid ohne (oder vor) Aufhebung des darauf gestützten (mittleren) Grundlagenbescheides zu einer Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO führen könnte.

31Es kann aber - nach dem Wortlaut und der Systematik der Bestimmung - auch nicht angenommen werden, dass die Aufhebung dieses (mittleren) Grundlagenbescheides nach § 295 Abs. 4 BAO zu einer Aufhebung eines von diesem Grundlagenbescheid abgeleiteten weiteren Bescheides berechtigen solle. § 295 Abs. 4 BAO sieht nach seinem eindeutigen Wortlaut Rechtsfolgen nur für den Fall vor, dass eine Bescheidbeschwerde zurückgewiesen wurde, weil das angefochtene Dokument kein Bescheid ist. § 295 Abs. 1 BAO regelt hingegen Rechtsfolgen, wenn ein Feststellungsbescheid u.a. nachträglich aufgehoben wird. Es ist daher nach der Systematik dieser Bestimmung davon auszugehen, dass die Aufhebung eines Grundlagenbescheides nach § 295 Abs. 4 BAO zu einer (amtswegigen, allenfalls im Wege einer Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO durchsetzbaren) Abänderung des darauf gestützten Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO zu führen hat.

32Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Bestimmung ist das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke, dass also das Gesetz - gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig (ergänzungsbedürftig) ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt etwa dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. , mwN).

33Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag geht zwar hervor, dass der Gesetzgeber den Fall, dass ein Feststellungsbescheid wiederum auf einen anderen Feststellungsbescheid gestützt wird und damit ein Abgabenbescheid bloß mittelbar von einem Feststellungsbescheid abhängig ist, nicht bedacht hat.

34Es liegt aber insoweit keine durch Analogie zu schließende Lücke vor, da für diesen Fall die Regelung des § 295 Abs. 1 BAO anwendbar ist. Im vorliegenden Fall konnte die Zurückweisung der Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren der S AG & atypisch stille Gesellschafter dazu führen, dass über Antrag der W KG der (wirksame) Feststellungsbescheid betreffend die W KG nach § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben wurde. Gestützt auf diese Aufhebung ist der Einkommensteuerbescheid des Mitbeteiligten nach § 295 Abs. 1 BAO abzuändern. Dass der aktuell wirksame Bescheid nach Beseitigung der Ungewissheit gemäß § 200 Abs. 2 BAO ergangen ist, ändert nichts daran, dass dieser Bescheid (auch) von einem Feststellungsbescheid abzuleiten war, der für den Abgabenbescheid bindend (§ 252 Abs. 1 BAO) war; auch dieser Bescheid ist mit den Inhalten von Feststellungsbescheiden in Einklang zu bringen (vgl. zu dieser Funktion des § 295 BAO Ritz/Koran, aaO, § 295 Tz 9).

35Einer derartigen Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO steht die Verjährung nicht entgegen. Nach § 209a Abs. 2 BAO steht einer Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn eine Beschwerde oder ein Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde und die Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung der Beschwerde oder des Antrags abhängt. § 209a Abs. 2 BAO erfasst insbesondere auch jene Fälle, in denen eine Beschwerde gegen einen Feststellungsbescheid anhängig ist und stellt diese Sachverhaltskonstellation im Hinblick auf die Verjährungsfolgen jenen Fällen gleich, in denen die Abgabenfestsetzung selbst Gegenstand eines anhängigen Beschwerdeverfahrens ist (vgl. ). Dies gilt zwar nicht für Beschwerden, die gegen unwirksame Erledigungen gerichtet sind (vgl. ; , 2009/13/0088). Im vorliegenden Fall ist die Abgabenfestsetzung aber nicht abhängig von der Beschwerde gegen eine unwirksame Erledigung, sondern von der Entscheidung über den Antrag (der W KG) nach § 295 Abs. 4 BAO.

36Insoweit erweist sich das Gesetz aber als ergänzungsbedürftig. Gemessen an der (aus den Erläuterungen zum Initiativantrag hervorgehenden) Absicht des Gesetzgebers und der inneren Teleologie sollte zur Vermeidung von unsachlichen Ergebnissen der Übernahme von in (neuen) Grundlagenbescheiden getroffenen Feststellungen die Verjährung nicht entgegenstehen, wenn die Abgabenbescheide innerhalb bestimmter Fristen ergehen. Eine dahin gehende Ergänzung widerspricht auch erkennbar keiner vom Gesetz gewollten Beschränkung. Wenn in § 209a Abs. 2 BAO insoweit darauf verwiesen wird, dass der Antrag „vor diesem Zeitpunkt“ eingebracht wurde, so hat sich dies bei einem Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO zur Vermeidung einer unsachlichen Anknüpfung (vgl.  u.a.) in analoger Anwendung des § 209a Abs. 2 zweiter Satz BAO darauf zu beziehen, ob der Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO nach den für diese Bestimmung vorgesehenen Regelungen rechtzeitig ist.

37In gleicher Weise steht in einem derartigen Fall in analoger Anwendung des § 295 Abs. 4 BAO auch eine weitere Abänderung des Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 1 BAO der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab der Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO erfolgt, dies hier aber nur soweit damit die im (neuen) Feststellungsbescheid enthaltenen Feststellungen übernommen werden. Im Falle der Bekämpfung des neuen Grundlagenbescheides ist wiederum § 209a Abs. 2 BAO zu beachten.

38Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass eine Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO auch schon vor Rechtskraft der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides erfolgen kann. Erforderlich ist aber, dass diese Entscheidung betreffend den Grundlagenbescheid wirksam wurde. Nach dem Akteninhalt wurde die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , mit welchem der Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für 2005 vom betreffend die W KG aufgehoben worden war, nur dem Finanzamt und der W KG zugestellt; dass ein Hinweis nach § 101 Abs. 3 BAO aufgenommen worden wäre, ist dem Akteninhalt nicht entnehmbar. Damit hätte aber diese Entscheidung, mit der das Bundesfinanzgericht mit Rechtskraftwirkung für alle am Feststellungsverfahren Beteiligten aussprechen wollte, dass dieser Feststellungsbescheid aufgehoben wird, im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirksamkeit erlangt (vgl. z.B. , mwN). Ob darüber hinaus die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , mit dem die Beschwerde der S AG & atypische stille Gesellschafter gegen die Feststellungsbescheide vom Juli 2013 zurückgewiesen worden waren, wirksam ist (vgl. dazu z.B. , mwN), entzieht sich der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes, da insoweit die Zustellverfügung aus den vorgelegten Verfahrensakten nicht erkennbar ist.

39Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130155.L00

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